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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Sonntag am 15. d. M. war der gesammte Lehr akademischen Se-
Universitat von 4 bis 8 Uhr im Sitzungszimmer des . .
mals unter dem Vorsitz des Studiendirectors Herrn Prälaten Zeidler ver¬
sammelt, und Professor Francesconi las sein Protokoll als Klage vor;
zugleich trug er darauf an, daß man jene sechs Studirende relegiren oder
doch mindestens die zweite Sittenklasse geben solle (was aber abgeschla¬
gen wurde), wobei er sich wieder mit einer Rede voll Unsinn auszeichnete.
Hierauf las Herr Prälat Aeidler den Thatbestand, wie er von den israe¬
litischen Logikern abgefaßt und eingebracht wurde, nebst ihrer Rechtferti¬
gung vor, und endlich auch das Referat der k. k. Stadthauptmannschaft,
welches für die Juden vortheilhaft stimmte, und resultirte in zehn nach-
einanderfolgenden Punkten sich an Francesconi wendend: "Sie haben ge-
fel)le, K, u. s. w. und haben sich künftig zu enthalten:

I. Reden vorzutragen, die nicht zu Ihrem Lehrgegenstände gehören;
^ Von dieser Sache je etwas auf der Lehrkanzel zu sprechen; endlich
3. Keine konfessionellen und auch in den verschiedenen akademischen
Graden keinen Unterschied zu machen.

Nachdem noch Herr I),-. Wessely als Anwalt der sechs Juden mit
großer Freimüthigkeit das Wort nahm, mußte Herr Prof. Francesconi
dem Prälaten Aeidler, dem Decan der philosophischen Facultät und dem
Senior, dem greisen Ehrenmanne Prof. Jandera, den Handschlag geben,
daß er sich im Einklange mit diesem Senatsbeschluß verhalten werde.

Es gehört mit zur Charakteristik dieser Angelegenheit, daß sowohl
der Studiendirector Aeidler als auch der Senior Prof. Jandera dem geist¬
lichen Stande angehören und die Sache der israelitischen Studenten so¬
mit unter dem Clerus selbst seine Vertheidiger fand. Und somit sei un¬
sere Debatte über diese Angelegenheit geschlossen.


IV
Notizen.

Die Oper Wilhelm von Oranien. -- Das Wunderkind, wenn es groß geworden.
-- "Pulver genug, um die Erde gegen den Mond zu sprengen". -- Hr. Altenhöfer.

-- Man schreibt uns aus Berlin: Der Namenstag der Königin
brachte mancherlei Festlichkeiten mit sich. Die Königstädtische Bub"
führte ein Lustspiel "die schöne Athenienserin" auf, eingeleitet durch e^-
nen Prolog und Festmarsch von Truhe; wie Kenner versichern, eine geist¬
reiche originelle Composttion. Das Schauspielhaus zog einen Theil des
Publicums durch eine neue Piece der Mad. Birchpfeiffer an: Eine Fa¬
milie. Ein Drama, das man besser findet, als ihre sämmtlichen letzten
Productionen. Das Opernhaus aber war bis auf den letzten Platz ge¬
füllt, da die Aufführung einer neuen Oper von Earl Eckert "Wilhelm
von Oranien", Text von F. Förster, die allgemeine Aufmerksamkeit der
Berliner gespannt hatte. Soll man das Werk nach dem gespendeten
^5eifall beurtheilen, so müßte man sagen, es sei mit enthusiastischem Ju-
aufgenommen worden, denn eine kräftige und unermüdliche Claque
ließ sich angelegt sein, alle, selbst die Ballettnummern, heftig zu pereat-


Sonntag am 15. d. M. war der gesammte Lehr akademischen Se-
Universitat von 4 bis 8 Uhr im Sitzungszimmer des . .
mals unter dem Vorsitz des Studiendirectors Herrn Prälaten Zeidler ver¬
sammelt, und Professor Francesconi las sein Protokoll als Klage vor;
zugleich trug er darauf an, daß man jene sechs Studirende relegiren oder
doch mindestens die zweite Sittenklasse geben solle (was aber abgeschla¬
gen wurde), wobei er sich wieder mit einer Rede voll Unsinn auszeichnete.
Hierauf las Herr Prälat Aeidler den Thatbestand, wie er von den israe¬
litischen Logikern abgefaßt und eingebracht wurde, nebst ihrer Rechtferti¬
gung vor, und endlich auch das Referat der k. k. Stadthauptmannschaft,
welches für die Juden vortheilhaft stimmte, und resultirte in zehn nach-
einanderfolgenden Punkten sich an Francesconi wendend: „Sie haben ge-
fel)le, K, u. s. w. und haben sich künftig zu enthalten:

I. Reden vorzutragen, die nicht zu Ihrem Lehrgegenstände gehören;
^ Von dieser Sache je etwas auf der Lehrkanzel zu sprechen; endlich
3. Keine konfessionellen und auch in den verschiedenen akademischen
Graden keinen Unterschied zu machen.

Nachdem noch Herr I),-. Wessely als Anwalt der sechs Juden mit
großer Freimüthigkeit das Wort nahm, mußte Herr Prof. Francesconi
dem Prälaten Aeidler, dem Decan der philosophischen Facultät und dem
Senior, dem greisen Ehrenmanne Prof. Jandera, den Handschlag geben,
daß er sich im Einklange mit diesem Senatsbeschluß verhalten werde.

Es gehört mit zur Charakteristik dieser Angelegenheit, daß sowohl
der Studiendirector Aeidler als auch der Senior Prof. Jandera dem geist¬
lichen Stande angehören und die Sache der israelitischen Studenten so¬
mit unter dem Clerus selbst seine Vertheidiger fand. Und somit sei un¬
sere Debatte über diese Angelegenheit geschlossen.


IV
Notizen.

Die Oper Wilhelm von Oranien. — Das Wunderkind, wenn es groß geworden.
— „Pulver genug, um die Erde gegen den Mond zu sprengen". — Hr. Altenhöfer.

— Man schreibt uns aus Berlin: Der Namenstag der Königin
brachte mancherlei Festlichkeiten mit sich. Die Königstädtische Bub»
führte ein Lustspiel „die schöne Athenienserin" auf, eingeleitet durch e^-
nen Prolog und Festmarsch von Truhe; wie Kenner versichern, eine geist¬
reiche originelle Composttion. Das Schauspielhaus zog einen Theil des
Publicums durch eine neue Piece der Mad. Birchpfeiffer an: Eine Fa¬
milie. Ein Drama, das man besser findet, als ihre sämmtlichen letzten
Productionen. Das Opernhaus aber war bis auf den letzten Platz ge¬
füllt, da die Aufführung einer neuen Oper von Earl Eckert „Wilhelm
von Oranien", Text von F. Förster, die allgemeine Aufmerksamkeit der
Berliner gespannt hatte. Soll man das Werk nach dem gespendeten
^5eifall beurtheilen, so müßte man sagen, es sei mit enthusiastischem Ju-
aufgenommen worden, denn eine kräftige und unermüdliche Claque
ließ sich angelegt sein, alle, selbst die Ballettnummern, heftig zu pereat-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/362>, abgerufen am 29.03.2024.