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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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Geist von allem Argwohn und aller Ängst¬
lichkeit! Dort kommt der Abbe, seyn Sie
ja freundlich gegen ihn, bis Sie noch mehr
erfahren, wie viel Dank Sie ihm schuldig
sind. Der Schalk! da geht er zwischen Na¬
talien und Theresen, ich wollte wetten, er
denkt sich was aus. So wie er überhaupt
gern ein wenig das Schicksal spielt, so läßt
er auch nicht von der Liebhaberey, manch¬
mal eine Heirath zu stiften.

Wilhelm, dessen leidenschaftliche und ver¬
drießliche Stimmung durch alle die klugen
und guten Worte Jarno's nicht verbessert
worden war, fand höchst undelikat, daß sein
Freund, gerade in diesem Augenblick, eines
solchen Verhältnisses erwähnte, und sagte
zwar lächelnd, doch nicht ohne Bitterkeit:
ich dächte man überließe die Liebhaberey,
Heirathen zu stiften, Personen die sich lieb
haben.


Geiſt von allem Argwohn und aller Ängſt¬
lichkeit! Dort kommt der Abbé, ſeyn Sie
ja freundlich gegen ihn, bis Sie noch mehr
erfahren, wie viel Dank Sie ihm ſchuldig
ſind. Der Schalk! da geht er zwiſchen Na¬
talien und Thereſen, ich wollte wetten, er
denkt ſich was aus. So wie er überhaupt
gern ein wenig das Schickſal ſpielt, ſo läßt
er auch nicht von der Liebhaberey, manch¬
mal eine Heirath zu ſtiften.

Wilhelm, deſſen leidenſchaftliche und ver¬
drießliche Stimmung durch alle die klugen
und guten Worte Jarno’s nicht verbeſſert
worden war, fand höchſt undelikat, daß ſein
Freund, gerade in dieſem Augenblick, eines
ſolchen Verhältniſſes erwähnte, und ſagte
zwar lächelnd, doch nicht ohne Bitterkeit:
ich dächte man überließe die Liebhaberey,
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[360/0364] Geiſt von allem Argwohn und aller Ängſt¬ lichkeit! Dort kommt der Abbé, ſeyn Sie ja freundlich gegen ihn, bis Sie noch mehr erfahren, wie viel Dank Sie ihm ſchuldig ſind. Der Schalk! da geht er zwiſchen Na¬ talien und Thereſen, ich wollte wetten, er denkt ſich was aus. So wie er überhaupt gern ein wenig das Schickſal ſpielt, ſo läßt er auch nicht von der Liebhaberey, manch¬ mal eine Heirath zu ſtiften. Wilhelm, deſſen leidenſchaftliche und ver¬ drießliche Stimmung durch alle die klugen und guten Worte Jarno’s nicht verbeſſert worden war, fand höchſt undelikat, daß ſein Freund, gerade in dieſem Augenblick, eines ſolchen Verhältniſſes erwähnte, und ſagte zwar lächelnd, doch nicht ohne Bitterkeit: ich dächte man überließe die Liebhaberey, Heirathen zu ſtiften, Perſonen die ſich lieb haben.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/364>, abgerufen am 28.04.2024.