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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Wahrheit zu verdecken. Herr von Lerchenfeld hatte ferner die allerdings un¬
parlamentarische Geradheit, es auszusprechen, daß er in diesem und jenem
Punkte nicht opponire, um uur nie und nirgends zur Linken gerechnet zu
werden; und jetzt unternahm er auch das große Wagstück, die niedergewor¬
fene nationale und freiheitliche Bewegung mit dem Namen "Rebellion" zu be-
werfen; er gab sich jetzt offen als einen Gegner der nationalen und liberalen
Progression. Außer einigen wenigen wagten sich jedoch seine Anhänger nicht
einmal bis zu dieser Entschiedenheit. Trotzdem folgten sie ihm consequent.
Wir mögen unentschieden lassen, ob die Bequemlichkeit, daß er sür ihre Unent-
schlossenheit ebene Wege erdachte, oder daß er onus ot, oüiuu" des wenig rühm¬
lichen Rückzuges aus den Positionen eines wahrhaftigen Constitutionalismus auf
sich nahm, ihre Nachfolge so unbedingt machte. Unterdessen hatte das überstrenge
Preßgesetz mit seinen Dispositionen präventiver Charakters, hatten zahllose vexatorische
Beschlagnahmen in dessen Anwendung, SchriftsKllerausweisuugeu, ministerielle Ein¬
wirkungen ans die "Ueberzeugung" der Verleger durch Entziehung und Verleihung
pecuniairer Emolumeute, hatten directe Angriffe ans ein wichtigstes Blatt (Nürnber¬
ger Correspondent) durch Androhung eines JnsertionsedictS und gesetzwidriger Unter¬
drückung freilich beinahe alle mahnenden und rügenden, wie anregenden und lobenden
Stimmen zum Schweigen gebracht. Die Allgemeine Zeitung, die neue Münchener
Zeitung und andere Blätter waren nur mit Lvbpfalmen der persönlicher Lerchen-
feld'schen Politik erfüllt; die Lerchenfeld'schen Kammerreden wurden als Meister¬
stücke "staatsmännischcr" Erörterungen in usum DvlpKiui abgedruckt, der übrigen
Parlamentarischen Kundgebungen wurde dagegen kaum gedacht. So begann der
Landtag von 1831, nachdem auch noch die letzten selbständigen Preßorgane dnrch
Ausweisung ihrer Redacteurs oder ihren Herausgebern in Aussicht gestellte Entzie¬
hung des Gewcrböbetriebes niedergedrückt, directe Nachrichten über Gang und
Haltung des Landtags den nicht bayerischen Blättern durch Entfernung ihrer
Berichterstatter aus München beinahe unerreichbar gemacht worden waren.

Am Schlüsse des Landtags 18S0 hatte unerwartet Hr. v. Lerchenfeld ein
Paar oppositionelle Anläufe genommen; mit ihm seine Majorität. In der Ge¬
richtsorganisationsfrage stand er den Neichsräthen, in der Kriegsbndgetfrage Diesen
und sogar dem Ministerium gegenüber. In der ersten Angelegenheit gelaugte er
zu einem das Gesetz verkrüppelnder Kompromiß; "denn, meine Herren, wenn
wir jetzt nicht auf die Abänderungen der Reichsrathe eingehen, so fällt das ganze
Gesetz, und ich zweifle sehr, ob man es dem nächsten Landtag wieder vorlegt."
In der Budgetfrage formulirte er einen Beschluß, welcher gewissermaßen die Form
"ehrte, indem er das Wesentliche preisgab. Der LandtagSabschied erklärte darauf
auch kurz und rund, die Regierung werde das einseitig beschlossene Kriegsbudget
nach Belieben einhalten oder nicht.
'

Jetzt allerdings schiens beim Beginne des neuen Landtags (Februar 1831)


Wahrheit zu verdecken. Herr von Lerchenfeld hatte ferner die allerdings un¬
parlamentarische Geradheit, es auszusprechen, daß er in diesem und jenem
Punkte nicht opponire, um uur nie und nirgends zur Linken gerechnet zu
werden; und jetzt unternahm er auch das große Wagstück, die niedergewor¬
fene nationale und freiheitliche Bewegung mit dem Namen „Rebellion" zu be-
werfen; er gab sich jetzt offen als einen Gegner der nationalen und liberalen
Progression. Außer einigen wenigen wagten sich jedoch seine Anhänger nicht
einmal bis zu dieser Entschiedenheit. Trotzdem folgten sie ihm consequent.
Wir mögen unentschieden lassen, ob die Bequemlichkeit, daß er sür ihre Unent-
schlossenheit ebene Wege erdachte, oder daß er onus ot, oüiuu» des wenig rühm¬
lichen Rückzuges aus den Positionen eines wahrhaftigen Constitutionalismus auf
sich nahm, ihre Nachfolge so unbedingt machte. Unterdessen hatte das überstrenge
Preßgesetz mit seinen Dispositionen präventiver Charakters, hatten zahllose vexatorische
Beschlagnahmen in dessen Anwendung, SchriftsKllerausweisuugeu, ministerielle Ein¬
wirkungen ans die „Ueberzeugung" der Verleger durch Entziehung und Verleihung
pecuniairer Emolumeute, hatten directe Angriffe ans ein wichtigstes Blatt (Nürnber¬
ger Correspondent) durch Androhung eines JnsertionsedictS und gesetzwidriger Unter¬
drückung freilich beinahe alle mahnenden und rügenden, wie anregenden und lobenden
Stimmen zum Schweigen gebracht. Die Allgemeine Zeitung, die neue Münchener
Zeitung und andere Blätter waren nur mit Lvbpfalmen der persönlicher Lerchen-
feld'schen Politik erfüllt; die Lerchenfeld'schen Kammerreden wurden als Meister¬
stücke „staatsmännischcr" Erörterungen in usum DvlpKiui abgedruckt, der übrigen
Parlamentarischen Kundgebungen wurde dagegen kaum gedacht. So begann der
Landtag von 1831, nachdem auch noch die letzten selbständigen Preßorgane dnrch
Ausweisung ihrer Redacteurs oder ihren Herausgebern in Aussicht gestellte Entzie¬
hung des Gewcrböbetriebes niedergedrückt, directe Nachrichten über Gang und
Haltung des Landtags den nicht bayerischen Blättern durch Entfernung ihrer
Berichterstatter aus München beinahe unerreichbar gemacht worden waren.

Am Schlüsse des Landtags 18S0 hatte unerwartet Hr. v. Lerchenfeld ein
Paar oppositionelle Anläufe genommen; mit ihm seine Majorität. In der Ge¬
richtsorganisationsfrage stand er den Neichsräthen, in der Kriegsbndgetfrage Diesen
und sogar dem Ministerium gegenüber. In der ersten Angelegenheit gelaugte er
zu einem das Gesetz verkrüppelnder Kompromiß; „denn, meine Herren, wenn
wir jetzt nicht auf die Abänderungen der Reichsrathe eingehen, so fällt das ganze
Gesetz, und ich zweifle sehr, ob man es dem nächsten Landtag wieder vorlegt."
In der Budgetfrage formulirte er einen Beschluß, welcher gewissermaßen die Form
"ehrte, indem er das Wesentliche preisgab. Der LandtagSabschied erklärte darauf
auch kurz und rund, die Regierung werde das einseitig beschlossene Kriegsbudget
nach Belieben einhalten oder nicht.
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Jetzt allerdings schiens beim Beginne des neuen Landtags (Februar 1831)


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[0515] Wahrheit zu verdecken. Herr von Lerchenfeld hatte ferner die allerdings un¬ parlamentarische Geradheit, es auszusprechen, daß er in diesem und jenem Punkte nicht opponire, um uur nie und nirgends zur Linken gerechnet zu werden; und jetzt unternahm er auch das große Wagstück, die niedergewor¬ fene nationale und freiheitliche Bewegung mit dem Namen „Rebellion" zu be- werfen; er gab sich jetzt offen als einen Gegner der nationalen und liberalen Progression. Außer einigen wenigen wagten sich jedoch seine Anhänger nicht einmal bis zu dieser Entschiedenheit. Trotzdem folgten sie ihm consequent. Wir mögen unentschieden lassen, ob die Bequemlichkeit, daß er sür ihre Unent- schlossenheit ebene Wege erdachte, oder daß er onus ot, oüiuu» des wenig rühm¬ lichen Rückzuges aus den Positionen eines wahrhaftigen Constitutionalismus auf sich nahm, ihre Nachfolge so unbedingt machte. Unterdessen hatte das überstrenge Preßgesetz mit seinen Dispositionen präventiver Charakters, hatten zahllose vexatorische Beschlagnahmen in dessen Anwendung, SchriftsKllerausweisuugeu, ministerielle Ein¬ wirkungen ans die „Ueberzeugung" der Verleger durch Entziehung und Verleihung pecuniairer Emolumeute, hatten directe Angriffe ans ein wichtigstes Blatt (Nürnber¬ ger Correspondent) durch Androhung eines JnsertionsedictS und gesetzwidriger Unter¬ drückung freilich beinahe alle mahnenden und rügenden, wie anregenden und lobenden Stimmen zum Schweigen gebracht. Die Allgemeine Zeitung, die neue Münchener Zeitung und andere Blätter waren nur mit Lvbpfalmen der persönlicher Lerchen- feld'schen Politik erfüllt; die Lerchenfeld'schen Kammerreden wurden als Meister¬ stücke „staatsmännischcr" Erörterungen in usum DvlpKiui abgedruckt, der übrigen Parlamentarischen Kundgebungen wurde dagegen kaum gedacht. So begann der Landtag von 1831, nachdem auch noch die letzten selbständigen Preßorgane dnrch Ausweisung ihrer Redacteurs oder ihren Herausgebern in Aussicht gestellte Entzie¬ hung des Gewcrböbetriebes niedergedrückt, directe Nachrichten über Gang und Haltung des Landtags den nicht bayerischen Blättern durch Entfernung ihrer Berichterstatter aus München beinahe unerreichbar gemacht worden waren. Am Schlüsse des Landtags 18S0 hatte unerwartet Hr. v. Lerchenfeld ein Paar oppositionelle Anläufe genommen; mit ihm seine Majorität. In der Ge¬ richtsorganisationsfrage stand er den Neichsräthen, in der Kriegsbndgetfrage Diesen und sogar dem Ministerium gegenüber. In der ersten Angelegenheit gelaugte er zu einem das Gesetz verkrüppelnder Kompromiß; „denn, meine Herren, wenn wir jetzt nicht auf die Abänderungen der Reichsrathe eingehen, so fällt das ganze Gesetz, und ich zweifle sehr, ob man es dem nächsten Landtag wieder vorlegt." In der Budgetfrage formulirte er einen Beschluß, welcher gewissermaßen die Form "ehrte, indem er das Wesentliche preisgab. Der LandtagSabschied erklärte darauf auch kurz und rund, die Regierung werde das einseitig beschlossene Kriegsbudget nach Belieben einhalten oder nicht. ' Jetzt allerdings schiens beim Beginne des neuen Landtags (Februar 1831)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/515>, abgerufen am 29.03.2024.