herunter, zeigte mir die Dinge und erklärte sie mir nach der Wahrheit. Getrocknete Pflanzen und Insekten und manche Arten von anatomischen Präparaten. Menschenhaut, Knochen, Mumien und dergleichen kamen auf das Krankenbette der Kleinen; Vögel und Thiere, die er auf der Jagd erlegte, wur¬ den mir vorgezeigt, ehe sie nach der Küche gingen, und damit doch auch der Fürst der Welt eine Stimme in dieser Versammlung behielte, erzählte mir die Tante Liebesge¬ schichten und Feenmärchen. Alles ward an¬ genommen und alles faßte Wurzel. Ich hatte Stunden, in denen ich mich lebhaft mit dem unsichtbaren Wesen unterhielte, ich weiß noch einige Verse, die ich der Mutter damals in die Feder dictirte.
Oft erzählte ich dem Vater wieder, was ich von ihm gelernt hatte. Ich nahm nicht leicht eine Arzeney, ohne zu fragen, wo wach¬
W. Meisters Lehrj. 3. O
herunter, zeigte mir die Dinge und erklärte ſie mir nach der Wahrheit. Getrocknete Pflanzen und Inſekten und manche Arten von anatomiſchen Präparaten. Menſchenhaut, Knochen, Mumien und dergleichen kamen auf das Krankenbette der Kleinen; Vögel und Thiere, die er auf der Jagd erlegte, wur¬ den mir vorgezeigt, ehe ſie nach der Küche gingen, und damit doch auch der Fürſt der Welt eine Stimme in dieſer Verſammlung behielte, erzählte mir die Tante Liebesge¬ ſchichten und Feenmärchen. Alles ward an¬ genommen und alles faßte Wurzel. Ich hatte Stunden, in denen ich mich lebhaft mit dem unſichtbaren Weſen unterhielte, ich weiß noch einige Verſe, die ich der Mutter damals in die Feder dictirte.
Oft erzählte ich dem Vater wieder, was ich von ihm gelernt hatte. Ich nahm nicht leicht eine Arzeney, ohne zu fragen, wo wach¬
W. Meiſters Lehrj. 3. O
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0215"n="209"/>
herunter, zeigte mir die Dinge und erklärte<lb/>ſie mir nach der Wahrheit. Getrocknete<lb/>
Pflanzen und Inſekten und manche Arten<lb/>
von anatomiſchen Präparaten. Menſchenhaut,<lb/>
Knochen, Mumien und dergleichen kamen<lb/>
auf das Krankenbette der Kleinen; Vögel<lb/>
und Thiere, die er auf der Jagd erlegte, wur¬<lb/>
den mir vorgezeigt, ehe ſie nach der Küche<lb/>
gingen, und damit doch auch der Fürſt der<lb/>
Welt eine Stimme in dieſer Verſammlung<lb/>
behielte, erzählte mir die Tante Liebesge¬<lb/>ſchichten und Feenmärchen. Alles ward an¬<lb/>
genommen und alles faßte Wurzel. Ich<lb/>
hatte Stunden, in denen ich mich lebhaft mit<lb/>
dem unſichtbaren Weſen unterhielte, ich weiß<lb/>
noch einige Verſe, die ich der Mutter damals<lb/>
in die Feder dictirte.</p><lb/><p>Oft erzählte ich dem Vater wieder, was<lb/>
ich von ihm gelernt hatte. Ich nahm nicht<lb/>
leicht eine Arzeney, ohne zu fragen, wo wach¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">W. Meiſters Lehrj. 3. O<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[209/0215]
herunter, zeigte mir die Dinge und erklärte
ſie mir nach der Wahrheit. Getrocknete
Pflanzen und Inſekten und manche Arten
von anatomiſchen Präparaten. Menſchenhaut,
Knochen, Mumien und dergleichen kamen
auf das Krankenbette der Kleinen; Vögel
und Thiere, die er auf der Jagd erlegte, wur¬
den mir vorgezeigt, ehe ſie nach der Küche
gingen, und damit doch auch der Fürſt der
Welt eine Stimme in dieſer Verſammlung
behielte, erzählte mir die Tante Liebesge¬
ſchichten und Feenmärchen. Alles ward an¬
genommen und alles faßte Wurzel. Ich
hatte Stunden, in denen ich mich lebhaft mit
dem unſichtbaren Weſen unterhielte, ich weiß
noch einige Verſe, die ich der Mutter damals
in die Feder dictirte.
Oft erzählte ich dem Vater wieder, was
ich von ihm gelernt hatte. Ich nahm nicht
leicht eine Arzeney, ohne zu fragen, wo wach¬
W. Meiſters Lehrj. 3. O
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/215>, abgerufen am 03.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.