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Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842.

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hätten nie verleuchtet; es sei gewesen als ob Himmel
und Berge und Erde vom Wasser satt daher kämen,
das Thal hinunter, und von einem Wirbel alles er¬
griffen, alles verschlungen, zum alten Chaos werden
sollte. Da hätten die Menschen erkannt vor Gottes
Gewalt und ihrer Sündenschuld; der jüngste Tag sei
angebrochen, hätten sie gemeint, und um nichts anders
gebeten, als um Gottes Gnade und ihrer Schuld Ver¬
gebung. Aber noch sei es nicht an der Zeit gewesen;
des Schreckens Posaunen seien verstummt, und den
Menschen seien die Augen wieder aufgegangen für das
Zeitliche. Da hätten sie ein weites Grab gesehen ver¬
gangener Herrlichkeit, und stundenlang sei dieses Grab,
grau und graus, und um dasselbe stünden weinende
Menschen, und jammerten um die untergegangene Herr¬
lichkeit, die nie wiederkehren werde; und so war es
auch. Aber die Herrlichkeit ist wiedergekehrt und die
verheerten Thäler blühen herrlicher als früher; ein
Zeichen Gottes, daß alles Irdische vorübergeht, nicht
die Freude nur und die Herrlichkeit, sondern auch das
Leid, sondern auch der Graus.


hätten nie verleuchtet; es ſei geweſen als ob Himmel
und Berge und Erde vom Waſſer ſatt daher kämen,
das Thal hinunter, und von einem Wirbel alles er¬
griffen, alles verſchlungen, zum alten Chaos werden
ſollte. Da hätten die Menſchen erkannt vor Gottes
Gewalt und ihrer Sündenſchuld; der jüngſte Tag ſei
angebrochen, hätten ſie gemeint, und um nichts anders
gebeten, als um Gottes Gnade und ihrer Schuld Ver¬
gebung. Aber noch ſei es nicht an der Zeit geweſen;
des Schreckens Poſaunen ſeien verſtummt, und den
Menſchen ſeien die Augen wieder aufgegangen für das
Zeitliche. Da hätten ſie ein weites Grab geſehen ver¬
gangener Herrlichkeit, und ſtundenlang ſei dieſes Grab,
grau und graus, und um daſſelbe ſtünden weinende
Menſchen, und jammerten um die untergegangene Herr¬
lichkeit, die nie wiederkehren werde; und ſo war es
auch. Aber die Herrlichkeit iſt wiedergekehrt und die
verheerten Thäler blühen herrlicher als früher; ein
Zeichen Gottes, daß alles Irdiſche vorübergeht, nicht
die Freude nur und die Herrlichkeit, ſondern auch das
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[134/0144] hätten nie verleuchtet; es ſei geweſen als ob Himmel und Berge und Erde vom Waſſer ſatt daher kämen, das Thal hinunter, und von einem Wirbel alles er¬ griffen, alles verſchlungen, zum alten Chaos werden ſollte. Da hätten die Menſchen erkannt vor Gottes Gewalt und ihrer Sündenſchuld; der jüngſte Tag ſei angebrochen, hätten ſie gemeint, und um nichts anders gebeten, als um Gottes Gnade und ihrer Schuld Ver¬ gebung. Aber noch ſei es nicht an der Zeit geweſen; des Schreckens Poſaunen ſeien verſtummt, und den Menſchen ſeien die Augen wieder aufgegangen für das Zeitliche. Da hätten ſie ein weites Grab geſehen ver¬ gangener Herrlichkeit, und ſtundenlang ſei dieſes Grab, grau und graus, und um daſſelbe ſtünden weinende Menſchen, und jammerten um die untergegangene Herr¬ lichkeit, die nie wiederkehren werde; und ſo war es auch. Aber die Herrlichkeit iſt wiedergekehrt und die verheerten Thäler blühen herrlicher als früher; ein Zeichen Gottes, daß alles Irdiſche vorübergeht, nicht die Freude nur und die Herrlichkeit, ſondern auch das Leid, ſondern auch der Graus.

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Zitationshilfe: Gotthelf, Jeremias: Bilder und Sagen aus der Schweiz. Bdch. 1. Die schwarze Spinne. - Ritter von Brandis - Das gelbe Vögelein und das arme Margrithli. Solothurn, 1842, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gotthelf_sagen_1842/144>, abgerufen am 23.04.2024.