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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

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Des II Theils VII Capitel

Jn seim schönen Collegio
Daß er hätt abgeschrieben fro
Als ers zum drittenmahl gehört
Wies ein berühmter Mann geleert
Zur Stund wolt man sein Buch gern sehn
Darauf es denn fürwahr geschehn
Als ers wollt aus dem Cuffer holen
Daß ihm sein Weishait war gestohlen
Kein Dib hett ihm den Putz gemacht
Hett er sie ins Gehirn gebracht
Vor so verkehrter Weiß vnnd Art
Hat dich Minerva stets bewahrt
Herr Bruder dich mit Vorbedacht
Zum wurdigen Magister gmacht
Nit nur dem Nahmen nach zum Schein
Die sonst wohl nit ein Wildpret seyn
Doch darf ichs traun nur keck verschweigen
Du thust es uns bald selber zaigen
Wenn du auf dem Catheder frisch
Wirst stehn so steiff als im Harnisch
Dem offt die schärffsten Opponenten
Mit hundert spitz'gen Argumenten
Wenn sie gleich all auf dich loßrennten
Mit nichten doch durchboren könten
Da wird man sehn was du verstehst
Wie gründlich du im Schliessen gehst
Vnnd vor des Wiedersachers stürmen
Die arme Wahrheit kanst beschirmen
Den Zänckern bald das Maul kanst stopffen
Daß ihn'n das Herz im Leib thut klopffen
Vnnd sollichs wird kein Wunder seyn
Du sprichst behend vnnd schön Latein
Vnnd ergerst nit den Prißzian
Wie mancher vor der Zeit gethan
Wirst auch nicht furchtsam stecken bleiben
Die Dißputation zu schreiben
Wie andre die zwar Weißhaits voll
Wenn mans von ihnen fordern soll
Nit wissen weder aus noch ein
Obs Mädgen oder Bübgen seyn
Fragen viel nach allem dißputiren
Wenn sie nur ein groß M kan ziren
Nun werther Bruder nimm vorlieb
Daß ich dir ein schlecht Carmen schrieb
Seyend
Des II Theils VII Capitel

Jn ſeim ſchoͤnen Collegio
Daß er haͤtt abgeſchrieben fro
Als ers zum drittenmahl gehoͤrt
Wies ein beruͤhmter Mann geleert
Zur Stund wolt man ſein Buch gern ſehn
Darauf es denn fuͤrwahr geſchehn
Als ers wollt aus dem Cuffer holen
Daß ihm ſein Weishait war geſtohlen
Kein Dib hett ihm den Putz gemacht
Hett er ſie ins Gehirn gebracht
Vor ſo verkehrter Weiß vnnd Art
Hat dich Minerva ſtets bewahrt
Herr Bruder dich mit Vorbedacht
Zum wurdigen Magiſter gmacht
Nit nur dem Nahmen nach zum Schein
Die ſonſt wohl nit ein Wildpret ſeyn
Doch darf ichs traun nur keck verſchweigen
Du thuſt es uns bald ſelber zaigen
Wenn du auf dem Catheder friſch
Wirſt ſtehn ſo ſteiff als im Harniſch
Dem offt die ſchaͤrffſten Opponenten
Mit hundert ſpitz’gen Argumenten
Wenn ſie gleich all auf dich loßrennten
Mit nichten doch durchboren koͤnten
Da wird man ſehn was du verſtehſt
Wie gruͤndlich du im Schlieſſen gehſt
Vnnd vor des Wiederſachers ſtuͤrmen
Die arme Wahrheit kanſt beſchirmen
Den Zaͤnckern bald das Maul kanſt ſtopffen
Daß ihn’n das Herz im Leib thut klopffen
Vnnd ſollichs wird kein Wunder ſeyn
Du ſprichſt behend vnnd ſchoͤn Latein
Vnnd ergerſt nit den Prißzian
Wie mancher vor der Zeit gethan
Wirſt auch nicht furchtſam ſtecken bleiben
Die Dißputation zu ſchreiben
Wie andre die zwar Weißhaits voll
Wenn mans von ihnen fordern ſoll
Nit wiſſen weder aus noch ein
Obs Maͤdgen oder Buͤbgen ſeyn
Fragen viel nach allem dißputiren
Wenn ſie nur ein groß M kan ziren
Nun werther Bruder nimm vorlieb
Daß ich dir ein ſchlecht Carmen ſchrieb
Seyend
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[506/0534] Des II Theils VII Capitel Jn ſeim ſchoͤnen Collegio Daß er haͤtt abgeſchrieben fro Als ers zum drittenmahl gehoͤrt Wies ein beruͤhmter Mann geleert Zur Stund wolt man ſein Buch gern ſehn Darauf es denn fuͤrwahr geſchehn Als ers wollt aus dem Cuffer holen Daß ihm ſein Weishait war geſtohlen Kein Dib hett ihm den Putz gemacht Hett er ſie ins Gehirn gebracht Vor ſo verkehrter Weiß vnnd Art Hat dich Minerva ſtets bewahrt Herr Bruder dich mit Vorbedacht Zum wurdigen Magiſter gmacht Nit nur dem Nahmen nach zum Schein Die ſonſt wohl nit ein Wildpret ſeyn Doch darf ichs traun nur keck verſchweigen Du thuſt es uns bald ſelber zaigen Wenn du auf dem Catheder friſch Wirſt ſtehn ſo ſteiff als im Harniſch Dem offt die ſchaͤrffſten Opponenten Mit hundert ſpitz’gen Argumenten Wenn ſie gleich all auf dich loßrennten Mit nichten doch durchboren koͤnten Da wird man ſehn was du verſtehſt Wie gruͤndlich du im Schlieſſen gehſt Vnnd vor des Wiederſachers ſtuͤrmen Die arme Wahrheit kanſt beſchirmen Den Zaͤnckern bald das Maul kanſt ſtopffen Daß ihn’n das Herz im Leib thut klopffen Vnnd ſollichs wird kein Wunder ſeyn Du ſprichſt behend vnnd ſchoͤn Latein Vnnd ergerſt nit den Prißzian Wie mancher vor der Zeit gethan Wirſt auch nicht furchtſam ſtecken bleiben Die Dißputation zu ſchreiben Wie andre die zwar Weißhaits voll Wenn mans von ihnen fordern ſoll Nit wiſſen weder aus noch ein Obs Maͤdgen oder Buͤbgen ſeyn Fragen viel nach allem dißputiren Wenn ſie nur ein groß M kan ziren Nun werther Bruder nimm vorlieb Daß ich dir ein ſchlecht Carmen ſchrieb Seyend

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Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/534>, abgerufen am 25.04.2024.