Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Rede, hier wird nicht mehr Liebhabertheater gespielt; hier gilt es Ernst und
hat er einmal die Bühne betreten, so setzt sich das Publikum in richterliche
Position.

Man darf einen Hauptumstand nicht vergessen. Die Presse in ihrem
heutigen Zustande ist ein democratisches Institut und wer ihren Bereich betritt,
hat, ohne daß er selbst es weiß, der Democratie ein Zugeständniß gemacht.
Trotz des feinen aristokratischen Parfums der Pücklerschen Schriften säuselt
doch ein demokratischer Hauch durch die Blätter. Ein Schriftsteller der um
die öffentliche Gunst wirbt und sich putzt um ihr zu gefallen, der zeigt daß
er sich der Masse unterwirft, daß er ihre Herrschaft anerkenne. Dieß ist
vielleicht die Ursache warum die eigentliche Aristokratie mit so bitter süßem
Lächeln das Schriftstellerthum des "Verstorbenen" betrachtet. Von Pückler bis
zu Anastasius Grün sind im Grunde nur wenige Schritte. Jener begnügte
sich mit einem leisem Beifalllachen des Parterres und gab die Lächerlichkeiten
der englischen Aristokratie Preis, dieser wollte einen stärkern Applaus von der
Masse und malte mit vollern Farben.

Ist es nicht merkwürdig, daß grade in Oesterreich, wo der Adel in
seiner ganzen Gewalt und Machtherrlichkeit sich erhalten hat und von den
Bewegungen der Zeit unerschüttert geblieben zu sein scheint, daß grade dort
die Presse so zahlreiche Mannschaft unter den Wappenschildern gefunden hat?
Die Grafen Auersperg, Secheny, Heusenstamm, Mailath, die Baronen
und Ritter Zedlitz, Münch (Halm), Josika, Nimbtsch (Lenau), Prokesch, Nell,
Badenfeld (Eduard Silesius), Lanoy, Schlechta, Leitner, Tschabuschnig u.
s. w. Mit Ausnahme der beiden ersten Namen gehören fast alle diese Her¬
ren dem untern Adel an, und hierin liegt mancher Stoff zur Beurtheilung die¬
ser Erscheinung. Wer die Verhältnisse kennt, in welchen in Oesterreich der
niedere Adel zu dem höhern steht, wer die verschiedenen Abstufungen der
Creme und der Creme de la Creme mit ihren Geheimnissen weiß, der wird
leicht begreifen, warum der Adel zweiten Ranges so viele Mitglieder von
whiggistischer Färbung zählt, indeß der hohe Adel keinen Schritt von seiner
torystischen Grandezza zurückweicht.

Fürst Felix Lichnowsky, der Verfasser der Erinnerungen aus Spanien
ist seiner Stellung und seinen Verhältnissen nach ein solcher Tory. Er ist
der Sohn jenes Fürsten L., der den Historikern durch seine Geschichte des
Hauses Habsburg bekannt ist. Wir führen diesen Umstand geflissentlich an,
da die Persönlichkeit des Verfassers der Erinnerungen aus Spanien eine be¬
sondere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.

Ein junger Mann von acht und zwanzig Jahren, halb Oesterreicher, halb
Preuße, Doctor Juris utriusque und carlistischer General, Verwandter
des Fürsten Staatskanzlers und Correspondent der allgemeinen Zeitung!

16*

Rede, hier wird nicht mehr Liebhabertheater gespielt; hier gilt es Ernst und
hat er einmal die Bühne betreten, so setzt sich das Publikum in richterliche
Position.

Man darf einen Hauptumstand nicht vergessen. Die Presse in ihrem
heutigen Zustande ist ein democratisches Institut und wer ihren Bereich betritt,
hat, ohne daß er selbst es weiß, der Democratie ein Zugeständniß gemacht.
Trotz des feinen aristokratischen Parfums der Pücklerschen Schriften säuselt
doch ein demokratischer Hauch durch die Blätter. Ein Schriftsteller der um
die öffentliche Gunst wirbt und sich putzt um ihr zu gefallen, der zeigt daß
er sich der Masse unterwirft, daß er ihre Herrschaft anerkenne. Dieß ist
vielleicht die Ursache warum die eigentliche Aristokratie mit so bitter süßem
Lächeln das Schriftstellerthum des „Verstorbenen“ betrachtet. Von Pückler bis
zu Anastasius Grün sind im Grunde nur wenige Schritte. Jener begnügte
sich mit einem leisem Beifalllachen des Parterres und gab die Lächerlichkeiten
der englischen Aristokratie Preis, dieser wollte einen stärkern Applaus von der
Masse und malte mit vollern Farben.

Ist es nicht merkwürdig, daß grade in Oesterreich, wo der Adel in
seiner ganzen Gewalt und Machtherrlichkeit sich erhalten hat und von den
Bewegungen der Zeit unerschüttert geblieben zu sein scheint, daß grade dort
die Presse so zahlreiche Mannschaft unter den Wappenschildern gefunden hat?
Die Grafen Auersperg, Secheny, Heusenstamm, Mailath, die Baronen
und Ritter Zedlitz, Münch (Halm), Josika, Nimbtsch (Lenau), Prokesch, Nell,
Badenfeld (Eduard Silesius), Lanoy, Schlechta, Leitner, Tschabuschnig u.
s. w. Mit Ausnahme der beiden ersten Namen gehören fast alle diese Her¬
ren dem untern Adel an, und hierin liegt mancher Stoff zur Beurtheilung die¬
ser Erscheinung. Wer die Verhältnisse kennt, in welchen in Oesterreich der
niedere Adel zu dem höhern steht, wer die verschiedenen Abstufungen der
Crème und der Crème de la Crème mit ihren Geheimnissen weiß, der wird
leicht begreifen, warum der Adel zweiten Ranges so viele Mitglieder von
whiggistischer Färbung zählt, indeß der hohe Adel keinen Schritt von seiner
torystischen Grandezza zurückweicht.

Fürst Felix Lichnowsky, der Verfasser der Erinnerungen aus Spanien
ist seiner Stellung und seinen Verhältnissen nach ein solcher Tory. Er ist
der Sohn jenes Fürsten L., der den Historikern durch seine Geschichte des
Hauses Habsburg bekannt ist. Wir führen diesen Umstand geflissentlich an,
da die Persönlichkeit des Verfassers der Erinnerungen aus Spanien eine be¬
sondere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.

Ein junger Mann von acht und zwanzig Jahren, halb Oesterreicher, halb
Preuße, Doctor Juris utriusque und carlistischer General, Verwandter
des Fürsten Staatskanzlers und Correspondent der allgemeinen Zeitung!

16*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/179510" facs="#f0127" n="119"/>
Rede, hier wird nicht mehr Liebhabertheater gespielt; hier gilt es Ernst und<lb/>
hat er einmal die Bühne betreten, so setzt sich das Publikum in richterliche<lb/>
Position.</p><lb/>
            <p>Man <choice><sic>dar&#x017F;</sic><corr>darf</corr></choice> einen Hauptumstand nicht vergessen. Die Presse in ihrem<lb/>
heutigen Zustande ist ein democratisches Institut und wer ihren Bereich betritt,<lb/>
hat, ohne daß er selbst es weiß, der Democratie ein Zugeständniß gemacht.<lb/>
Trotz des feinen aristokratischen Parfums der <hi rendition="#g">Pücklerschen</hi> Schriften säuselt<lb/>
doch ein demokratischer Hauch durch die Blätter. Ein Schriftsteller der um<lb/>
die öffentliche Gunst wirbt und sich putzt um ihr zu gefallen, der zeigt daß<lb/>
er sich der Masse unterwirft, daß er ihre Herrschaft anerkenne. Dieß ist<lb/>
vielleicht die Ursache warum die eigentliche Aristokratie mit so bitter süßem<lb/>
Lächeln das Schriftstellerthum des &#x201E;Verstorbenen&#x201C; betrachtet. Von <hi rendition="#g">Pückler</hi> bis<lb/>
zu <hi rendition="#g">Anastasius Grün</hi> sind im Grunde nur wenige Schritte. Jener begnügte<lb/>
sich mit einem leisem Beifalllachen des Parterres und gab die Lächerlichkeiten<lb/>
der englischen Aristokratie Preis, dieser wollte einen stärkern Applaus von der<lb/>
Masse und malte mit vollern Farben.</p><lb/>
            <p>Ist es nicht merkwürdig, daß grade in Oesterreich, wo der Adel in<lb/>
seiner ganzen Gewalt und Machtherrlichkeit sich erhalten hat und von den<lb/>
Bewegungen der Zeit unerschüttert geblieben zu sein scheint, daß grade dort<lb/>
die Presse so zahlreiche Mannschaft unter den Wappenschildern gefunden hat?<lb/>
Die Grafen Auersperg, Secheny, Heusenstamm, Mailath, die Baronen<lb/>
und Ritter Zedlitz, Münch (Halm), Josika, Nimbtsch (Lenau), Prokesch, Nell,<lb/>
Badenfeld (Eduard Silesius), Lanoy, Schlechta, Leitner, Tschabuschnig u.<lb/>
s. w. Mit Ausnahme der beiden ersten Namen gehören fast alle diese Her¬<lb/>
ren dem untern Adel an, und hierin liegt mancher Stoff zur Beurtheilung die¬<lb/>
ser Erscheinung. Wer die Verhältnisse kennt, in welchen in Oesterreich der<lb/>
niedere Adel zu dem höhern steht, wer die verschiedenen Abstufungen der<lb/>
Crème und der Crème de la Crème mit ihren Geheimnissen weiß, der wird<lb/>
leicht begreifen, warum der Adel zweiten Ranges so viele Mitglieder von<lb/>
whiggistischer Färbung zählt, indeß der hohe Adel keinen Schritt von seiner<lb/>
torystischen Grandezza zurückweicht.</p><lb/>
            <p>Fürst Felix Lichnowsky, der Verfasser der Erinnerungen aus Spanien<lb/>
ist seiner Stellung und seinen Verhältnissen nach ein solcher Tory. Er ist<lb/>
der Sohn jenes Fürsten L., der den Historikern durch seine Geschichte des<lb/>
Hauses Habsburg bekannt ist. Wir führen diesen Umstand geflissentlich an,<lb/>
da die Persönlichkeit des Verfassers der Erinnerungen aus Spanien eine be¬<lb/>
sondere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.</p><lb/>
            <p>Ein junger Mann von acht und zwanzig Jahren, halb Oesterreicher, halb<lb/>
Preuße, Doctor Juris utriusque und carlistischer General, Verwandter<lb/>
des Fürsten Staatskanzlers und Correspondent der allgemeinen Zeitung!<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">16*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0127] Rede, hier wird nicht mehr Liebhabertheater gespielt; hier gilt es Ernst und hat er einmal die Bühne betreten, so setzt sich das Publikum in richterliche Position. Man darf einen Hauptumstand nicht vergessen. Die Presse in ihrem heutigen Zustande ist ein democratisches Institut und wer ihren Bereich betritt, hat, ohne daß er selbst es weiß, der Democratie ein Zugeständniß gemacht. Trotz des feinen aristokratischen Parfums der Pücklerschen Schriften säuselt doch ein demokratischer Hauch durch die Blätter. Ein Schriftsteller der um die öffentliche Gunst wirbt und sich putzt um ihr zu gefallen, der zeigt daß er sich der Masse unterwirft, daß er ihre Herrschaft anerkenne. Dieß ist vielleicht die Ursache warum die eigentliche Aristokratie mit so bitter süßem Lächeln das Schriftstellerthum des „Verstorbenen“ betrachtet. Von Pückler bis zu Anastasius Grün sind im Grunde nur wenige Schritte. Jener begnügte sich mit einem leisem Beifalllachen des Parterres und gab die Lächerlichkeiten der englischen Aristokratie Preis, dieser wollte einen stärkern Applaus von der Masse und malte mit vollern Farben. Ist es nicht merkwürdig, daß grade in Oesterreich, wo der Adel in seiner ganzen Gewalt und Machtherrlichkeit sich erhalten hat und von den Bewegungen der Zeit unerschüttert geblieben zu sein scheint, daß grade dort die Presse so zahlreiche Mannschaft unter den Wappenschildern gefunden hat? Die Grafen Auersperg, Secheny, Heusenstamm, Mailath, die Baronen und Ritter Zedlitz, Münch (Halm), Josika, Nimbtsch (Lenau), Prokesch, Nell, Badenfeld (Eduard Silesius), Lanoy, Schlechta, Leitner, Tschabuschnig u. s. w. Mit Ausnahme der beiden ersten Namen gehören fast alle diese Her¬ ren dem untern Adel an, und hierin liegt mancher Stoff zur Beurtheilung die¬ ser Erscheinung. Wer die Verhältnisse kennt, in welchen in Oesterreich der niedere Adel zu dem höhern steht, wer die verschiedenen Abstufungen der Crème und der Crème de la Crème mit ihren Geheimnissen weiß, der wird leicht begreifen, warum der Adel zweiten Ranges so viele Mitglieder von whiggistischer Färbung zählt, indeß der hohe Adel keinen Schritt von seiner torystischen Grandezza zurückweicht. Fürst Felix Lichnowsky, der Verfasser der Erinnerungen aus Spanien ist seiner Stellung und seinen Verhältnissen nach ein solcher Tory. Er ist der Sohn jenes Fürsten L., der den Historikern durch seine Geschichte des Hauses Habsburg bekannt ist. Wir führen diesen Umstand geflissentlich an, da die Persönlichkeit des Verfassers der Erinnerungen aus Spanien eine be¬ sondere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Ein junger Mann von acht und zwanzig Jahren, halb Oesterreicher, halb Preuße, Doctor Juris utriusque und carlistischer General, Verwandter des Fürsten Staatskanzlers und Correspondent der allgemeinen Zeitung! 16*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-19T17:23:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Signatur Per 61 k-1). (2013-11-19T17:23:38Z)

Weitere Informationen:

Art der Texterfassung: OCR.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/127
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/127>, abgerufen am 18.04.2024.