Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
im Fischbein-Rocke.
Frau Glaubeleichtin.
Der heilige Mann! Warum liest er auch solch
armseeliges Zeug?
Cathrine.
Heute befindet er sich schon besser. Wie ich kam,
saß er eben mit zwey andern strengen heiligen Geist-
lichen bey einem guten Früh-Stücke.
Frau Glaubeleichtin.
Der Mann ist wohl ein rechtes Vorbild der er-
sten Gläubigen, der Herr Scheinfromm! Er hat
mir zuerst die Lehren von Natur und Gnade, und
vom innern Wesen der Jchheit beygebracht. Er
hat mich gelehrt, wie man allezeit mit Sanftmuth
und Gelindigkeit reden, wie man den Frieden lieben,
und die Salbung des Geistes schmecken soll, welche
in den Schrifften unserer Hällischen Männer GOt-
tes befindlich ist. Gewiß! der Mann besitzt den
Geist der ersten Kirche in einem hohen Grad! Doch
ihr kennt ihn alle. Wo bist du mehr gewesen?
Cathrine.
Jch habe die Frau Plappergern gesprochen,
welche einen neuen Krafft- und Kern-Catechismum
für ihr Haus verfertigt. Jch bin bey der Frau
Zanckenheimin gewesen, welche eben mit einem
Magister disputirte. Frau Seuffzerin saß mit
einem Geistlichen beym Nacht-Tische. Herr Ma-
gister Trincklieb gieng eben ins Weinhaus; und
Herr Magister Klapperstorch untersuchet eine Wit-
ten-
im Fiſchbein-Rocke.
Frau Glaubeleichtin.
Der heilige Mann! Warum lieſt er auch ſolch
armſeeliges Zeug?
Cathrine.
Heute befindet er ſich ſchon beſſer. Wie ich kam,
ſaß er eben mit zwey andern ſtrengen heiligen Geiſt-
lichen bey einem guten Fruͤh-Stuͤcke.
Frau Glaubeleichtin.
Der Mann iſt wohl ein rechtes Vorbild der er-
ſten Glaͤubigen, der Herr Scheinfromm! Er hat
mir zuerſt die Lehren von Natur und Gnade, und
vom innern Weſen der Jchheit beygebracht. Er
hat mich gelehrt, wie man allezeit mit Sanftmuth
und Gelindigkeit reden, wie man den Frieden lieben,
und die Salbung des Geiſtes ſchmecken ſoll, welche
in den Schrifften unſerer Haͤlliſchen Maͤnner GOt-
tes befindlich iſt. Gewiß! der Mann beſitzt den
Geiſt der erſten Kirche in einem hohen Grad! Doch
ihr kennt ihn alle. Wo biſt du mehr geweſen?
Cathrine.
Jch habe die Frau Plappergern geſprochen,
welche einen neuen Krafft- und Kern-Catechiſmum
fuͤr ihr Haus verfertigt. Jch bin bey der Frau
Zanckenheimin geweſen, welche eben mit einem
Magiſter diſputirte. Frau Seuffzerin ſaß mit
einem Geiſtlichen beym Nacht-Tiſche. Herr Ma-
giſter Trincklieb gieng eben ins Weinhaus; und
Herr Magiſter Klapperſtorch unterſuchet eine Wit-
ten-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0031" n="11"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">im Fi&#x017F;chbein-Rocke.</hi> </fw><lb/>
            <sp who="#GLAU">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Frau Glaubeleichtin.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Der heilige Mann! Warum lie&#x017F;t er auch &#x017F;olch<lb/>
arm&#x017F;eeliges Zeug?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#CAT">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Cathrine.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Heute befindet er &#x017F;ich &#x017F;chon be&#x017F;&#x017F;er. Wie ich kam,<lb/>
&#x017F;aß er eben mit zwey andern &#x017F;trengen heiligen Gei&#x017F;t-<lb/>
lichen bey einem guten Fru&#x0364;h-Stu&#x0364;cke.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#GLAU">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Frau Glaubeleichtin.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Der Mann i&#x017F;t wohl ein rechtes Vorbild der er-<lb/>
&#x017F;ten Gla&#x0364;ubigen, der Herr Scheinfromm! Er hat<lb/>
mir zuer&#x017F;t die Lehren von Natur und Gnade, und<lb/>
vom innern We&#x017F;en der Jchheit beygebracht. Er<lb/>
hat mich gelehrt, wie man allezeit mit Sanftmuth<lb/>
und Gelindigkeit reden, wie man den Frieden lieben,<lb/>
und die Salbung des Gei&#x017F;tes &#x017F;chmecken &#x017F;oll, welche<lb/>
in den Schrifften un&#x017F;erer Ha&#x0364;lli&#x017F;chen Ma&#x0364;nner GOt-<lb/>
tes befindlich i&#x017F;t. Gewiß! der Mann be&#x017F;itzt den<lb/>
Gei&#x017F;t der er&#x017F;ten Kirche in einem hohen Grad! Doch<lb/>
ihr kennt ihn alle. Wo bi&#x017F;t du mehr gewe&#x017F;en?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#CAT">
              <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Cathrine.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Jch habe die Frau Plappergern ge&#x017F;prochen,<lb/>
welche einen neuen Krafft- und Kern-Catechi&#x017F;mum<lb/>
fu&#x0364;r ihr Haus verfertigt. Jch bin bey der Frau<lb/>
Zanckenheimin gewe&#x017F;en, welche eben mit einem<lb/>
Magi&#x017F;ter <hi rendition="#aq">di&#x017F;puti</hi>rte. Frau Seuffzerin &#x017F;aß mit<lb/>
einem Gei&#x017F;tlichen beym Nacht-Ti&#x017F;che. Herr Ma-<lb/>
gi&#x017F;ter Trincklieb gieng eben ins Weinhaus; und<lb/>
Herr Magi&#x017F;ter Klapper&#x017F;torch unter&#x017F;uchet eine Wit-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten-</fw><lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0031] im Fiſchbein-Rocke. Frau Glaubeleichtin. Der heilige Mann! Warum lieſt er auch ſolch armſeeliges Zeug? Cathrine. Heute befindet er ſich ſchon beſſer. Wie ich kam, ſaß er eben mit zwey andern ſtrengen heiligen Geiſt- lichen bey einem guten Fruͤh-Stuͤcke. Frau Glaubeleichtin. Der Mann iſt wohl ein rechtes Vorbild der er- ſten Glaͤubigen, der Herr Scheinfromm! Er hat mir zuerſt die Lehren von Natur und Gnade, und vom innern Weſen der Jchheit beygebracht. Er hat mich gelehrt, wie man allezeit mit Sanftmuth und Gelindigkeit reden, wie man den Frieden lieben, und die Salbung des Geiſtes ſchmecken ſoll, welche in den Schrifften unſerer Haͤlliſchen Maͤnner GOt- tes befindlich iſt. Gewiß! der Mann beſitzt den Geiſt der erſten Kirche in einem hohen Grad! Doch ihr kennt ihn alle. Wo biſt du mehr geweſen? Cathrine. Jch habe die Frau Plappergern geſprochen, welche einen neuen Krafft- und Kern-Catechiſmum fuͤr ihr Haus verfertigt. Jch bin bey der Frau Zanckenheimin geweſen, welche eben mit einem Magiſter diſputirte. Frau Seuffzerin ſaß mit einem Geiſtlichen beym Nacht-Tiſche. Herr Ma- giſter Trincklieb gieng eben ins Weinhaus; und Herr Magiſter Klapperſtorch unterſuchet eine Wit- ten-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/31
Zitationshilfe: Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/31>, abgerufen am 24.04.2024.