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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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zimmer betreten, so fällt sie, ohne den Sopha
erreichen zu können, erschöpft aufs Angesicht
über den Teppich hin.

Eben hört man Charlotten vorfahren. Der
Chirurg bittet die Umstehenden dringend zu¬
rück zu bleiben, er will ihr entgegen, sie vor¬
bereiten; aber schon betritt sie ihr Zimmer.
Sie findet Ottilien an der Erde, und ein
Mädchen des Hauses stürzt ihr mit Geschrey
und Weinen entgegen. Der Chirurg tritt
herein und sie erfährt alles auf einmal. Wie
sollte sie aber jede Hoffnung mit einmal auf¬
geben! Der erfahrne, kunstreiche, kluge Mann
bittet sie nur das Kind nicht zu sehen; er
entfernt sich, sie mit neuen Anstalten zu täu¬
schen. Sie hat sich auf ihren Sopha gesetzt,
Ottilie liegt noch an der Erde, aber an der
Freundinn Kniee herangehoben, über die ihr
schönes Haupt hingesenkt ist. Der ärztliche
Freund geht ab und zu; er scheint sich um
das Kind zu bemühen, er bemüht sich um die

zimmer betreten, ſo faͤllt ſie, ohne den Sopha
erreichen zu koͤnnen, erſchoͤpft aufs Angeſicht
uͤber den Teppich hin.

Eben hoͤrt man Charlotten vorfahren. Der
Chirurg bittet die Umſtehenden dringend zu¬
ruͤck zu bleiben, er will ihr entgegen, ſie vor¬
bereiten; aber ſchon betritt ſie ihr Zimmer.
Sie findet Ottilien an der Erde, und ein
Maͤdchen des Hauſes ſtuͤrzt ihr mit Geſchrey
und Weinen entgegen. Der Chirurg tritt
herein und ſie erfaͤhrt alles auf einmal. Wie
ſollte ſie aber jede Hoffnung mit einmal auf¬
geben! Der erfahrne, kunſtreiche, kluge Mann
bittet ſie nur das Kind nicht zu ſehen; er
entfernt ſich, ſie mit neuen Anſtalten zu taͤu¬
ſchen. Sie hat ſich auf ihren Sopha geſetzt,
Ottilie liegt noch an der Erde, aber an der
Freundinn Kniee herangehoben, uͤber die ihr
ſchoͤnes Haupt hingeſenkt iſt. Der aͤrztliche
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[258/0261] zimmer betreten, ſo faͤllt ſie, ohne den Sopha erreichen zu koͤnnen, erſchoͤpft aufs Angeſicht uͤber den Teppich hin. Eben hoͤrt man Charlotten vorfahren. Der Chirurg bittet die Umſtehenden dringend zu¬ ruͤck zu bleiben, er will ihr entgegen, ſie vor¬ bereiten; aber ſchon betritt ſie ihr Zimmer. Sie findet Ottilien an der Erde, und ein Maͤdchen des Hauſes ſtuͤrzt ihr mit Geſchrey und Weinen entgegen. Der Chirurg tritt herein und ſie erfaͤhrt alles auf einmal. Wie ſollte ſie aber jede Hoffnung mit einmal auf¬ geben! Der erfahrne, kunſtreiche, kluge Mann bittet ſie nur das Kind nicht zu ſehen; er entfernt ſich, ſie mit neuen Anſtalten zu taͤu¬ ſchen. Sie hat ſich auf ihren Sopha geſetzt, Ottilie liegt noch an der Erde, aber an der Freundinn Kniee herangehoben, uͤber die ihr ſchoͤnes Haupt hingeſenkt iſt. Der aͤrztliche Freund geht ab und zu; er ſcheint ſich um das Kind zu bemuͤhen, er bemuͤht ſich um die

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/261>, abgerufen am 28.03.2024.