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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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Freund vor seinem tollen Gegner nicht sicher
glaubte, riegelte ich die Thüre sogleich zu.

Wir hielten beyde die Wunde nicht für
ernsthaft, denn wir sahen nur einen leichten
Hieb über die Hand; bald aber wurden wir
einen Strom von Blut, der den Rücken hin¬
unterfloß, gewahr, und es zeigte sich eine
große Wunde auf dem Kopfe. Nun ward
mir bange. Ich eilte auf den Vorplatz um
nach Hülfe zu schicken, konnte aber niemand
ansichtig werden, denn alles war unten ge¬
blieben, den rasenden Menschen zu bändigen.
Endlich kam eine Tochter des Hauses her¬
auf gesprungen und ihre Munterkeit ängstig¬
te mich nicht wenig, da sie sich über den tol¬
len Spectakel und über die verfluchte Co¬
mödie fast zu Tode lachen wollte. Ich bat
sie dringend mir einen Wundarzt zu schaffen,
und sie, nach ihrer wilden Art, sprang gleich
die Treppe hinunter, selbst einen zu hohlen.

Freund vor ſeinem tollen Gegner nicht ſicher
glaubte, riegelte ich die Thüre ſogleich zu.

Wir hielten beyde die Wunde nicht für
ernſthaft, denn wir ſahen nur einen leichten
Hieb über die Hand; bald aber wurden wir
einen Strom von Blut, der den Rücken hin¬
unterfloß, gewahr, und es zeigte ſich eine
große Wunde auf dem Kopfe. Nun ward
mir bange. Ich eilte auf den Vorplatz um
nach Hülfe zu ſchicken, konnte aber niemand
anſichtig werden, denn alles war unten ge¬
blieben, den raſenden Menſchen zu bändigen.
Endlich kam eine Tochter des Hauſes her¬
auf geſprungen und ihre Munterkeit ängſtig¬
te mich nicht wenig, da ſie ſich über den tol¬
len Spectakel und über die verfluchte Co¬
mödie faſt zu Tode lachen wollte. Ich bat
ſie dringend mir einen Wundarzt zu ſchaffen,
und ſie, nach ihrer wilden Art, ſprang gleich
die Treppe hinunter, ſelbſt einen zu hohlen.

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[232/0238] Freund vor ſeinem tollen Gegner nicht ſicher glaubte, riegelte ich die Thüre ſogleich zu. Wir hielten beyde die Wunde nicht für ernſthaft, denn wir ſahen nur einen leichten Hieb über die Hand; bald aber wurden wir einen Strom von Blut, der den Rücken hin¬ unterfloß, gewahr, und es zeigte ſich eine große Wunde auf dem Kopfe. Nun ward mir bange. Ich eilte auf den Vorplatz um nach Hülfe zu ſchicken, konnte aber niemand anſichtig werden, denn alles war unten ge¬ blieben, den raſenden Menſchen zu bändigen. Endlich kam eine Tochter des Hauſes her¬ auf geſprungen und ihre Munterkeit ängſtig¬ te mich nicht wenig, da ſie ſich über den tol¬ len Spectakel und über die verfluchte Co¬ mödie faſt zu Tode lachen wollte. Ich bat ſie dringend mir einen Wundarzt zu ſchaffen, und ſie, nach ihrer wilden Art, ſprang gleich die Treppe hinunter, ſelbſt einen zu hohlen.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/238>, abgerufen am 18.04.2024.