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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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schein ist eine rothe Lampe und die Göttin, die in der Mitte sitzt, eine aus¬
gestopfte Figur, deren Inneres mit Werther, Siegewart und andern Empfind¬
samkeiten gefüllt ist.

Der Garten der Poesie ist ebenso philisterhaft eingerichtet, als die profane
Gesellschaft, gegen die er sich abschließt und sein Inhalt, seine Interessen sind
noch viel leerer und gemachter, als die Interessen, deren er spottet. Jeder
Idealismus, der sich von den allgemeinen Interessen trennt, führt zur Coterie,
und die schlechteste Art der Coterie entsteht, wenn die sogenannten schönen
Seelen sich von der Welt isoliren und sich mit ihren Inspirationen und Weis¬
sagungen nur aufeinander beziehen. Zuletzt merkt der Dichter selbst, daß es mit
dieser poetischen Welt auch nicht viel auf sich hat, er läßt sie also gleichfalls
fallen und es bleibt eine ziemlich unbehagliche Weltironie übrig, die allen
Gegenstand verloren hat.




Vom modernen Festungsbau und Belagmmgskrieg.
5.' '

Was das Verdienst Vaubans ausmacht und seinen Ruf begründet hat,
ist nicht nur die Ausbildung des bastionären Befestigungssystems zu einem für
die betreffende Zeit hohen Grade von Vollkommenheit, sondern zugleich die
Angabe des entscheidendsten Mittels für den Angreifer, um die Artillerie der
Festung zu vernichten. Er war der erste, welcher zu dem Schluß gelangte, daß
eine auf dem Wallgange einer Festung entwickelte Geschützmasse, außer von
der Fronte her, inmittelst sicherer Zielschüsse durch die Scharten (Demontirfeuer)
noch in andrer Weise, nämlich vermöge des Bogenschusses von einem in der
Verlängerung der Aufstellungslinie gelegenem Punkte aus (Ricochetfeuer) zer¬
stört werden könne. Diese hochwichtige Entdeckung that der Widerstandsfähig¬
keit der Festungen einen weit entschiedeneren Abbruch, als alle spätern Er¬
findungen im Artilleriewesen im Stande gewesen sind. Es war dabei von sehr
entscheidender Bedeutung, daß die Nicochetbatterien bereits auf weite Ent¬
fernung (schon zu Vaubans Zeit zwischen 700 und -1000 Schritt) errichtet
werden konnten und zwar bestimmte sie dieser Umstand zu der Rolle, den Zer¬
störungsact der Belagerung einzuleiten.

Hätte die Vertheidigung, gegenüber den die Walllinie der Länge nach
bestrcichenden Nicochetbatterien auf jede Gegenmaßregel verzichtet, so würden
die behufs des frontalen Widerstandes entwickelten Geschütze wenige Stunden,
nachdem der Angriff sein Feuer eröffnet, zertrümmert worden sein, wie denn
dies auch thatsächlich bei den ersten Plätzen, gegen welche Vauban sein neues


schein ist eine rothe Lampe und die Göttin, die in der Mitte sitzt, eine aus¬
gestopfte Figur, deren Inneres mit Werther, Siegewart und andern Empfind¬
samkeiten gefüllt ist.

Der Garten der Poesie ist ebenso philisterhaft eingerichtet, als die profane
Gesellschaft, gegen die er sich abschließt und sein Inhalt, seine Interessen sind
noch viel leerer und gemachter, als die Interessen, deren er spottet. Jeder
Idealismus, der sich von den allgemeinen Interessen trennt, führt zur Coterie,
und die schlechteste Art der Coterie entsteht, wenn die sogenannten schönen
Seelen sich von der Welt isoliren und sich mit ihren Inspirationen und Weis¬
sagungen nur aufeinander beziehen. Zuletzt merkt der Dichter selbst, daß es mit
dieser poetischen Welt auch nicht viel auf sich hat, er läßt sie also gleichfalls
fallen und es bleibt eine ziemlich unbehagliche Weltironie übrig, die allen
Gegenstand verloren hat.




Vom modernen Festungsbau und Belagmmgskrieg.
5.' '

Was das Verdienst Vaubans ausmacht und seinen Ruf begründet hat,
ist nicht nur die Ausbildung des bastionären Befestigungssystems zu einem für
die betreffende Zeit hohen Grade von Vollkommenheit, sondern zugleich die
Angabe des entscheidendsten Mittels für den Angreifer, um die Artillerie der
Festung zu vernichten. Er war der erste, welcher zu dem Schluß gelangte, daß
eine auf dem Wallgange einer Festung entwickelte Geschützmasse, außer von
der Fronte her, inmittelst sicherer Zielschüsse durch die Scharten (Demontirfeuer)
noch in andrer Weise, nämlich vermöge des Bogenschusses von einem in der
Verlängerung der Aufstellungslinie gelegenem Punkte aus (Ricochetfeuer) zer¬
stört werden könne. Diese hochwichtige Entdeckung that der Widerstandsfähig¬
keit der Festungen einen weit entschiedeneren Abbruch, als alle spätern Er¬
findungen im Artilleriewesen im Stande gewesen sind. Es war dabei von sehr
entscheidender Bedeutung, daß die Nicochetbatterien bereits auf weite Ent¬
fernung (schon zu Vaubans Zeit zwischen 700 und -1000 Schritt) errichtet
werden konnten und zwar bestimmte sie dieser Umstand zu der Rolle, den Zer¬
störungsact der Belagerung einzuleiten.

Hätte die Vertheidigung, gegenüber den die Walllinie der Länge nach
bestrcichenden Nicochetbatterien auf jede Gegenmaßregel verzichtet, so würden
die behufs des frontalen Widerstandes entwickelten Geschütze wenige Stunden,
nachdem der Angriff sein Feuer eröffnet, zertrümmert worden sein, wie denn
dies auch thatsächlich bei den ersten Plätzen, gegen welche Vauban sein neues


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[0351] schein ist eine rothe Lampe und die Göttin, die in der Mitte sitzt, eine aus¬ gestopfte Figur, deren Inneres mit Werther, Siegewart und andern Empfind¬ samkeiten gefüllt ist. Der Garten der Poesie ist ebenso philisterhaft eingerichtet, als die profane Gesellschaft, gegen die er sich abschließt und sein Inhalt, seine Interessen sind noch viel leerer und gemachter, als die Interessen, deren er spottet. Jeder Idealismus, der sich von den allgemeinen Interessen trennt, führt zur Coterie, und die schlechteste Art der Coterie entsteht, wenn die sogenannten schönen Seelen sich von der Welt isoliren und sich mit ihren Inspirationen und Weis¬ sagungen nur aufeinander beziehen. Zuletzt merkt der Dichter selbst, daß es mit dieser poetischen Welt auch nicht viel auf sich hat, er läßt sie also gleichfalls fallen und es bleibt eine ziemlich unbehagliche Weltironie übrig, die allen Gegenstand verloren hat. Vom modernen Festungsbau und Belagmmgskrieg. 5.' ' Was das Verdienst Vaubans ausmacht und seinen Ruf begründet hat, ist nicht nur die Ausbildung des bastionären Befestigungssystems zu einem für die betreffende Zeit hohen Grade von Vollkommenheit, sondern zugleich die Angabe des entscheidendsten Mittels für den Angreifer, um die Artillerie der Festung zu vernichten. Er war der erste, welcher zu dem Schluß gelangte, daß eine auf dem Wallgange einer Festung entwickelte Geschützmasse, außer von der Fronte her, inmittelst sicherer Zielschüsse durch die Scharten (Demontirfeuer) noch in andrer Weise, nämlich vermöge des Bogenschusses von einem in der Verlängerung der Aufstellungslinie gelegenem Punkte aus (Ricochetfeuer) zer¬ stört werden könne. Diese hochwichtige Entdeckung that der Widerstandsfähig¬ keit der Festungen einen weit entschiedeneren Abbruch, als alle spätern Er¬ findungen im Artilleriewesen im Stande gewesen sind. Es war dabei von sehr entscheidender Bedeutung, daß die Nicochetbatterien bereits auf weite Ent¬ fernung (schon zu Vaubans Zeit zwischen 700 und -1000 Schritt) errichtet werden konnten und zwar bestimmte sie dieser Umstand zu der Rolle, den Zer¬ störungsact der Belagerung einzuleiten. Hätte die Vertheidigung, gegenüber den die Walllinie der Länge nach bestrcichenden Nicochetbatterien auf jede Gegenmaßregel verzichtet, so würden die behufs des frontalen Widerstandes entwickelten Geschütze wenige Stunden, nachdem der Angriff sein Feuer eröffnet, zertrümmert worden sein, wie denn dies auch thatsächlich bei den ersten Plätzen, gegen welche Vauban sein neues

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/351>, abgerufen am 19.04.2024.