Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Von poetischen Sendschreiben.
Man weiß zwar, theurer Printz, daß dis beglückte Licht,
Mehr von des Vaters Ruhm als deinem Lobe spricht.
Der Tag, den Stadt und Land zu seiner Lust erkohren,
Jst freylich wohl der Tag, der ihn zur Welt gebohren:
Allein, Durchlauchtester, man schließt dich hier nicht aus.
Das Licht so ihn gebahr, hat Sachsens Helden-Haus
Zugleich durch dich erfreut. Vom Stamme sprossen Zweige,
Und wenn ich Haupt und Knie vor einer Ceder beuge;
Verehr ich auch den Arm, der Nahrung Safft und Krafft
Aus ihren Wurtzeln zieht, und jeder Eigenschafft
Des gantzen Stammes folgt. So sind denn diese Stunden,
Durchlauchter Königs-Sohn! mit deiner Lust verbunden.
Denn wer begreift es nicht, daß deines Vaters Fest,
Das uns so freudig macht, sich doppelt feyren läst:
Zuerst, dieweil es uns durch ihn so sehr beglücket;
Hernach, weil du durch ihn das Licht der Welt erblicket.
Fürwahr, Johann Georg, der Nestor seiner Zeit,
Erblickte jenen Tag mit vieler Freudigkeit,
Daran ihm sein Gemahl den andern Printzen brachte,
Aus dem die Majestät schon in der Wiege lachte.
Und da sein ältster Sohn, nach kaum erlangter Chur,
So früh, so unverhofft zu seinen Vätern fuhr;
So wäre dieß Geschlecht zu zeitig aufgerieben,
Dafern es nicht annoch im Bruder übrig blieben.
Wir hätten nach der Zeit die Thaten nicht gesehn,
Die durch den Hercules der deutschen Welt geschehn.
Die Krone hätte noch den Churhut nicht geschmücket,
Der Adler wäre nicht zum Rauten-Krantz gerücket,
Und das Ertz-Marschall-Schwerdt der Sachsen wäre nicht
Dem Reuter beygesellt. Doch was der Himmel spricht,
Dem kan, Durchlauchter Printz, kein Zufall wiederstreben.
GOtt wollte Sachsens Stamm, Thron, Kron und Scepter geben;
Drum gab er ihm ein Haupt, das Unglück und Gefahr,
Sowohl als Glück und Pracht zu tragen, fähig war:
Drum muste dazumahl zum Schmuck und Heyl der Erden,
Ein Friederich August, zur Welt gebohren werden.
Mich dünckt, o großer Printz, dein Hertz wird hier entflammt,
Jndem dein Glück nechst GOtt von diesem Helden stammt.
Du selber bist zwar groß, und strahlst mit eignem Lichte,
Man sieht ja freylich wohl in deinem Angesichte
Was Kronen-würdiges. Denn was dich trefflich macht,
Jst dir an Geist und Leib vom Himmel zugedacht;
Und Sachsen würde dich, von wegen solcher Gaben,
Aus ungezwungner Wahl zum Haupt erkohren haben.
Doch
Von poetiſchen Sendſchreiben.
Man weiß zwar, theurer Printz, daß dis begluͤckte Licht,
Mehr von des Vaters Ruhm als deinem Lobe ſpricht.
Der Tag, den Stadt und Land zu ſeiner Luſt erkohren,
Jſt freylich wohl der Tag, der ihn zur Welt gebohren:
Allein, Durchlauchteſter, man ſchließt dich hier nicht aus.
Das Licht ſo ihn gebahr, hat Sachſens Helden-Haus
Zugleich durch dich erfreut. Vom Stamme ſproſſen Zweige,
Und wenn ich Haupt und Knie vor einer Ceder beuge;
Verehr ich auch den Arm, der Nahrung Safft und Krafft
Aus ihren Wurtzeln zieht, und jeder Eigenſchafft
Des gantzen Stammes folgt. So ſind denn dieſe Stunden,
Durchlauchter Koͤnigs-Sohn! mit deiner Luſt verbunden.
Denn wer begreift es nicht, daß deines Vaters Feſt,
Das uns ſo freudig macht, ſich doppelt feyren laͤſt:
Zuerſt, dieweil es uns durch ihn ſo ſehr begluͤcket;
Hernach, weil du durch ihn das Licht der Welt erblicket.
Fuͤrwahr, Johann Georg, der Neſtor ſeiner Zeit,
Erblickte jenen Tag mit vieler Freudigkeit,
Daran ihm ſein Gemahl den andern Printzen brachte,
Aus dem die Majeſtaͤt ſchon in der Wiege lachte.
Und da ſein aͤltſter Sohn, nach kaum erlangter Chur,
So fruͤh, ſo unverhofft zu ſeinen Vaͤtern fuhr;
So waͤre dieß Geſchlecht zu zeitig aufgerieben,
Dafern es nicht annoch im Bruder uͤbrig blieben.
Wir haͤtten nach der Zeit die Thaten nicht geſehn,
Die durch den Hercules der deutſchen Welt geſchehn.
Die Krone haͤtte noch den Churhut nicht geſchmuͤcket,
Der Adler waͤre nicht zum Rauten-Krantz geruͤcket,
Und das Ertz-Marſchall-Schwerdt der Sachſen waͤre nicht
Dem Reuter beygeſellt. Doch was der Himmel ſpricht,
Dem kan, Durchlauchter Printz, kein Zufall wiederſtreben.
GOtt wollte Sachſens Stamm, Thron, Kron und Scepter geben;
Drum gab er ihm ein Haupt, das Ungluͤck und Gefahr,
Sowohl als Gluͤck und Pracht zu tragen, faͤhig war:
Drum muſte dazumahl zum Schmuck und Heyl der Erden,
Ein Friederich Auguſt, zur Welt gebohren werden.
Mich duͤnckt, o großer Printz, dein Hertz wird hier entflammt,
Jndem dein Gluͤck nechſt GOtt von dieſem Helden ſtammt.
Du ſelber biſt zwar groß, und ſtrahlſt mit eignem Lichte,
Man ſieht ja freylich wohl in deinem Angeſichte
Was Kronen-wuͤrdiges. Denn was dich trefflich macht,
Jſt dir an Geiſt und Leib vom Himmel zugedacht;
Und Sachſen wuͤrde dich, von wegen ſolcher Gaben,
Aus ungezwungner Wahl zum Haupt erkohren haben.
Doch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0475" n="447"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von poeti&#x017F;chen Send&#x017F;chreiben.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="16">
                <l>Man weiß zwar, theurer Printz, daß dis beglu&#x0364;ckte Licht,</l><lb/>
                <l>Mehr von des Vaters Ruhm als deinem Lobe &#x017F;pricht.</l><lb/>
                <l>Der Tag, den Stadt und Land zu &#x017F;einer Lu&#x017F;t erkohren,</l><lb/>
                <l>J&#x017F;t freylich wohl der Tag, der ihn zur Welt gebohren:</l><lb/>
                <l>Allein, Durchlauchte&#x017F;ter, man &#x017F;chließt dich hier nicht aus.</l><lb/>
                <l>Das Licht &#x017F;o ihn gebahr, hat Sach&#x017F;ens Helden-Haus</l><lb/>
                <l>Zugleich durch dich erfreut. Vom Stamme &#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en Zweige,</l><lb/>
                <l>Und wenn ich Haupt und Knie vor einer Ceder beuge;</l><lb/>
                <l>Verehr ich auch den Arm, der Nahrung Safft und Krafft</l><lb/>
                <l>Aus ihren Wurtzeln zieht, und jeder Eigen&#x017F;chafft</l><lb/>
                <l>Des gantzen Stammes folgt. So &#x017F;ind denn die&#x017F;e Stunden,</l><lb/>
                <l>Durchlauchter Ko&#x0364;nigs-Sohn! mit deiner Lu&#x017F;t verbunden.</l><lb/>
                <l>Denn wer begreift es nicht, daß deines Vaters Fe&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>Das uns &#x017F;o freudig macht, &#x017F;ich doppelt feyren la&#x0364;&#x017F;t:</l><lb/>
                <l>Zuer&#x017F;t, dieweil es uns durch ihn &#x017F;o &#x017F;ehr beglu&#x0364;cket;</l><lb/>
                <l>Hernach, weil du durch ihn das Licht der Welt erblicket.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="17">
                <l>Fu&#x0364;rwahr, Johann Georg, der Ne&#x017F;tor &#x017F;einer Zeit,</l><lb/>
                <l>Erblickte jenen Tag mit vieler Freudigkeit,</l><lb/>
                <l>Daran ihm &#x017F;ein Gemahl den andern Printzen brachte,</l><lb/>
                <l>Aus dem die Maje&#x017F;ta&#x0364;t &#x017F;chon in der Wiege lachte.</l><lb/>
                <l>Und da &#x017F;ein a&#x0364;lt&#x017F;ter Sohn, nach kaum erlangter Chur,</l><lb/>
                <l>So fru&#x0364;h, &#x017F;o unverhofft zu &#x017F;einen Va&#x0364;tern fuhr;</l><lb/>
                <l>So wa&#x0364;re dieß Ge&#x017F;chlecht zu zeitig aufgerieben,</l><lb/>
                <l>Dafern es nicht annoch im Bruder u&#x0364;brig blieben.</l><lb/>
                <l>Wir ha&#x0364;tten nach der Zeit die Thaten nicht ge&#x017F;ehn,</l><lb/>
                <l>Die durch den Hercules der deut&#x017F;chen Welt ge&#x017F;chehn.</l><lb/>
                <l>Die Krone ha&#x0364;tte noch den Churhut nicht ge&#x017F;chmu&#x0364;cket,</l><lb/>
                <l>Der Adler wa&#x0364;re nicht zum Rauten-Krantz geru&#x0364;cket,</l><lb/>
                <l>Und das Ertz-Mar&#x017F;chall-Schwerdt der Sach&#x017F;en wa&#x0364;re nicht</l><lb/>
                <l>Dem Reuter beyge&#x017F;ellt. Doch was der Himmel &#x017F;pricht,</l><lb/>
                <l>Dem kan, Durchlauchter Printz, kein Zufall wieder&#x017F;treben.</l><lb/>
                <l>GOtt wollte Sach&#x017F;ens Stamm, Thron, Kron und Scepter geben;</l><lb/>
                <l>Drum gab er ihm ein Haupt, das Unglu&#x0364;ck und Gefahr,</l><lb/>
                <l>Sowohl als Glu&#x0364;ck und Pracht zu tragen, fa&#x0364;hig war:</l><lb/>
                <l>Drum mu&#x017F;te dazumahl zum Schmuck und Heyl der Erden,</l><lb/>
                <l>Ein Friederich Augu&#x017F;t, zur Welt gebohren werden.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="18">
                <l>Mich du&#x0364;nckt, o großer Printz, dein Hertz wird hier entflammt,</l><lb/>
                <l>Jndem dein Glu&#x0364;ck nech&#x017F;t GOtt von die&#x017F;em Helden &#x017F;tammt.</l><lb/>
                <l>Du &#x017F;elber bi&#x017F;t zwar groß, und &#x017F;trahl&#x017F;t mit eignem Lichte,</l><lb/>
                <l>Man &#x017F;ieht ja freylich wohl in deinem Ange&#x017F;ichte</l><lb/>
                <l>Was Kronen-wu&#x0364;rdiges. Denn was dich trefflich macht,</l><lb/>
                <l>J&#x017F;t dir an Gei&#x017F;t und Leib vom Himmel zugedacht;</l><lb/>
                <l>Und Sach&#x017F;en wu&#x0364;rde dich, von wegen &#x017F;olcher Gaben,</l><lb/>
                <l>Aus ungezwungner Wahl zum Haupt erkohren haben.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Doch</fw><lb/></l>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[447/0475] Von poetiſchen Sendſchreiben. Man weiß zwar, theurer Printz, daß dis begluͤckte Licht, Mehr von des Vaters Ruhm als deinem Lobe ſpricht. Der Tag, den Stadt und Land zu ſeiner Luſt erkohren, Jſt freylich wohl der Tag, der ihn zur Welt gebohren: Allein, Durchlauchteſter, man ſchließt dich hier nicht aus. Das Licht ſo ihn gebahr, hat Sachſens Helden-Haus Zugleich durch dich erfreut. Vom Stamme ſproſſen Zweige, Und wenn ich Haupt und Knie vor einer Ceder beuge; Verehr ich auch den Arm, der Nahrung Safft und Krafft Aus ihren Wurtzeln zieht, und jeder Eigenſchafft Des gantzen Stammes folgt. So ſind denn dieſe Stunden, Durchlauchter Koͤnigs-Sohn! mit deiner Luſt verbunden. Denn wer begreift es nicht, daß deines Vaters Feſt, Das uns ſo freudig macht, ſich doppelt feyren laͤſt: Zuerſt, dieweil es uns durch ihn ſo ſehr begluͤcket; Hernach, weil du durch ihn das Licht der Welt erblicket. Fuͤrwahr, Johann Georg, der Neſtor ſeiner Zeit, Erblickte jenen Tag mit vieler Freudigkeit, Daran ihm ſein Gemahl den andern Printzen brachte, Aus dem die Majeſtaͤt ſchon in der Wiege lachte. Und da ſein aͤltſter Sohn, nach kaum erlangter Chur, So fruͤh, ſo unverhofft zu ſeinen Vaͤtern fuhr; So waͤre dieß Geſchlecht zu zeitig aufgerieben, Dafern es nicht annoch im Bruder uͤbrig blieben. Wir haͤtten nach der Zeit die Thaten nicht geſehn, Die durch den Hercules der deutſchen Welt geſchehn. Die Krone haͤtte noch den Churhut nicht geſchmuͤcket, Der Adler waͤre nicht zum Rauten-Krantz geruͤcket, Und das Ertz-Marſchall-Schwerdt der Sachſen waͤre nicht Dem Reuter beygeſellt. Doch was der Himmel ſpricht, Dem kan, Durchlauchter Printz, kein Zufall wiederſtreben. GOtt wollte Sachſens Stamm, Thron, Kron und Scepter geben; Drum gab er ihm ein Haupt, das Ungluͤck und Gefahr, Sowohl als Gluͤck und Pracht zu tragen, faͤhig war: Drum muſte dazumahl zum Schmuck und Heyl der Erden, Ein Friederich Auguſt, zur Welt gebohren werden. Mich duͤnckt, o großer Printz, dein Hertz wird hier entflammt, Jndem dein Gluͤck nechſt GOtt von dieſem Helden ſtammt. Du ſelber biſt zwar groß, und ſtrahlſt mit eignem Lichte, Man ſieht ja freylich wohl in deinem Angeſichte Was Kronen-wuͤrdiges. Denn was dich trefflich macht, Jſt dir an Geiſt und Leib vom Himmel zugedacht; Und Sachſen wuͤrde dich, von wegen ſolcher Gaben, Aus ungezwungner Wahl zum Haupt erkohren haben. Doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/475
Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/475>, abgerufen am 23.04.2024.