Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein Schauspiel.
Sie sprach zu mir, ich habe sie vernommen!
Der Blick, der Ton, der Worte holder Sinn,
Sie sind auf ewig mein, es raubt sie nicht
Die Zeit, das Schicksal, noch das wilde Glück,
Und hob mein Geist sich da zu schnell empor,
Und ließ ich allzu rasch in meinem Busen
Der Flamme Luft, die mich nun selbst ver-
zehrt,
So kann mich's nicht gereun, und wäre selbst
Auf ewig das Geschick des Lebens hin.
Ich widmete mich ihr, und folgte froh
Dem Winke, der mich in's Verderben rief.
Es sey! So hab' ich mich doch werth gezeigt
Des köstlichen Vertrauns, das mich erquickt,
In dieser Stunde selbst erquickt, die mir
Die schwarze Pforte langer Trauerzeit
Gewaltsam öffnet. -- Ja, nun ist's gethan!
Es geht die Sonne mir der schönsten Gunst
Auf einmal unter; seinen holden Blick
Entziehet mir der Fürst, und läßt mich hier
Auf düstrem, schmalen Pfad verloren stehn.
Das häßliche zweydeutige Geflügel,
Ein Schauſpiel.
Sie ſprach zu mir, ich habe ſie vernommen!
Der Blick, der Ton, der Worte holder Sinn,
Sie ſind auf ewig mein, es raubt ſie nicht
Die Zeit, das Schickſal, noch das wilde Glück,
Und hob mein Geiſt ſich da zu ſchnell empor,
Und ließ ich allzu raſch in meinem Buſen
Der Flamme Luft, die mich nun ſelbſt ver-
zehrt,
So kann mich’s nicht gereun, und wäre ſelbſt
Auf ewig das Geſchick des Lebens hin.
Ich widmete mich ihr, und folgte froh
Dem Winke, der mich in’s Verderben rief.
Es ſey! So hab’ ich mich doch werth gezeigt
Des köſtlichen Vertrauns, das mich erquickt,
In dieſer Stunde ſelbſt erquickt, die mir
Die ſchwarze Pforte langer Trauerzeit
Gewaltſam öffnet. — Ja, nun iſt’s gethan!
Es geht die Sonne mir der ſchönſten Gunſt
Auf einmal unter; ſeinen holden Blick
Entziehet mir der Fürſt, und läßt mich hier
Auf düſtrem, ſchmalen Pfad verloren ſtehn.
Das häßliche zweydeutige Geflügel,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#TAS">
              <p><pb facs="#f0151" n="143"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schau&#x017F;piel</hi>.</fw><lb/>
Sie &#x017F;prach zu mir, ich habe &#x017F;ie vernommen!<lb/>
Der Blick, der Ton, der Worte holder Sinn,<lb/>
Sie &#x017F;ind auf ewig mein, es raubt &#x017F;ie nicht<lb/>
Die Zeit, das Schick&#x017F;al, noch das wilde Glück,<lb/>
Und hob mein Gei&#x017F;t &#x017F;ich da zu &#x017F;chnell empor,<lb/>
Und ließ ich allzu ra&#x017F;ch in meinem Bu&#x017F;en<lb/>
Der Flamme Luft, die mich nun &#x017F;elb&#x017F;t ver-<lb/>
zehrt,<lb/>
So kann mich&#x2019;s nicht gereun, und wäre &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
Auf ewig das Ge&#x017F;chick des Lebens hin.<lb/>
Ich widmete mich ihr, und folgte froh<lb/>
Dem Winke, der mich in&#x2019;s Verderben rief.<lb/>
Es &#x017F;ey! So hab&#x2019; ich mich doch werth gezeigt<lb/>
Des kö&#x017F;tlichen Vertrauns, das mich erquickt,<lb/>
In die&#x017F;er Stunde &#x017F;elb&#x017F;t erquickt, die mir<lb/>
Die &#x017F;chwarze Pforte langer Trauerzeit<lb/>
Gewalt&#x017F;am öffnet. &#x2014; Ja, nun i&#x017F;t&#x2019;s gethan!<lb/>
Es geht die Sonne mir der &#x017F;chön&#x017F;ten Gun&#x017F;t<lb/>
Auf einmal unter; &#x017F;einen holden Blick<lb/>
Entziehet mir der Für&#x017F;t, und läßt mich hier<lb/>
Auf dü&#x017F;trem, &#x017F;chmalen Pfad verloren &#x017F;tehn.<lb/>
Das häßliche zweydeutige Geflügel,<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0151] Ein Schauſpiel. Sie ſprach zu mir, ich habe ſie vernommen! Der Blick, der Ton, der Worte holder Sinn, Sie ſind auf ewig mein, es raubt ſie nicht Die Zeit, das Schickſal, noch das wilde Glück, Und hob mein Geiſt ſich da zu ſchnell empor, Und ließ ich allzu raſch in meinem Buſen Der Flamme Luft, die mich nun ſelbſt ver- zehrt, So kann mich’s nicht gereun, und wäre ſelbſt Auf ewig das Geſchick des Lebens hin. Ich widmete mich ihr, und folgte froh Dem Winke, der mich in’s Verderben rief. Es ſey! So hab’ ich mich doch werth gezeigt Des köſtlichen Vertrauns, das mich erquickt, In dieſer Stunde ſelbſt erquickt, die mir Die ſchwarze Pforte langer Trauerzeit Gewaltſam öffnet. — Ja, nun iſt’s gethan! Es geht die Sonne mir der ſchönſten Gunſt Auf einmal unter; ſeinen holden Blick Entziehet mir der Fürſt, und läßt mich hier Auf düſtrem, ſchmalen Pfad verloren ſtehn. Das häßliche zweydeutige Geflügel,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/151
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/151>, abgerufen am 23.04.2024.