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Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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all in Ordnung. Lebt wohl! Wir sehen uns
wieder und freudiger.



Jch habe dir übel gelohnt, Albert, und du vergiebst
mir. Jch habe den Frieden deines Hauses
gestört, ich habe Mißtrauen zwischen euch gebracht.
Leb wohl, ich will's enden. O daß ihr glüklich
wäret durch meinen Tod! Albert! Albert! ma-
che den Engel glüklich. Und so wohne Gottes
Seegen über dir!



Er kramte den Abend noch viel in seinen
Papieren, zerriß vieles und warf's in Ofen, ver-
siegelte einige Päkke mit den Addressen an Wil-
helmen. Sie enthielten kleine Aufsäzze, abgerissene
Gedanken, deren ich verschiedene gesehen habe; und
nachdem er um zehn Uhr im Ofen nachlegen, und
sich einen Schoppen Wein geben lassen, schikte er
den Bedienten, dessen Kammer wie auch die Schlaf-
zimmer der Hausleute weit hinten hinaus waren,
zu Bette, der sich denn in seinen Kleidern nieder-
legte um früh bey der Hand zu seyn, denn sein
Herr hatte gesagt, die Postpferde würden vor sechse
vor's Haus kommen.

nach



all in Ordnung. Lebt wohl! Wir ſehen uns
wieder und freudiger.



Jch habe dir uͤbel gelohnt, Albert, und du vergiebſt
mir. Jch habe den Frieden deines Hauſes
geſtoͤrt, ich habe Mißtrauen zwiſchen euch gebracht.
Leb wohl, ich will’s enden. O daß ihr gluͤklich
waͤret durch meinen Tod! Albert! Albert! ma-
che den Engel gluͤklich. Und ſo wohne Gottes
Seegen uͤber dir!



Er kramte den Abend noch viel in ſeinen
Papieren, zerriß vieles und warf’s in Ofen, ver-
ſiegelte einige Paͤkke mit den Addreſſen an Wil-
helmen. Sie enthielten kleine Aufſaͤzze, abgeriſſene
Gedanken, deren ich verſchiedene geſehen habe; und
nachdem er um zehn Uhr im Ofen nachlegen, und
ſich einen Schoppen Wein geben laſſen, ſchikte er
den Bedienten, deſſen Kammer wie auch die Schlaf-
zimmer der Hausleute weit hinten hinaus waren,
zu Bette, der ſich denn in ſeinen Kleidern nieder-
legte um fruͤh bey der Hand zu ſeyn, denn ſein
Herr hatte geſagt, die Poſtpferde wuͤrden vor ſechſe
vor’s Haus kommen.

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[218/0106] all in Ordnung. Lebt wohl! Wir ſehen uns wieder und freudiger. Jch habe dir uͤbel gelohnt, Albert, und du vergiebſt mir. Jch habe den Frieden deines Hauſes geſtoͤrt, ich habe Mißtrauen zwiſchen euch gebracht. Leb wohl, ich will’s enden. O daß ihr gluͤklich waͤret durch meinen Tod! Albert! Albert! ma- che den Engel gluͤklich. Und ſo wohne Gottes Seegen uͤber dir! Er kramte den Abend noch viel in ſeinen Papieren, zerriß vieles und warf’s in Ofen, ver- ſiegelte einige Paͤkke mit den Addreſſen an Wil- helmen. Sie enthielten kleine Aufſaͤzze, abgeriſſene Gedanken, deren ich verſchiedene geſehen habe; und nachdem er um zehn Uhr im Ofen nachlegen, und ſich einen Schoppen Wein geben laſſen, ſchikte er den Bedienten, deſſen Kammer wie auch die Schlaf- zimmer der Hausleute weit hinten hinaus waren, zu Bette, der ſich denn in ſeinen Kleidern nieder- legte um fruͤh bey der Hand zu ſeyn, denn ſein Herr hatte geſagt, die Poſtpferde wuͤrden vor ſechſe vor’s Haus kommen. nach

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Leiden des jungen Werthers. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_werther02_1774/106>, abgerufen am 28.03.2024.