Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite



drauf und es wurde schon arrangirt, daß ihrem Tän-
zer inzwischen die Unterhaltung meiner Tänzerinn
aufgetragen ward.

Nun giengs, und wir ergözten uns eine
Weile an mannchfaltigen Schlingungen der Arme.
Mit welchem Reize, mit welcher Flüchtigkeit beweg-
te sie sich! Und da wir nun gar an's Walzen
kamen, und wie die Sphären um einander herum-
rollten, giengs freylich anfangs, weil's die wenigsten
können, ein bisgen bunt durch einander. Wir wa-
ren klug und liessen sie austoben, und wie die un-
geschiktesten den Plan geräumt hatten, fielen wir
ein, und hielten mit noch einem Paare, mit Audran
und seiner Tänzerinn, wakker aus. Nie ist mir's
so leicht vom Flekke gegangen. Jch war kein Mensch
mehr. Das liebenswürdigste Geschöpf in den Ar-
men zu haben, und mit ihr herum zu fliegen wie
Wetter, daß alles rings umher vergieng und --
Wilhelm, um ehrlich zu seyn, that ich aber doch
den Schwur, daß ein Mädchen, das ich liebte, auf
das ich Ansprüche hätte, mir nie mit einem andern
walzen sollte, als mit mir, und wenn ich drüber
zu Grunde gehen müßte, du verstehst mich.

Wir



drauf und es wurde ſchon arrangirt, daß ihrem Taͤn-
zer inzwiſchen die Unterhaltung meiner Taͤnzerinn
aufgetragen ward.

Nun giengs, und wir ergoͤzten uns eine
Weile an mannchfaltigen Schlingungen der Arme.
Mit welchem Reize, mit welcher Fluͤchtigkeit beweg-
te ſie ſich! Und da wir nun gar an’s Walzen
kamen, und wie die Sphaͤren um einander herum-
rollten, giengs freylich anfangs, weil’s die wenigſten
koͤnnen, ein bisgen bunt durch einander. Wir wa-
ren klug und lieſſen ſie austoben, und wie die un-
geſchikteſten den Plan geraͤumt hatten, fielen wir
ein, und hielten mit noch einem Paare, mit Audran
und ſeiner Taͤnzerinn, wakker aus. Nie iſt mir’s
ſo leicht vom Flekke gegangen. Jch war kein Menſch
mehr. Das liebenswuͤrdigſte Geſchoͤpf in den Ar-
men zu haben, und mit ihr herum zu fliegen wie
Wetter, daß alles rings umher vergieng und —
Wilhelm, um ehrlich zu ſeyn, that ich aber doch
den Schwur, daß ein Maͤdchen, das ich liebte, auf
das ich Anſpruͤche haͤtte, mir nie mit einem andern
walzen ſollte, als mit mir, und wenn ich druͤber
zu Grunde gehen muͤßte, du verſtehſt mich.

Wir
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="diaryEntry">
        <p><pb facs="#f0038" n="38"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
drauf und es wurde &#x017F;chon arrangirt, daß ihrem Ta&#x0364;n-<lb/>
zer inzwi&#x017F;chen die Unterhaltung meiner Ta&#x0364;nzerinn<lb/>
aufgetragen ward.</p><lb/>
        <p>Nun giengs, und wir ergo&#x0364;zten uns eine<lb/>
Weile an mannchfaltigen Schlingungen der Arme.<lb/>
Mit welchem Reize, mit welcher Flu&#x0364;chtigkeit beweg-<lb/>
te &#x017F;ie &#x017F;ich! Und da wir nun gar an&#x2019;s Walzen<lb/>
kamen, und wie die Spha&#x0364;ren um einander herum-<lb/>
rollten, giengs freylich anfangs, weil&#x2019;s die wenig&#x017F;ten<lb/>
ko&#x0364;nnen, ein bisgen bunt durch einander. Wir wa-<lb/>
ren klug und lie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie austoben, und wie die un-<lb/>
ge&#x017F;chikte&#x017F;ten den Plan gera&#x0364;umt hatten, fielen wir<lb/>
ein, und hielten mit noch einem Paare, mit Audran<lb/>
und &#x017F;einer Ta&#x0364;nzerinn, wakker aus. Nie i&#x017F;t mir&#x2019;s<lb/>
&#x017F;o leicht vom Flekke gegangen. Jch war kein Men&#x017F;ch<lb/>
mehr. Das liebenswu&#x0364;rdig&#x017F;te Ge&#x017F;cho&#x0364;pf in den Ar-<lb/>
men zu haben, und mit ihr herum zu fliegen wie<lb/>
Wetter, daß alles rings umher vergieng und &#x2014;<lb/>
Wilhelm, um ehrlich zu &#x017F;eyn, that ich aber doch<lb/>
den Schwur, daß ein Ma&#x0364;dchen, das ich liebte, auf<lb/>
das ich An&#x017F;pru&#x0364;che ha&#x0364;tte, mir nie mit einem andern<lb/>
walzen &#x017F;ollte, als mit mir, und wenn ich dru&#x0364;ber<lb/>
zu Grunde gehen mu&#x0364;ßte, du ver&#x017F;teh&#x017F;t mich.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Wir</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0038] drauf und es wurde ſchon arrangirt, daß ihrem Taͤn- zer inzwiſchen die Unterhaltung meiner Taͤnzerinn aufgetragen ward. Nun giengs, und wir ergoͤzten uns eine Weile an mannchfaltigen Schlingungen der Arme. Mit welchem Reize, mit welcher Fluͤchtigkeit beweg- te ſie ſich! Und da wir nun gar an’s Walzen kamen, und wie die Sphaͤren um einander herum- rollten, giengs freylich anfangs, weil’s die wenigſten koͤnnen, ein bisgen bunt durch einander. Wir wa- ren klug und lieſſen ſie austoben, und wie die un- geſchikteſten den Plan geraͤumt hatten, fielen wir ein, und hielten mit noch einem Paare, mit Audran und ſeiner Taͤnzerinn, wakker aus. Nie iſt mir’s ſo leicht vom Flekke gegangen. Jch war kein Menſch mehr. Das liebenswuͤrdigſte Geſchoͤpf in den Ar- men zu haben, und mit ihr herum zu fliegen wie Wetter, daß alles rings umher vergieng und — Wilhelm, um ehrlich zu ſeyn, that ich aber doch den Schwur, daß ein Maͤdchen, das ich liebte, auf das ich Anſpruͤche haͤtte, mir nie mit einem andern walzen ſollte, als mit mir, und wenn ich druͤber zu Grunde gehen muͤßte, du verſtehſt mich. Wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/38
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 1. Leipzig, 1774, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther01_1774/38>, abgerufen am 18.04.2024.