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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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mußten Pfänder gespielt werden. Es ging
dabey sehr rauschend und lebhaft zu. Nar¬
ciß hatte ein Pfand zu lösen; man gab ihm
auf, der ganzen Gesellschaft etwas ins Ohr
zu sagen, das jedermann angenehm wäre.
Er mochte sich bey meiner Nachbarin, der
Frau eines Hauptmanns, zu lange verwei¬
len. Auf einmal gab ihm dieser eine Ohr¬
feige, daß mir, die ich gleich daran saß, der
Puder in die Augen flog. Als ich die Au¬
gen ausgewischt und mich vom Schrecken ei¬
nigermaßen erholt hatte, sah ich beyde Män¬
ner mit bloßen Degen. Narciß blutete, und
der andere, außer sich von Wein, Zorn und
Eifersucht, konnte kaum von der ganzen
übrigen Gesellschaft zurück gehalten werden.
Ich nahm Narcissen beym Arm und führte
ihn zur Thüre hinaus eine Treppe hinauf
in ein ander Zimmer, und weil ich meinen

mußten Pfänder geſpielt werden. Es ging
dabey ſehr rauſchend und lebhaft zu. Nar¬
ciß hatte ein Pfand zu löſen; man gab ihm
auf, der ganzen Geſellſchaft etwas ins Ohr
zu ſagen, das jedermann angenehm wäre.
Er mochte ſich bey meiner Nachbarin, der
Frau eines Hauptmanns, zu lange verwei¬
len. Auf einmal gab ihm dieſer eine Ohr¬
feige, daß mir, die ich gleich daran ſaß, der
Puder in die Augen flog. Als ich die Au¬
gen ausgewiſcht und mich vom Schrecken ei¬
nigermaßen erholt hatte, ſah ich beyde Män¬
ner mit bloßen Degen. Narciß blutete, und
der andere, außer ſich von Wein, Zorn und
Eiferſucht, konnte kaum von der ganzen
übrigen Geſellſchaft zurück gehalten werden.
Ich nahm Narciſſen beym Arm und führte
ihn zur Thüre hinaus eine Treppe hinauf
in ein ander Zimmer, und weil ich meinen

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[231/0237] mußten Pfänder geſpielt werden. Es ging dabey ſehr rauſchend und lebhaft zu. Nar¬ ciß hatte ein Pfand zu löſen; man gab ihm auf, der ganzen Geſellſchaft etwas ins Ohr zu ſagen, das jedermann angenehm wäre. Er mochte ſich bey meiner Nachbarin, der Frau eines Hauptmanns, zu lange verwei¬ len. Auf einmal gab ihm dieſer eine Ohr¬ feige, daß mir, die ich gleich daran ſaß, der Puder in die Augen flog. Als ich die Au¬ gen ausgewiſcht und mich vom Schrecken ei¬ nigermaßen erholt hatte, ſah ich beyde Män¬ ner mit bloßen Degen. Narciß blutete, und der andere, außer ſich von Wein, Zorn und Eiferſucht, konnte kaum von der ganzen übrigen Geſellſchaft zurück gehalten werden. Ich nahm Narciſſen beym Arm und führte ihn zur Thüre hinaus eine Treppe hinauf in ein ander Zimmer, und weil ich meinen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/237>, abgerufen am 25.04.2024.