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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Tags an den Arm genommen, und der Pfarrer hätte ihn copuliren müssen. Je größer das Glück, desto größer sei die Angst, es zu verlieren, sagte er; das sei verzeihlich, sagte er. Ja, ja, sagte Frau Spendvögtin, sie begreife es, ihr Spendvogt selig sei jedoch nie so ungeduldig gewesen, es seien aber damals auch noch nicht so schlechte Leute gewesen, wie jetzt. Herr Stößli drängte, alsbald das Aufgebot zu bestellen, und dreimal brauche es nicht zu geschehen; er habe Bekanntschaften, welche sich eine Freude daraus machen würden, ihm für ein oder gar zwei Male Dispensation zu verschaffen. Alles, was man dagegen sagte, widerlegte er bündig. Alle Vorbereitungen fand er überflüssig, ihre Bedenken natürlich, aber nicht gegründet, und Luise mußte sich fügen, mußte sich verkünden lassen, der Pfarrer mußte die Verkündigung in Luisens Heimathsgemeinde besorgen; der Notar sorgte für Dispensation, und die Spendvögtin wußte gar nicht, wo ihr der Kopf stand, und für was sie sorgen sollte. Was der Narr eigentlich an Luise sieht, weiß ich nicht, und wenn er meint, er kriege einmal einen großen Haufen von mir, so könnte er eine lange Nase kriegen, das dachte sie. Begreiflich machte diese Heirath großes Aufsehen. In der Kirche noch, in welcher das Aufgebot geschah, ging das Reden an, und so lange selben Sonntag ein Auge offen war, eine Zunge sich noch regte, ward die Luise und der Stößli verhandelt. Die Leute zerbrachen sich die Köpfe, wie das zugegangen. Daß Luise ihn nehme, sei begreiflich, aber daß der hochmüthige Stößli da angebissen, gehe über das Bohnenlied; entweder sei er ein Narr, oder hineingesprengt worden. Die Sage geht, am selben Sonntag, an welchem Luise aufgeboten worden, sei manche Garderobe gemustert worden unter dem kurzen Selbstgespräch: He nun so denn, wenn Die noch Einen bekommen, so ist für mich die Hoffnung nicht verloren, bin doch noch eine Andere als Die. Ich muß frisch dran hin, helf', was helfen mag! Aber wissen möchte ich, was Die angefangen, vielleicht wäre das Mittel auch für Andere gut.

Tags an den Arm genommen, und der Pfarrer hätte ihn copuliren müssen. Je größer das Glück, desto größer sei die Angst, es zu verlieren, sagte er; das sei verzeihlich, sagte er. Ja, ja, sagte Frau Spendvögtin, sie begreife es, ihr Spendvogt selig sei jedoch nie so ungeduldig gewesen, es seien aber damals auch noch nicht so schlechte Leute gewesen, wie jetzt. Herr Stößli drängte, alsbald das Aufgebot zu bestellen, und dreimal brauche es nicht zu geschehen; er habe Bekanntschaften, welche sich eine Freude daraus machen würden, ihm für ein oder gar zwei Male Dispensation zu verschaffen. Alles, was man dagegen sagte, widerlegte er bündig. Alle Vorbereitungen fand er überflüssig, ihre Bedenken natürlich, aber nicht gegründet, und Luise mußte sich fügen, mußte sich verkünden lassen, der Pfarrer mußte die Verkündigung in Luisens Heimathsgemeinde besorgen; der Notar sorgte für Dispensation, und die Spendvögtin wußte gar nicht, wo ihr der Kopf stand, und für was sie sorgen sollte. Was der Narr eigentlich an Luise sieht, weiß ich nicht, und wenn er meint, er kriege einmal einen großen Haufen von mir, so könnte er eine lange Nase kriegen, das dachte sie. Begreiflich machte diese Heirath großes Aufsehen. In der Kirche noch, in welcher das Aufgebot geschah, ging das Reden an, und so lange selben Sonntag ein Auge offen war, eine Zunge sich noch regte, ward die Luise und der Stößli verhandelt. Die Leute zerbrachen sich die Köpfe, wie das zugegangen. Daß Luise ihn nehme, sei begreiflich, aber daß der hochmüthige Stößli da angebissen, gehe über das Bohnenlied; entweder sei er ein Narr, oder hineingesprengt worden. Die Sage geht, am selben Sonntag, an welchem Luise aufgeboten worden, sei manche Garderobe gemustert worden unter dem kurzen Selbstgespräch: He nun so denn, wenn Die noch Einen bekommen, so ist für mich die Hoffnung nicht verloren, bin doch noch eine Andere als Die. Ich muß frisch dran hin, helf', was helfen mag! Aber wissen möchte ich, was Die angefangen, vielleicht wäre das Mittel auch für Andere gut.

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Tags an den Arm genommen, und der                Pfarrer hätte ihn copuliren müssen. Je größer das Glück, desto größer sei die Angst,                es zu verlieren, sagte er; das sei verzeihlich, sagte er. Ja, ja, sagte Frau                Spendvögtin, sie begreife es, ihr Spendvogt selig sei jedoch nie so ungeduldig                gewesen, es seien aber damals auch noch nicht so schlechte Leute gewesen, wie jetzt.                Herr Stößli drängte, alsbald das Aufgebot zu bestellen, und dreimal brauche es nicht                zu geschehen; er habe Bekanntschaften, welche sich eine Freude daraus machen würden,                ihm für ein oder gar zwei Male Dispensation zu verschaffen. Alles, was man dagegen                sagte, widerlegte er bündig. Alle Vorbereitungen fand er überflüssig, ihre Bedenken                natürlich, aber nicht gegründet, und Luise mußte sich fügen, mußte sich verkünden                lassen, der Pfarrer mußte die Verkündigung in Luisens Heimathsgemeinde besorgen; der                Notar sorgte für Dispensation, und die Spendvögtin wußte gar nicht, wo ihr der Kopf                stand, und für was sie sorgen sollte. Was der Narr eigentlich an Luise sieht, weiß                ich nicht, und wenn er meint, er kriege einmal einen großen Haufen von mir, so könnte                er eine lange Nase kriegen, das dachte sie. Begreiflich machte diese Heirath großes                Aufsehen. In der Kirche noch, in welcher das Aufgebot geschah, ging das Reden an, und                so lange selben Sonntag ein Auge offen war, eine Zunge sich noch regte, ward die                Luise und der Stößli verhandelt. Die Leute zerbrachen sich die Köpfe, wie das                zugegangen. Daß Luise ihn nehme, sei begreiflich, aber daß der hochmüthige Stößli da                angebissen, gehe über das Bohnenlied; entweder sei er ein Narr, oder hineingesprengt                worden. Die Sage geht, am selben Sonntag, an welchem Luise aufgeboten worden, sei                manche Garderobe gemustert worden unter dem kurzen Selbstgespräch: He nun so denn,                wenn Die noch Einen bekommen, so ist für mich die Hoffnung nicht verloren, bin doch                noch eine Andere als Die. Ich muß frisch dran hin, helf', was helfen mag! Aber wissen                möchte ich, was Die angefangen, vielleicht wäre das Mittel auch für Andere gut.</p><lb/>
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[0040] Tags an den Arm genommen, und der Pfarrer hätte ihn copuliren müssen. Je größer das Glück, desto größer sei die Angst, es zu verlieren, sagte er; das sei verzeihlich, sagte er. Ja, ja, sagte Frau Spendvögtin, sie begreife es, ihr Spendvogt selig sei jedoch nie so ungeduldig gewesen, es seien aber damals auch noch nicht so schlechte Leute gewesen, wie jetzt. Herr Stößli drängte, alsbald das Aufgebot zu bestellen, und dreimal brauche es nicht zu geschehen; er habe Bekanntschaften, welche sich eine Freude daraus machen würden, ihm für ein oder gar zwei Male Dispensation zu verschaffen. Alles, was man dagegen sagte, widerlegte er bündig. Alle Vorbereitungen fand er überflüssig, ihre Bedenken natürlich, aber nicht gegründet, und Luise mußte sich fügen, mußte sich verkünden lassen, der Pfarrer mußte die Verkündigung in Luisens Heimathsgemeinde besorgen; der Notar sorgte für Dispensation, und die Spendvögtin wußte gar nicht, wo ihr der Kopf stand, und für was sie sorgen sollte. Was der Narr eigentlich an Luise sieht, weiß ich nicht, und wenn er meint, er kriege einmal einen großen Haufen von mir, so könnte er eine lange Nase kriegen, das dachte sie. Begreiflich machte diese Heirath großes Aufsehen. In der Kirche noch, in welcher das Aufgebot geschah, ging das Reden an, und so lange selben Sonntag ein Auge offen war, eine Zunge sich noch regte, ward die Luise und der Stößli verhandelt. Die Leute zerbrachen sich die Köpfe, wie das zugegangen. Daß Luise ihn nehme, sei begreiflich, aber daß der hochmüthige Stößli da angebissen, gehe über das Bohnenlied; entweder sei er ein Narr, oder hineingesprengt worden. Die Sage geht, am selben Sonntag, an welchem Luise aufgeboten worden, sei manche Garderobe gemustert worden unter dem kurzen Selbstgespräch: He nun so denn, wenn Die noch Einen bekommen, so ist für mich die Hoffnung nicht verloren, bin doch noch eine Andere als Die. Ich muß frisch dran hin, helf', was helfen mag! Aber wissen möchte ich, was Die angefangen, vielleicht wäre das Mittel auch für Andere gut.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:45:11Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:45:11Z)

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_notar_1910/40>, abgerufen am 28.03.2024.