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Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sei doch auch nicht bös, du hast einen schönen Verdienst, ich habe nicht Nichts, und Tante Spendvögtin ist ja so gut! -- Also hineingesprengt hast du mich, mich, den Notar Stößli, mich gefangen wie einen Simpel, hast gelogen, geheuchelt; ein sauber Weibsbild bist, heute noch lass' ich mich scheiden und zwar wegem Vaterland, schrie Stößli, der Vaterlandsfreund. -- Das ist wahr, lieb warst du mir, und zu sterben glaubte ich, schluchzte Luise. Es war mir, wenn ich dich nur sehen, mit dir reden könnte, wollte ich gerne sterben. Da wußte ich mir nicht anders zu helfen, als dich kommen zu lassen wegen einem Testament, andern Vorwand hatte ich nicht. So kam es, wie es kam. Verzeih mir, Stößli, um Gottes willen! Sieh, ich will dich auf den Händen tragen, dir dienen besser als eine Magd, du sollst dich dein Lebtag nicht reuig werden, sollst glücklich sein. -- Geh mir vom Leibe, du Schlange, du Pest! schrie Stößli; bin blamirt für mein Lebtag, und mit meinen Aussichten ist es aus, kann ein gemeiner Schreiber bleiben, während meine Kameraden Oberherren sind! Lasse mich fangen wie ein Esel, und von wem! -- Er war schrecklich in seinem Zorn, Notar Stößli, fast wie Achilles, wenn es ihn recht ankam. Zu ihrem großen Erstaunen hörte Tante Spendvögtin das zornige Getöne und sagte: Ho, ho, der fängt früh an, mein Spendvogt selig wartete doch drei Wochen, ehe er sein Hörnchen zeigen wollte, aber er war froh es einzuziehen. Die Hauptsache ist immer die, daß man sich nicht fürchtet. Will gehn und sehn, vielleicht weiß dies Luise noch nicht recht.

Es ging lange, bis der Handel der Frau Spendvögtin klar wurde. Als sie ihn endlich faßte, wußte sie lange nicht, sollte sie schelten oder lachen. Du abscheulich Mädchen du, was stellst du an? Wie konnte dir das in Sinn kommen? Schämtest dich nicht?! Kein Wunder, daß Herr Stößli plötzlich so versessen auf dich war. Konnte nicht begreifen, wie du es ihm angethan; aber mit Speck fängt man die Mäuse. Konnte das Pressiren nicht begreifen; aber gedacht wird er

sei doch auch nicht bös, du hast einen schönen Verdienst, ich habe nicht Nichts, und Tante Spendvögtin ist ja so gut! — Also hineingesprengt hast du mich, mich, den Notar Stößli, mich gefangen wie einen Simpel, hast gelogen, geheuchelt; ein sauber Weibsbild bist, heute noch lass' ich mich scheiden und zwar wegem Vaterland, schrie Stößli, der Vaterlandsfreund. — Das ist wahr, lieb warst du mir, und zu sterben glaubte ich, schluchzte Luise. Es war mir, wenn ich dich nur sehen, mit dir reden könnte, wollte ich gerne sterben. Da wußte ich mir nicht anders zu helfen, als dich kommen zu lassen wegen einem Testament, andern Vorwand hatte ich nicht. So kam es, wie es kam. Verzeih mir, Stößli, um Gottes willen! Sieh, ich will dich auf den Händen tragen, dir dienen besser als eine Magd, du sollst dich dein Lebtag nicht reuig werden, sollst glücklich sein. — Geh mir vom Leibe, du Schlange, du Pest! schrie Stößli; bin blamirt für mein Lebtag, und mit meinen Aussichten ist es aus, kann ein gemeiner Schreiber bleiben, während meine Kameraden Oberherren sind! Lasse mich fangen wie ein Esel, und von wem! — Er war schrecklich in seinem Zorn, Notar Stößli, fast wie Achilles, wenn es ihn recht ankam. Zu ihrem großen Erstaunen hörte Tante Spendvögtin das zornige Getöne und sagte: Ho, ho, der fängt früh an, mein Spendvogt selig wartete doch drei Wochen, ehe er sein Hörnchen zeigen wollte, aber er war froh es einzuziehen. Die Hauptsache ist immer die, daß man sich nicht fürchtet. Will gehn und sehn, vielleicht weiß dies Luise noch nicht recht.

Es ging lange, bis der Handel der Frau Spendvögtin klar wurde. Als sie ihn endlich faßte, wußte sie lange nicht, sollte sie schelten oder lachen. Du abscheulich Mädchen du, was stellst du an? Wie konnte dir das in Sinn kommen? Schämtest dich nicht?! Kein Wunder, daß Herr Stößli plötzlich so versessen auf dich war. Konnte nicht begreifen, wie du es ihm angethan; aber mit Speck fängt man die Mäuse. Konnte das Pressiren nicht begreifen; aber gedacht wird er

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T09:45:11Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T09:45:11Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias [d. i. Albert Bitzius]: Der Notar in der Falle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–43. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_notar_1910/45>, abgerufen am 29.03.2024.