Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Nationen, haben Gefühl für ein ästhetisches
Ganze; sie loben und tadeln nur stellen¬
weise; sie entzücken sich nur stellenweise: und
für wen ist das ein größeres Glück als für
den Schauspieler, da das Theater doch im¬
mer nur ein gestoppeltes und gestückeltes
Wesen bleibt.

Ist! versetzte Wilhelm; aber muß es
denn auch so bleiben, muß denn alles blei¬
ben was ist? Überzeugen Sie mich ja nicht,
daß Sie recht haben; denn keine Macht in
der Welt würde mich bewegen können, einen
Contract zu halten, den ich nur im gröbsten
Irrthum geschlossen hätte.

Serlo gab der Sache eine lustige Wen¬
dung und ersuchte Wilhelmen, ihre öftern
Gespräche über Hamlet nochmals zu beden¬
ken, und selbst die Mittel zu einer glückli¬
chen Bearbeitung zu ersinnen.

Nach einigen Tagen, die er in der Ein¬

Nationen, haben Gefühl für ein äſthetiſches
Ganze; ſie loben und tadeln nur ſtellen¬
weiſe; ſie entzücken ſich nur ſtellenweiſe: und
für wen iſt das ein größeres Glück als für
den Schauſpieler, da das Theater doch im¬
mer nur ein geſtoppeltes und geſtückeltes
Weſen bleibt.

Iſt! verſetzte Wilhelm; aber muß es
denn auch ſo bleiben, muß denn alles blei¬
ben was iſt? Überzeugen Sie mich ja nicht,
daß Sie recht haben; denn keine Macht in
der Welt würde mich bewegen können, einen
Contract zu halten, den ich nur im gröbſten
Irrthum geſchloſſen hätte.

Serlo gab der Sache eine luſtige Wen¬
dung und erſuchte Wilhelmen, ihre öftern
Geſpräche über Hamlet nochmals zu beden¬
ken, und ſelbſt die Mittel zu einer glückli¬
chen Bearbeitung zu erſinnen.

Nach einigen Tagen, die er in der Ein¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0048" n="42"/>
Nationen, haben Gefühl für ein ä&#x017F;theti&#x017F;ches<lb/>
Ganze; &#x017F;ie loben und tadeln nur &#x017F;tellen¬<lb/>
wei&#x017F;e; &#x017F;ie entzücken &#x017F;ich nur &#x017F;tellenwei&#x017F;e: und<lb/>
für wen i&#x017F;t das ein größeres Glück als für<lb/>
den Schau&#x017F;pieler, da das Theater doch im¬<lb/>
mer nur ein ge&#x017F;toppeltes und ge&#x017F;tückeltes<lb/>
We&#x017F;en bleibt.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">I</hi>&#x017F;t! ver&#x017F;etzte Wilhelm; aber <hi rendition="#g">muß</hi> es<lb/>
denn auch &#x017F;o bleiben, muß denn alles blei¬<lb/>
ben was i&#x017F;t? Überzeugen Sie mich ja nicht,<lb/>
daß Sie recht haben; denn keine Macht in<lb/>
der Welt würde mich bewegen können, einen<lb/>
Contract zu halten, den ich nur im gröb&#x017F;ten<lb/>
Irrthum ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hätte.</p><lb/>
            <p>Serlo gab der Sache eine lu&#x017F;tige Wen¬<lb/>
dung und er&#x017F;uchte Wilhelmen, ihre öftern<lb/>
Ge&#x017F;präche über Hamlet nochmals zu beden¬<lb/>
ken, und &#x017F;elb&#x017F;t die Mittel zu einer glückli¬<lb/>
chen Bearbeitung zu er&#x017F;innen.</p><lb/>
            <p>Nach einigen Tagen, die er in der Ein¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0048] Nationen, haben Gefühl für ein äſthetiſches Ganze; ſie loben und tadeln nur ſtellen¬ weiſe; ſie entzücken ſich nur ſtellenweiſe: und für wen iſt das ein größeres Glück als für den Schauſpieler, da das Theater doch im¬ mer nur ein geſtoppeltes und geſtückeltes Weſen bleibt. Iſt! verſetzte Wilhelm; aber muß es denn auch ſo bleiben, muß denn alles blei¬ ben was iſt? Überzeugen Sie mich ja nicht, daß Sie recht haben; denn keine Macht in der Welt würde mich bewegen können, einen Contract zu halten, den ich nur im gröbſten Irrthum geſchloſſen hätte. Serlo gab der Sache eine luſtige Wen¬ dung und erſuchte Wilhelmen, ihre öftern Geſpräche über Hamlet nochmals zu beden¬ ken, und ſelbſt die Mittel zu einer glückli¬ chen Bearbeitung zu erſinnen. Nach einigen Tagen, die er in der Ein¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/48
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/48>, abgerufen am 19.04.2024.