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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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unter einander verglichen hatten, so suchten
wir nun bey den Kindern die Ähnlichkeiten
des äussern und innern wieder auf. Der
älteste Sohn meiner Schwester schien seinem
Großvater, väterlicher Seite, zu gleichen,
von dem ein jugendliches Bild sehr gut ge¬
mahlt in der Sammlung unseres Oheims
aufgestellt war, auch liebte er wie jener, der
sich immer als ein braver Officier gezeigt
hatte, nichts so sehr als das Gewehr, wo¬
mit er sich immer, so oft er mich besuchte,
beschäftigte. Denn mein Vater hatte einen
sehr schönen Gewehrschrank hinterlassen, und
der Kleine hatte nicht eher Ruhe, bis ich
ihm ein Paar Pistolen und eine Jagdflinte
schenkte, und bis er heraus gebracht hatte,
wie ein deutsches Schloß aufzuziehen sey.
Übrigens war er in seinen Handlungen und
seinem ganzen Wesen nichts weniger als
rauh, sondern vielmehr sanft und verständig.

unter einander verglichen hatten, ſo ſuchten
wir nun bey den Kindern die Ähnlichkeiten
des äuſſern und innern wieder auf. Der
älteſte Sohn meiner Schweſter ſchien ſeinem
Großvater, väterlicher Seite, zu gleichen,
von dem ein jugendliches Bild ſehr gut ge¬
mahlt in der Sammlung unſeres Oheims
aufgeſtellt war, auch liebte er wie jener, der
ſich immer als ein braver Officier gezeigt
hatte, nichts ſo ſehr als das Gewehr, wo¬
mit er ſich immer, ſo oft er mich beſuchte,
beſchäftigte. Denn mein Vater hatte einen
ſehr ſchönen Gewehrſchrank hinterlaſſen, und
der Kleine hatte nicht eher Ruhe, bis ich
ihm ein Paar Piſtolen und eine Jagdflinte
ſchenkte, und bis er heraus gebracht hatte,
wie ein deutſches Schloß aufzuziehen ſey.
Übrigens war er in ſeinen Handlungen und
ſeinem ganzen Weſen nichts weniger als
rauh, ſondern vielmehr ſanft und verſtändig.

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[362/0368] unter einander verglichen hatten, ſo ſuchten wir nun bey den Kindern die Ähnlichkeiten des äuſſern und innern wieder auf. Der älteſte Sohn meiner Schweſter ſchien ſeinem Großvater, väterlicher Seite, zu gleichen, von dem ein jugendliches Bild ſehr gut ge¬ mahlt in der Sammlung unſeres Oheims aufgeſtellt war, auch liebte er wie jener, der ſich immer als ein braver Officier gezeigt hatte, nichts ſo ſehr als das Gewehr, wo¬ mit er ſich immer, ſo oft er mich beſuchte, beſchäftigte. Denn mein Vater hatte einen ſehr ſchönen Gewehrſchrank hinterlaſſen, und der Kleine hatte nicht eher Ruhe, bis ich ihm ein Paar Piſtolen und eine Jagdflinte ſchenkte, und bis er heraus gebracht hatte, wie ein deutſches Schloß aufzuziehen ſey. Übrigens war er in ſeinen Handlungen und ſeinem ganzen Weſen nichts weniger als rauh, ſondern vielmehr ſanft und verſtändig.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/368>, abgerufen am 18.04.2024.