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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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mußten uns nach unsrer Weise wieder beneh¬
men und behelfen.

Die sonderbaren Erfahrungen die ich in
jenem neuen Kreise gemacht hatte, ließen ei¬
nen schönen Eindruck bey mir zurück, doch
blieb er nicht lange in seiner ganzen Lebhaf¬
tigkeit, obgleich der Oheim ihn zu unterhal¬
ten und zu erneuern suchte, indem er mir,
von Zeit zu Zeit, von seinen besten und ge¬
fälligsten Kunstwerken zusandte, und wenn
ich sie lange genug genossen hatte, wieder
mit andern vertauschte.

Ich war zu sehr gewohnt, mich mit mir
selbst zu beschäftigen, die Angelegenheiten
meines Herzens und meines Gemüthes in
Ordnung zu bringen, und mich davon mit
ähnlich gesinnten Personen zu unterhalten,
als daß ich mit Aufmerksamkeit ein Kunst¬
werk hätte betrachten sollen, ohne bald auf
mich selbst zurück zu kehren. Ich war ge¬

mußten uns nach unſrer Weiſe wieder beneh¬
men und behelfen.

Die ſonderbaren Erfahrungen die ich in
jenem neuen Kreiſe gemacht hatte, ließen ei¬
nen ſchönen Eindruck bey mir zurück, doch
blieb er nicht lange in ſeiner ganzen Lebhaf¬
tigkeit, obgleich der Oheim ihn zu unterhal¬
ten und zu erneuern ſuchte, indem er mir,
von Zeit zu Zeit, von ſeinen beſten und ge¬
fälligſten Kunſtwerken zuſandte, und wenn
ich ſie lange genug genoſſen hatte, wieder
mit andern vertauſchte.

Ich war zu ſehr gewohnt, mich mit mir
ſelbſt zu beſchäftigen, die Angelegenheiten
meines Herzens und meines Gemüthes in
Ordnung zu bringen, und mich davon mit
ähnlich geſinnten Perſonen zu unterhalten,
als daß ich mit Aufmerkſamkeit ein Kunſt¬
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mich ſelbſt zurück zu kehren. Ich war ge¬

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[347/0353] mußten uns nach unſrer Weiſe wieder beneh¬ men und behelfen. Die ſonderbaren Erfahrungen die ich in jenem neuen Kreiſe gemacht hatte, ließen ei¬ nen ſchönen Eindruck bey mir zurück, doch blieb er nicht lange in ſeiner ganzen Lebhaf¬ tigkeit, obgleich der Oheim ihn zu unterhal¬ ten und zu erneuern ſuchte, indem er mir, von Zeit zu Zeit, von ſeinen beſten und ge¬ fälligſten Kunſtwerken zuſandte, und wenn ich ſie lange genug genoſſen hatte, wieder mit andern vertauſchte. Ich war zu ſehr gewohnt, mich mit mir ſelbſt zu beſchäftigen, die Angelegenheiten meines Herzens und meines Gemüthes in Ordnung zu bringen, und mich davon mit ähnlich geſinnten Perſonen zu unterhalten, als daß ich mit Aufmerkſamkeit ein Kunſt¬ werk hätte betrachten ſollen, ohne bald auf mich ſelbſt zurück zu kehren. Ich war ge¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/353>, abgerufen am 19.04.2024.