Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

grossen und aufgeweckten Gesellschafft neu-
lich entstanden, wo ich dasselbe von An-
fang bis zum Ende vorzulesen mir die
Freyheit genommen. Dieses aber mit
Worten zu beschreiben wird mir gantz un-
möglich fallen. Und ich will nur so viel
sagen, daß auch die allerernsthafftesten
Leute mehr als hundert mahl überlaut zu
lachen genöthiget worden, und daß ich vor
dem unzähligen Händeklatschen der übri-
gen wohl mehr als hundert mahl im Lesen
inne halten müssen. Das ist aber noch
nicht alles. Die gescheidesten Köpffe in
dieser Gesellschafft traten alsobald zusam-
men, und beschlossen mit einhelligen Stim-
men, daß man der Welt dieses vortreffliche
Lust-Spiel nicht mißgönnen müste. Wie-
der diesen Entschluß hatte die gantze Ge-
sellschafft nichts einzuwenden, als dieses:
Wo man denn einen Verleger darzu her-
nehmen würde. Weil sich so leicht kein
Buchdrucker entschliessen würde eine
Schrifft zu drucken, die allem Ansehen
nach gewissen Leuten sehr mißfallen, und

sie
)*( 3

groſſen und aufgeweckten Geſellſchafft neu-
lich entſtanden, wo ich daſſelbe von An-
fang bis zum Ende vorzuleſen mir die
Freyheit genommen. Dieſes aber mit
Worten zu beſchreiben wird mir gantz un-
moͤglich fallen. Und ich will nur ſo viel
ſagen, daß auch die allerernſthaffteſten
Leute mehr als hundert mahl uͤberlaut zu
lachen genoͤthiget worden, und daß ich vor
dem unzaͤhligen Haͤndeklatſchen der uͤbri-
gen wohl mehr als hundert mahl im Leſen
inne halten muͤſſen. Das iſt aber noch
nicht alles. Die geſcheideſten Koͤpffe in
dieſer Geſellſchafft traten alſobald zuſam-
men, und beſchloſſen mit einhelligen Stim-
men, daß man der Welt dieſes vortreffliche
Luſt-Spiel nicht mißgoͤnnen muͤſte. Wie-
der dieſen Entſchluß hatte die gantze Ge-
ſellſchafft nichts einzuwenden, als dieſes:
Wo man denn einen Verleger darzu her-
nehmen wuͤrde. Weil ſich ſo leicht kein
Buchdrucker entſchlieſſen wuͤrde eine
Schrifft zu drucken, die allem Anſehen
nach gewiſſen Leuten ſehr mißfallen, und

ſie
)*( 3
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0009"/>
gro&#x017F;&#x017F;en und aufgeweckten Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft neu-<lb/>
lich ent&#x017F;tanden, wo ich da&#x017F;&#x017F;elbe von An-<lb/>
fang bis zum Ende vorzule&#x017F;en mir die<lb/>
Freyheit genommen. Die&#x017F;es aber mit<lb/>
Worten zu be&#x017F;chreiben wird mir gantz un-<lb/>
mo&#x0364;glich fallen. Und ich will nur &#x017F;o viel<lb/>
&#x017F;agen, daß auch die allerern&#x017F;thaffte&#x017F;ten<lb/>
Leute mehr als hundert mahl u&#x0364;berlaut zu<lb/>
lachen geno&#x0364;thiget worden, und daß ich vor<lb/>
dem unza&#x0364;hligen Ha&#x0364;ndeklat&#x017F;chen der u&#x0364;bri-<lb/>
gen wohl mehr als hundert mahl im Le&#x017F;en<lb/>
inne halten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Das i&#x017F;t aber noch<lb/>
nicht alles. Die ge&#x017F;cheide&#x017F;ten Ko&#x0364;pffe in<lb/>
die&#x017F;er Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft traten al&#x017F;obald zu&#x017F;am-<lb/>
men, und be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en mit einhelligen Stim-<lb/>
men, daß man der Welt die&#x017F;es vortreffliche<lb/>
Lu&#x017F;t-Spiel nicht mißgo&#x0364;nnen mu&#x0364;&#x017F;te. Wie-<lb/>
der die&#x017F;en Ent&#x017F;chluß hatte die gantze Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chafft nichts einzuwenden, als die&#x017F;es:<lb/>
Wo man denn einen Verleger darzu her-<lb/>
nehmen wu&#x0364;rde. Weil &#x017F;ich &#x017F;o leicht kein<lb/>
Buchdrucker ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde eine<lb/>
Schrifft zu drucken, die allem An&#x017F;ehen<lb/>
nach gewi&#x017F;&#x017F;en Leuten &#x017F;ehr mißfallen, und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">)*( 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ie</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0009] groſſen und aufgeweckten Geſellſchafft neu- lich entſtanden, wo ich daſſelbe von An- fang bis zum Ende vorzuleſen mir die Freyheit genommen. Dieſes aber mit Worten zu beſchreiben wird mir gantz un- moͤglich fallen. Und ich will nur ſo viel ſagen, daß auch die allerernſthaffteſten Leute mehr als hundert mahl uͤberlaut zu lachen genoͤthiget worden, und daß ich vor dem unzaͤhligen Haͤndeklatſchen der uͤbri- gen wohl mehr als hundert mahl im Leſen inne halten muͤſſen. Das iſt aber noch nicht alles. Die geſcheideſten Koͤpffe in dieſer Geſellſchafft traten alſobald zuſam- men, und beſchloſſen mit einhelligen Stim- men, daß man der Welt dieſes vortreffliche Luſt-Spiel nicht mißgoͤnnen muͤſte. Wie- der dieſen Entſchluß hatte die gantze Ge- ſellſchafft nichts einzuwenden, als dieſes: Wo man denn einen Verleger darzu her- nehmen wuͤrde. Weil ſich ſo leicht kein Buchdrucker entſchlieſſen wuͤrde eine Schrifft zu drucken, die allem Anſehen nach gewiſſen Leuten ſehr mißfallen, und ſie )*( 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/9
Zitationshilfe: Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Rostock, 1736, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_pietisterey_1736/9>, abgerufen am 16.04.2024.