Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein Schauspiel.
Sich auch zuletzt die Ungeduld in mir.
Er kann nicht enden, kann nicht fertig werden,
Er ändert stets, ruckt langsam weiter vor,
Steht wieder still, er hintergeht die Hoffnung;
Unwillig sieht man den Genuß entfernt
In späte Zeit, den man so nah' geglaubt.
Prinzessinn.
Ich lobe die Bescheidenheit, die Sorge,
Womit er Schritt vor Schritt zum Ziele geht.
Nur durch die Gunst der Musen schließen sich
So viele Reime fest in eins zusammen;
Und seine Seele hegt nur diesen Trieb
Es soll sich sein Gedicht zum Ganzen ründen.
Er will nicht Mährchen über Mährchen häu-
fen,
Die reitzend unterhalten und zuletzt
Wie lose Worte nur verklingend täuschen.
Laß ihn, mein Bruder! denn es ist die Zeit
Von einem guten Werke nicht das Maß;
Und wenn die Nachwelt mit genießen soll,
So muß des Künstlers Mitwelt sich vergessen.
B 2
Ein Schauſpiel.
Sich auch zuletzt die Ungeduld in mir.
Er kann nicht enden, kann nicht fertig werden,
Er ändert ſtets, ruckt langſam weiter vor,
Steht wieder ſtill, er hintergeht die Hoffnung;
Unwillig ſieht man den Genuß entfernt
In ſpäte Zeit, den man ſo nah’ geglaubt.
Prinzeſſinn.
Ich lobe die Beſcheidenheit, die Sorge,
Womit er Schritt vor Schritt zum Ziele geht.
Nur durch die Gunſt der Muſen ſchließen ſich
So viele Reime feſt in eins zuſammen;
Und ſeine Seele hegt nur dieſen Trieb
Es ſoll ſich ſein Gedicht zum Ganzen ründen.
Er will nicht Mährchen über Mährchen häu-
fen,
Die reitzend unterhalten und zuletzt
Wie loſe Worte nur verklingend täuſchen.
Laß ihn, mein Bruder! denn es iſt die Zeit
Von einem guten Werke nicht das Maß;
Und wenn die Nachwelt mit genießen ſoll,
So muß des Künſtlers Mitwelt ſich vergeſſen.
B 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#ALP">
              <p><pb facs="#f0027" n="19"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ein Schau&#x017F;piel</hi>.</fw><lb/>
Sich auch zuletzt die Ungeduld in mir.<lb/>
Er kann nicht enden, kann nicht fertig werden,<lb/>
Er ändert &#x017F;tets, ruckt lang&#x017F;am weiter vor,<lb/>
Steht wieder &#x017F;till, er hintergeht die Hoffnung;<lb/>
Unwillig &#x017F;ieht man den Genuß entfernt<lb/>
In &#x017F;päte Zeit, den man &#x017F;o nah&#x2019; geglaubt.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#PRI">
              <speaker><hi rendition="#g">Prinze&#x017F;&#x017F;inn</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Ich lobe die Be&#x017F;cheidenheit, die Sorge,<lb/>
Womit er Schritt vor Schritt zum Ziele geht.<lb/>
Nur durch die Gun&#x017F;t der Mu&#x017F;en &#x017F;chließen &#x017F;ich<lb/>
So viele Reime fe&#x017F;t in eins zu&#x017F;ammen;<lb/>
Und &#x017F;eine Seele hegt nur die&#x017F;en Trieb<lb/>
Es &#x017F;oll &#x017F;ich &#x017F;ein Gedicht zum Ganzen ründen.<lb/>
Er will nicht Mährchen über Mährchen häu-<lb/>
fen,<lb/>
Die reitzend unterhalten und zuletzt<lb/>
Wie lo&#x017F;e Worte nur verklingend täu&#x017F;chen.<lb/>
Laß ihn, mein Bruder! denn es i&#x017F;t die Zeit<lb/>
Von einem guten Werke nicht das Maß;<lb/>
Und wenn die Nachwelt mit genießen &#x017F;oll,<lb/>
So muß des Kün&#x017F;tlers Mitwelt &#x017F;ich verge&#x017F;&#x017F;en.</p>
            </sp><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">B 2</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0027] Ein Schauſpiel. Sich auch zuletzt die Ungeduld in mir. Er kann nicht enden, kann nicht fertig werden, Er ändert ſtets, ruckt langſam weiter vor, Steht wieder ſtill, er hintergeht die Hoffnung; Unwillig ſieht man den Genuß entfernt In ſpäte Zeit, den man ſo nah’ geglaubt. Prinzeſſinn. Ich lobe die Beſcheidenheit, die Sorge, Womit er Schritt vor Schritt zum Ziele geht. Nur durch die Gunſt der Muſen ſchließen ſich So viele Reime feſt in eins zuſammen; Und ſeine Seele hegt nur dieſen Trieb Es ſoll ſich ſein Gedicht zum Ganzen ründen. Er will nicht Mährchen über Mährchen häu- fen, Die reitzend unterhalten und zuletzt Wie loſe Worte nur verklingend täuſchen. Laß ihn, mein Bruder! denn es iſt die Zeit Von einem guten Werke nicht das Maß; Und wenn die Nachwelt mit genießen ſoll, So muß des Künſtlers Mitwelt ſich vergeſſen. B 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/27
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Torquato Tasso. Leipzig, 1790, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_torquato_1790/27>, abgerufen am 29.03.2024.