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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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stark verwundet wurde, war vorüber, ohne
daß ich etwas davon erfahren hatte, und
die öffentliche Meynung war in jedem Sin¬
ne auf der Seite meines Geliebten, der end¬
lich wieder auf dem Schauplatze erschien.
Vor allen Dingen ließ er sich mit verbund¬
nem Haupt und eingewickelter Hand in un¬
ser Haus tragen. Wie klopfte mir das Herz
bey diesem Besuche! Die ganze Familie
war gegenwärtig; es blieb auf beyden Sei¬
ten nur bey allgemeinen Danksagungen und
Höflichkeiten, doch fand er Gelegenheit mir
einige geheime Zeichen seiner Zärtlichkeit zu
geben, wodurch meine Unruhe nur zu sehr
vermehrt ward. Nachdem er sich völlig wie¬
der erhohlt, besuchte er uns den ganzen Win¬
ter auf eben dem Fuß wie ehemals, und bey
allen leisen Zeichen von Empfindung und
Liebe, die er mir gab, blieb alles unerörtert.

Auf diese Weise ward ich in steter Übung

gehal¬

ſtark verwundet wurde, war vorüber, ohne
daß ich etwas davon erfahren hatte, und
die öffentliche Meynung war in jedem Sin¬
ne auf der Seite meines Geliebten, der end¬
lich wieder auf dem Schauplatze erſchien.
Vor allen Dingen ließ er ſich mit verbund¬
nem Haupt und eingewickelter Hand in un¬
ſer Haus tragen. Wie klopfte mir das Herz
bey dieſem Beſuche! Die ganze Familie
war gegenwärtig; es blieb auf beyden Sei¬
ten nur bey allgemeinen Dankſagungen und
Höflichkeiten, doch fand er Gelegenheit mir
einige geheime Zeichen ſeiner Zärtlichkeit zu
geben, wodurch meine Unruhe nur zu ſehr
vermehrt ward. Nachdem er ſich völlig wie¬
der erhohlt, beſuchte er uns den ganzen Win¬
ter auf eben dem Fuß wie ehemals, und bey
allen leiſen Zeichen von Empfindung und
Liebe, die er mir gab, blieb alles unerörtert.

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[240/0246] ſtark verwundet wurde, war vorüber, ohne daß ich etwas davon erfahren hatte, und die öffentliche Meynung war in jedem Sin¬ ne auf der Seite meines Geliebten, der end¬ lich wieder auf dem Schauplatze erſchien. Vor allen Dingen ließ er ſich mit verbund¬ nem Haupt und eingewickelter Hand in un¬ ſer Haus tragen. Wie klopfte mir das Herz bey dieſem Beſuche! Die ganze Familie war gegenwärtig; es blieb auf beyden Sei¬ ten nur bey allgemeinen Dankſagungen und Höflichkeiten, doch fand er Gelegenheit mir einige geheime Zeichen ſeiner Zärtlichkeit zu geben, wodurch meine Unruhe nur zu ſehr vermehrt ward. Nachdem er ſich völlig wie¬ der erhohlt, beſuchte er uns den ganzen Win¬ ter auf eben dem Fuß wie ehemals, und bey allen leiſen Zeichen von Empfindung und Liebe, die er mir gab, blieb alles unerörtert. Auf dieſe Weiſe ward ich in ſteter Übung gehal¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/246>, abgerufen am 20.04.2024.