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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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solchen Darlegungen in Anspruch genommen wird, besteht darin, theoretische
Irrthümer oder verkehrte Auffassungen der Sachlage zu berichtigen, um mit
einem brauchbareren Material ein eignes Gebäude auszuführen. Die aller-
schwicrigste Aufgabe bleibt es aber endlich noch, die Thatsachen wirklich zu
verstehen, d. h. von ihrer Oberfläche auf die tiefern Ursachen und deren Zu¬
sammenhang mit andern Verhältnissen oder Thatsachen eingehen zu können.

Bei einer solchen Ueberfülle des Stoffs und einer solchen Mannigfaltig¬
keit der Gesichtspunkte wird man es begreiflich finden, wenn wir hier eine
ganze Reihe von Fragen gar nicht, andere nur sehr gedrängt behandeln, und
wenn wir hier und da unsere Ansichten über Einzelnes mehr andeuten als
ausführen. Dabei wollen wir es denn gar nicht verhehlen, das; wenigstens
in einigen Beziehungen die Arbeit dadurch sehr erleichtert wird, daß wir für
ein Publicum schreiben, welchem zum großen Theil die Feinheiten, aber auch
die unglaublichen Verwirrungen der Theorie unbekannt, oder nur dem Hören¬
sagen nach bekannt sind. Man ist auf dem Gebiete der Nationalökonomie
immer rascher dabei gewesen, aus halbwegs beobachteten Thatsachen ganze
Resultate zu ziehen, und das Uebrige in das Procrustesbett der gefundenen
Lehre einzuzwängen, als den Zusammenhang sämmtlicher Thatsachen sich zu
vergegenwärtigen, und aus dieser einen allgcmeingiltigen Schluß zu gewin¬
nen. Auf der andern Seite haben die Herren Praktiker nicht selten darin ge¬
fehlt, daß sie scheinbar gleiche, aber in Wirklichkeit verschiedene Dinge zu¬
sammengeworfen, und nun von dem einen auf das andere losezperimentirt
haben, und nirgend mehr als grade im Geld- und im Bankwesen. Da
werden allgemein die Vortheile von Banken gerühmt und deren Nachtheile
gescholten, und doch sind sie nur unter ganz bestimmten äußern Veranlassun¬
gen aufgetreten, da wird blos aus den Resultaten für oder gegen die Ein-
lösbarkeit von Banknoten gesprochen, während in jedem Falle doch ganz be¬
stimmte Veranlassungen mitwirkten, und da ist man vor allen Dingen gleich
bereit, jedem irgendwo augenblickliche Vortheile erzielenden Unternehmen den
reichlichsten, bis zu Nachahmungen sich versteigenden Beifall zu zollen, ohne
sich vorher die besondern Umstände der ersten Erscheinung zu vergegen¬
wärtigen. Das ist denn auch in den letzten Jahren im reichlichsten Maße
geschehen, und hat theilweise sogar zur Krifisvcrwirrung beigetragen.

Doch wir wollen zur Sache selbst übergehen, und unter den vielen sich
darbietenden Gesichtspunkten, die auch historisch den Reigen eröffnende That¬
sache der G videret eckungen herauswählen. Wir sind indeß nicht im
Stande, die so vielfach behauptete Annahme von der Entwerthung des Geldes
im Allgemeinen und des Goldes im Besondern und deren Rückwirkung aus
die Preise nachzuschreiben; im Gegentheil, wir halten diese ganze Behauptung
für irrig, und möchten sogar diesem Irrthum, weil er ziemlich allgemein vor-


solchen Darlegungen in Anspruch genommen wird, besteht darin, theoretische
Irrthümer oder verkehrte Auffassungen der Sachlage zu berichtigen, um mit
einem brauchbareren Material ein eignes Gebäude auszuführen. Die aller-
schwicrigste Aufgabe bleibt es aber endlich noch, die Thatsachen wirklich zu
verstehen, d. h. von ihrer Oberfläche auf die tiefern Ursachen und deren Zu¬
sammenhang mit andern Verhältnissen oder Thatsachen eingehen zu können.

Bei einer solchen Ueberfülle des Stoffs und einer solchen Mannigfaltig¬
keit der Gesichtspunkte wird man es begreiflich finden, wenn wir hier eine
ganze Reihe von Fragen gar nicht, andere nur sehr gedrängt behandeln, und
wenn wir hier und da unsere Ansichten über Einzelnes mehr andeuten als
ausführen. Dabei wollen wir es denn gar nicht verhehlen, das; wenigstens
in einigen Beziehungen die Arbeit dadurch sehr erleichtert wird, daß wir für
ein Publicum schreiben, welchem zum großen Theil die Feinheiten, aber auch
die unglaublichen Verwirrungen der Theorie unbekannt, oder nur dem Hören¬
sagen nach bekannt sind. Man ist auf dem Gebiete der Nationalökonomie
immer rascher dabei gewesen, aus halbwegs beobachteten Thatsachen ganze
Resultate zu ziehen, und das Uebrige in das Procrustesbett der gefundenen
Lehre einzuzwängen, als den Zusammenhang sämmtlicher Thatsachen sich zu
vergegenwärtigen, und aus dieser einen allgcmeingiltigen Schluß zu gewin¬
nen. Auf der andern Seite haben die Herren Praktiker nicht selten darin ge¬
fehlt, daß sie scheinbar gleiche, aber in Wirklichkeit verschiedene Dinge zu¬
sammengeworfen, und nun von dem einen auf das andere losezperimentirt
haben, und nirgend mehr als grade im Geld- und im Bankwesen. Da
werden allgemein die Vortheile von Banken gerühmt und deren Nachtheile
gescholten, und doch sind sie nur unter ganz bestimmten äußern Veranlassun¬
gen aufgetreten, da wird blos aus den Resultaten für oder gegen die Ein-
lösbarkeit von Banknoten gesprochen, während in jedem Falle doch ganz be¬
stimmte Veranlassungen mitwirkten, und da ist man vor allen Dingen gleich
bereit, jedem irgendwo augenblickliche Vortheile erzielenden Unternehmen den
reichlichsten, bis zu Nachahmungen sich versteigenden Beifall zu zollen, ohne
sich vorher die besondern Umstände der ersten Erscheinung zu vergegen¬
wärtigen. Das ist denn auch in den letzten Jahren im reichlichsten Maße
geschehen, und hat theilweise sogar zur Krifisvcrwirrung beigetragen.

Doch wir wollen zur Sache selbst übergehen, und unter den vielen sich
darbietenden Gesichtspunkten, die auch historisch den Reigen eröffnende That¬
sache der G videret eckungen herauswählen. Wir sind indeß nicht im
Stande, die so vielfach behauptete Annahme von der Entwerthung des Geldes
im Allgemeinen und des Goldes im Besondern und deren Rückwirkung aus
die Preise nachzuschreiben; im Gegentheil, wir halten diese ganze Behauptung
für irrig, und möchten sogar diesem Irrthum, weil er ziemlich allgemein vor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/10>, abgerufen am 12.10.2024.