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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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macht Ansprüche. Mein Fritz, der Spitzbube, sagt, der Notar habe gesagt, er wolle entweder gar nicht heirathen oder reich; er glaube, dem Vaterland, welches feste, grundsätzliche, unabhängige Männer nöthig hätte, auf diese Weise am Besten zu dienen. Daneben frage er dem Gelde gar nichts nach, es sei ihm nur Mittel zum Zweck. Er sei gar fest mit den Grundsätzen, der Notar, sagt mein Mann, und werde es weit bringen, wenn man einmal mit Grundsätzen was machen könne. So speis'te Julie die arme Luise ab und konnte ihr nicht einmal nähere Auskunft geben, was er treibe, der Notar. Es ging nicht lang, so kriegte Fritz, der Spitzbube, eine sehr schöne Stelle, wurde aus einem Subject Präsident, oder noch mehr, und mußte über Hals und Kopf mit seiner Frau von dannen ziehen. Nun war die Brücke zwischen Luise und dem Notar vollständig abgebrochen, Luise trostlos. Den Notar im Herzen ward sie nicht los. Derselbe ward ungestümer und plagte sie alle Tage wilder, wollte hinaus, wollte Leben, Seele, wollte Luisen Alles in Allem sein! Die arme Luise, wie sie sich auch Mühe gab, kam nie zum Glück, mit dem Notar zusammenzutreffen, sie sah ihn höchstens zuweilen von ferne und von hinten. Wie sehr sie dieß für einen Augenblick auch glücklich machte, hintendrein ward sie nur unglücklicher, das Bild in ihrem Herzen ungestümer. Sie hatte keine Freundin, welcher sie sich mittheilen konnte; der Frau Spendvögtin mußte sie sogar ihre Seufzer verbergen. Diese war ohnehin sehr unzufrieden wegen Luisens Vergeßlichkeit, klagte, es sei gar nichts mit ihr anzufangen, und drang mit Ernst darauf, daß Luise, wenn nicht zu Ader, so doch schröpfen lasse. Die Spitalvögtin mißrieth dieß sehr. Sie sagte, ein Fall, wie der, daß man Personen von diesem Aussehen geschröpft, sei ihr nicht vorgekommen, das könnte sie ja tödten. Sie habe augenscheinlich zu wenig Blut und nicht zu viel, sie wäre sonst nicht so blaß; sie wette, Luise habe die Auszehrung, oder gar die galoppirende Bleichsucht. Da wäre nichts besser als ab Bocksbart zu trinken. Möchte

macht Ansprüche. Mein Fritz, der Spitzbube, sagt, der Notar habe gesagt, er wolle entweder gar nicht heirathen oder reich; er glaube, dem Vaterland, welches feste, grundsätzliche, unabhängige Männer nöthig hätte, auf diese Weise am Besten zu dienen. Daneben frage er dem Gelde gar nichts nach, es sei ihm nur Mittel zum Zweck. Er sei gar fest mit den Grundsätzen, der Notar, sagt mein Mann, und werde es weit bringen, wenn man einmal mit Grundsätzen was machen könne. So speis'te Julie die arme Luise ab und konnte ihr nicht einmal nähere Auskunft geben, was er treibe, der Notar. Es ging nicht lang, so kriegte Fritz, der Spitzbube, eine sehr schöne Stelle, wurde aus einem Subject Präsident, oder noch mehr, und mußte über Hals und Kopf mit seiner Frau von dannen ziehen. Nun war die Brücke zwischen Luise und dem Notar vollständig abgebrochen, Luise trostlos. Den Notar im Herzen ward sie nicht los. Derselbe ward ungestümer und plagte sie alle Tage wilder, wollte hinaus, wollte Leben, Seele, wollte Luisen Alles in Allem sein! Die arme Luise, wie sie sich auch Mühe gab, kam nie zum Glück, mit dem Notar zusammenzutreffen, sie sah ihn höchstens zuweilen von ferne und von hinten. Wie sehr sie dieß für einen Augenblick auch glücklich machte, hintendrein ward sie nur unglücklicher, das Bild in ihrem Herzen ungestümer. Sie hatte keine Freundin, welcher sie sich mittheilen konnte; der Frau Spendvögtin mußte sie sogar ihre Seufzer verbergen. Diese war ohnehin sehr unzufrieden wegen Luisens Vergeßlichkeit, klagte, es sei gar nichts mit ihr anzufangen, und drang mit Ernst darauf, daß Luise, wenn nicht zu Ader, so doch schröpfen lasse. Die Spitalvögtin mißrieth dieß sehr. Sie sagte, ein Fall, wie der, daß man Personen von diesem Aussehen geschröpft, sei ihr nicht vorgekommen, das könnte sie ja tödten. Sie habe augenscheinlich zu wenig Blut und nicht zu viel, sie wäre sonst nicht so blaß; sie wette, Luise habe die Auszehrung, oder gar die galoppirende Bleichsucht. Da wäre nichts besser als ab Bocksbart zu trinken. Möchte

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[0029] macht Ansprüche. Mein Fritz, der Spitzbube, sagt, der Notar habe gesagt, er wolle entweder gar nicht heirathen oder reich; er glaube, dem Vaterland, welches feste, grundsätzliche, unabhängige Männer nöthig hätte, auf diese Weise am Besten zu dienen. Daneben frage er dem Gelde gar nichts nach, es sei ihm nur Mittel zum Zweck. Er sei gar fest mit den Grundsätzen, der Notar, sagt mein Mann, und werde es weit bringen, wenn man einmal mit Grundsätzen was machen könne. So speis'te Julie die arme Luise ab und konnte ihr nicht einmal nähere Auskunft geben, was er treibe, der Notar. Es ging nicht lang, so kriegte Fritz, der Spitzbube, eine sehr schöne Stelle, wurde aus einem Subject Präsident, oder noch mehr, und mußte über Hals und Kopf mit seiner Frau von dannen ziehen. Nun war die Brücke zwischen Luise und dem Notar vollständig abgebrochen, Luise trostlos. Den Notar im Herzen ward sie nicht los. Derselbe ward ungestümer und plagte sie alle Tage wilder, wollte hinaus, wollte Leben, Seele, wollte Luisen Alles in Allem sein! Die arme Luise, wie sie sich auch Mühe gab, kam nie zum Glück, mit dem Notar zusammenzutreffen, sie sah ihn höchstens zuweilen von ferne und von hinten. Wie sehr sie dieß für einen Augenblick auch glücklich machte, hintendrein ward sie nur unglücklicher, das Bild in ihrem Herzen ungestümer. Sie hatte keine Freundin, welcher sie sich mittheilen konnte; der Frau Spendvögtin mußte sie sogar ihre Seufzer verbergen. Diese war ohnehin sehr unzufrieden wegen Luisens Vergeßlichkeit, klagte, es sei gar nichts mit ihr anzufangen, und drang mit Ernst darauf, daß Luise, wenn nicht zu Ader, so doch schröpfen lasse. Die Spitalvögtin mißrieth dieß sehr. Sie sagte, ein Fall, wie der, daß man Personen von diesem Aussehen geschröpft, sei ihr nicht vorgekommen, das könnte sie ja tödten. Sie habe augenscheinlich zu wenig Blut und nicht zu viel, sie wäre sonst nicht so blaß; sie wette, Luise habe die Auszehrung, oder gar die galoppirende Bleichsucht. Da wäre nichts besser als ab Bocksbart zu trinken. Möchte

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:45:11Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:45:11Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_notar_1910/29>, abgerufen am 29.03.2024.