Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Gegenstand anzusehn, und da er wußte, daß
ich meine Constitution, mein Übel, und die
medicinischen Hülfsmittel ziemlich kannte,
und ich wirklich durch anhaltende eigene und
fremde Leiden ein halber Arzt geworden war,
so leitete er meine Aufmerksamkeit von der
Kenntniß des menschlichen Körpers und der
Specereyen, auf die übrigen nachbarlichen
Gegenstände der Schöpfung, und führte mich
wie im Paradiese umher, und nur zuletzt,
wenn ich mein Gleichniß fortsetzen darf, ließ
er mich den in der Abendkühle im Garten
wandelnden Schöpfer aus der Entfernung
ahnden.

Wie gerne sah ich nunmehr Gott in der
Natur, da ich ihn mit solcher Gewißheit im
Herzen trug, wie interessant war mir das
Werk seiner Hände, und wie dankbar war
ich, daß er mich mit dem Athem seines Mun¬
des hatte beleben wollen.

Gegenſtand anzuſehn, und da er wußte, daß
ich meine Conſtitution, mein Übel, und die
mediciniſchen Hülfsmittel ziemlich kannte,
und ich wirklich durch anhaltende eigene und
fremde Leiden ein halber Arzt geworden war,
ſo leitete er meine Aufmerkſamkeit von der
Kenntniß des menſchlichen Körpers und der
Specereyen, auf die übrigen nachbarlichen
Gegenſtände der Schöpfung, und führte mich
wie im Paradieſe umher, und nur zuletzt,
wenn ich mein Gleichniß fortſetzen darf, ließ
er mich den in der Abendkühle im Garten
wandelnden Schöpfer aus der Entfernung
ahnden.

Wie gerne ſah ich nunmehr Gott in der
Natur, da ich ihn mit ſolcher Gewißheit im
Herzen trug, wie intereſſant war mir das
Werk ſeiner Hände, und wie dankbar war
ich, daß er mich mit dem Athem ſeines Mun¬
des hatte beleben wollen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0365" n="359"/>
Gegen&#x017F;tand anzu&#x017F;ehn, und da er wußte, daß<lb/>
ich meine Con&#x017F;titution, mein Übel, und die<lb/>
medicini&#x017F;chen Hülfsmittel ziemlich kannte,<lb/>
und ich wirklich durch anhaltende eigene und<lb/>
fremde Leiden ein halber Arzt geworden war,<lb/>
&#x017F;o leitete er meine Aufmerk&#x017F;amkeit von der<lb/>
Kenntniß des men&#x017F;chlichen Körpers und der<lb/>
Specereyen, auf die übrigen nachbarlichen<lb/>
Gegen&#x017F;tände der Schöpfung, und führte mich<lb/>
wie im Paradie&#x017F;e umher, und nur zuletzt,<lb/>
wenn ich mein Gleichniß fort&#x017F;etzen darf, ließ<lb/>
er mich den in der Abendkühle im Garten<lb/>
wandelnden Schöpfer aus der Entfernung<lb/>
ahnden.</p><lb/>
            <p>Wie gerne &#x017F;ah ich nunmehr Gott in der<lb/>
Natur, da ich ihn mit &#x017F;olcher Gewißheit im<lb/>
Herzen trug, wie intere&#x017F;&#x017F;ant war mir das<lb/>
Werk &#x017F;einer Hände, und wie dankbar war<lb/>
ich, daß er mich mit dem Athem &#x017F;eines Mun¬<lb/>
des hatte beleben wollen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0365] Gegenſtand anzuſehn, und da er wußte, daß ich meine Conſtitution, mein Übel, und die mediciniſchen Hülfsmittel ziemlich kannte, und ich wirklich durch anhaltende eigene und fremde Leiden ein halber Arzt geworden war, ſo leitete er meine Aufmerkſamkeit von der Kenntniß des menſchlichen Körpers und der Specereyen, auf die übrigen nachbarlichen Gegenſtände der Schöpfung, und führte mich wie im Paradieſe umher, und nur zuletzt, wenn ich mein Gleichniß fortſetzen darf, ließ er mich den in der Abendkühle im Garten wandelnden Schöpfer aus der Entfernung ahnden. Wie gerne ſah ich nunmehr Gott in der Natur, da ich ihn mit ſolcher Gewißheit im Herzen trug, wie intereſſant war mir das Werk ſeiner Hände, und wie dankbar war ich, daß er mich mit dem Athem ſeines Mun¬ des hatte beleben wollen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/365
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/365>, abgerufen am 28.03.2024.