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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809.

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angenehme Weise, daß man zu zweyen ist
und doch nicht auseinander kann."

"Man unterhält sich manchmal mit einem
gegenwärtigen Menschen als mit einem Bilde.
Er braucht nicht zu sprechen, uns nicht an¬
zusehen, sich nicht mit uns zu beschäftigen:
wir sehen ihn, wir fühlen unser Verhältniß
zu ihm, ja sogar unsere Verhältnisse zu ihm
können wachsen, ohne daß er etwas dazu
thut, ohne daß er etwas davon empfindet,
daß er sich eben blos zu uns wie ein Bild
verhält."

"Man ist niemals mit einem Porträt zu¬
frieden von Personen die man kennt. Des¬
wegen habe ich die Porträtmaler immer be¬
dauert. Man verlangt so selten von den Leu¬
ten das Unmögliche, und gerade von diesen
fordert man's. Sie sollen einem Jeden sein
Verhältniß zu den Personen, seine Neigung
und Abneigung mit in ihr Bild aufnehmen;

angenehme Weiſe, daß man zu zweyen iſt
und doch nicht auseinander kann.“

„Man unterhaͤlt ſich manchmal mit einem
gegenwaͤrtigen Menſchen als mit einem Bilde.
Er braucht nicht zu ſprechen, uns nicht an¬
zuſehen, ſich nicht mit uns zu beſchaͤftigen:
wir ſehen ihn, wir fuͤhlen unſer Verhaͤltniß
zu ihm, ja ſogar unſere Verhaͤltniſſe zu ihm
koͤnnen wachſen, ohne daß er etwas dazu
thut, ohne daß er etwas davon empfindet,
daß er ſich eben blos zu uns wie ein Bild
verhaͤlt.“

„Man iſt niemals mit einem Portraͤt zu¬
frieden von Perſonen die man kennt. Des¬
wegen habe ich die Portraͤtmaler immer be¬
dauert. Man verlangt ſo ſelten von den Leu¬
ten das Unmoͤgliche, und gerade von dieſen
fordert man's. Sie ſollen einem Jeden ſein
Verhaͤltniß zu den Perſonen, ſeine Neigung
und Abneigung mit in ihr Bild aufnehmen;

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[28/0031] angenehme Weiſe, daß man zu zweyen iſt und doch nicht auseinander kann.“ „Man unterhaͤlt ſich manchmal mit einem gegenwaͤrtigen Menſchen als mit einem Bilde. Er braucht nicht zu ſprechen, uns nicht an¬ zuſehen, ſich nicht mit uns zu beſchaͤftigen: wir ſehen ihn, wir fuͤhlen unſer Verhaͤltniß zu ihm, ja ſogar unſere Verhaͤltniſſe zu ihm koͤnnen wachſen, ohne daß er etwas dazu thut, ohne daß er etwas davon empfindet, daß er ſich eben blos zu uns wie ein Bild verhaͤlt.“ „Man iſt niemals mit einem Portraͤt zu¬ frieden von Perſonen die man kennt. Des¬ wegen habe ich die Portraͤtmaler immer be¬ dauert. Man verlangt ſo ſelten von den Leu¬ ten das Unmoͤgliche, und gerade von dieſen fordert man's. Sie ſollen einem Jeden ſein Verhaͤltniß zu den Perſonen, ſeine Neigung und Abneigung mit in ihr Bild aufnehmen;

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 2. Tübingen, 1809, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw02_1809/31>, abgerufen am 25.04.2024.