Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

und studirte im Schweiße seines Angesichts an der Lösung der Frage: was um sein Glück in der Welt zu machen zweckdienlicher sei, den Ersten, welcher ihm begegne, zu spießen, oder demüthig ihn um Dienst zu bitten. Anfänger sind oft pedantisch und handeln gern nach vorgefaßten Grundsätzen, also entweder oder: entweder spießen oder entweder bitten. Erfahrene ziehen Umstände und Gelegenheit zu Rathe. Das Auftreten in der großen Welt hat immer seine Schwierigkeiten, wie keck sich Einer auch geberden mag in gewohnter engerer Umgebung. Gegenwärtig weiß man jungen Leuten die Sache ungemein zu erleichtern, man schickt sie ein Jahr ins Welschland, oder thut sie ein halbes Jahr in eine Schreibstube, muntert sie zu einem Schnauz auf und giebt ihnen einen Hakenstock in die Hand, Stiefel an die Füße, dann kommt die Keckheit von selbst und im Ueberfluß, wie Schilf im Sumpfe. Das Land von Koppigen bis Seeberg war ihm so bekannt wie das Koppiger Schlößchen. Wenn er es früher durchstreifte, erwartete er nichts Besonderes als einen fetten Rehbock oder gar einen Hirsch, aber jetzt, hoch zu Roß, abenteuerlich aufgeputzt, erwartete er auch absonderliche Abenteuer, etwas ganz Neues. Mit der größten Spannung rückte er Schritt vor Schritt vor, in weiter Ferne glaubte er die seltsamsten Töne zu hören, Töne, wie sie noch kein Mensch gehört, in der Nähe aber war Alles accurat wie sonst, Wald und Wild und Wasser und sonst nichts.

und studirte im Schweiße seines Angesichts an der Lösung der Frage: was um sein Glück in der Welt zu machen zweckdienlicher sei, den Ersten, welcher ihm begegne, zu spießen, oder demüthig ihn um Dienst zu bitten. Anfänger sind oft pedantisch und handeln gern nach vorgefaßten Grundsätzen, also entweder oder: entweder spießen oder entweder bitten. Erfahrene ziehen Umstände und Gelegenheit zu Rathe. Das Auftreten in der großen Welt hat immer seine Schwierigkeiten, wie keck sich Einer auch geberden mag in gewohnter engerer Umgebung. Gegenwärtig weiß man jungen Leuten die Sache ungemein zu erleichtern, man schickt sie ein Jahr ins Welschland, oder thut sie ein halbes Jahr in eine Schreibstube, muntert sie zu einem Schnauz auf und giebt ihnen einen Hakenstock in die Hand, Stiefel an die Füße, dann kommt die Keckheit von selbst und im Ueberfluß, wie Schilf im Sumpfe. Das Land von Koppigen bis Seeberg war ihm so bekannt wie das Koppiger Schlößchen. Wenn er es früher durchstreifte, erwartete er nichts Besonderes als einen fetten Rehbock oder gar einen Hirsch, aber jetzt, hoch zu Roß, abenteuerlich aufgeputzt, erwartete er auch absonderliche Abenteuer, etwas ganz Neues. Mit der größten Spannung rückte er Schritt vor Schritt vor, in weiter Ferne glaubte er die seltsamsten Töne zu hören, Töne, wie sie noch kein Mensch gehört, in der Nähe aber war Alles accurat wie sonst, Wald und Wild und Wasser und sonst nichts.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="0">
        <p><pb facs="#f0037"/>
und studirte im Schweiße seines Angesichts an der Lösung der Frage:                     was um sein Glück in der Welt zu machen zweckdienlicher sei, den Ersten, welcher                     ihm begegne, zu spießen, oder demüthig ihn um Dienst zu bitten. Anfänger sind                     oft pedantisch und handeln gern nach vorgefaßten Grundsätzen, also entweder                     oder: entweder spießen oder entweder bitten. Erfahrene ziehen Umstände und                     Gelegenheit zu Rathe. Das Auftreten in der großen Welt hat immer seine                     Schwierigkeiten, wie keck sich Einer auch geberden mag in gewohnter engerer                     Umgebung. Gegenwärtig weiß man jungen Leuten die Sache ungemein zu erleichtern,                     man schickt sie ein Jahr ins Welschland, oder thut sie ein halbes Jahr in eine                     Schreibstube, muntert sie zu einem Schnauz auf und giebt ihnen einen Hakenstock                     in die Hand, Stiefel an die Füße, dann kommt die Keckheit von selbst und im                     Ueberfluß, wie Schilf im Sumpfe. Das Land von Koppigen bis Seeberg war ihm so                     bekannt wie das Koppiger Schlößchen. Wenn er es früher durchstreifte, erwartete                     er nichts Besonderes als einen fetten Rehbock oder gar einen Hirsch, aber jetzt,                     hoch zu Roß, abenteuerlich aufgeputzt, erwartete er auch absonderliche                     Abenteuer, etwas ganz Neues. Mit der größten Spannung rückte er Schritt vor                     Schritt vor, in weiter Ferne glaubte er die seltsamsten Töne zu hören, Töne, wie                     sie noch kein Mensch gehört, in der Nähe aber war Alles accurat wie sonst, Wald                     und Wild und Wasser und sonst nichts.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0037] und studirte im Schweiße seines Angesichts an der Lösung der Frage: was um sein Glück in der Welt zu machen zweckdienlicher sei, den Ersten, welcher ihm begegne, zu spießen, oder demüthig ihn um Dienst zu bitten. Anfänger sind oft pedantisch und handeln gern nach vorgefaßten Grundsätzen, also entweder oder: entweder spießen oder entweder bitten. Erfahrene ziehen Umstände und Gelegenheit zu Rathe. Das Auftreten in der großen Welt hat immer seine Schwierigkeiten, wie keck sich Einer auch geberden mag in gewohnter engerer Umgebung. Gegenwärtig weiß man jungen Leuten die Sache ungemein zu erleichtern, man schickt sie ein Jahr ins Welschland, oder thut sie ein halbes Jahr in eine Schreibstube, muntert sie zu einem Schnauz auf und giebt ihnen einen Hakenstock in die Hand, Stiefel an die Füße, dann kommt die Keckheit von selbst und im Ueberfluß, wie Schilf im Sumpfe. Das Land von Koppigen bis Seeberg war ihm so bekannt wie das Koppiger Schlößchen. Wenn er es früher durchstreifte, erwartete er nichts Besonderes als einen fetten Rehbock oder gar einen Hirsch, aber jetzt, hoch zu Roß, abenteuerlich aufgeputzt, erwartete er auch absonderliche Abenteuer, etwas ganz Neues. Mit der größten Spannung rückte er Schritt vor Schritt vor, in weiter Ferne glaubte er die seltsamsten Töne zu hören, Töne, wie sie noch kein Mensch gehört, in der Nähe aber war Alles accurat wie sonst, Wald und Wild und Wasser und sonst nichts.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:57:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:57:28Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/37
Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Kurt von Koppigen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–194. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_koppingen_1910/37>, abgerufen am 24.04.2024.