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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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nisse unter das Decimalsystem das Gold gesetzlich zu einem etwas höhern
Werth gegen das Silber ausgeprägt worden, als sonst anderswo. So lange
nur die früher bekannten Goldzufuhren auf den europäischen Markt kamen,
sonnte wegen der Seltenheit des Goldes an eine Benutzung dieses Umstandes
nicht gedacht werden; als aber Kalifornien und Australien einmal angefan¬
gen hatten, das Füllhorn ihres Goldes über Europa auszuschütten, da be¬
gann jenes massenhafte Zuströmen des Goldes in die französischen Münzstätten,
in denen es für alle in Frankreich zu leistende Zahlungen einen hohem Werth
erhielt, als in andern Ländern. In jener Zeit fand auch zum großen Er¬
staunen der Anhänger der von uns bestrittenen Annahme ein schwaches Stei¬
gen des Goldwerthes statt.

Wenn man sich dann aber weiter auf die Vorgänge nach der Entdeckung
von Amerika beruft, wo ähnliche starke Zufuhren von edelen Metall ähnliche
starke Preiserhöhungen herbeigeführt hätten, so meinen wir, daß alle dafür
angeführten Thatsachen einer Untersuchung bedurften, welche von einer weniger
einseitigen Voraussetzung ausginge. Indem man in den Gold- und Silber-
zufuhren den Anlaß zu Preiserhöhungen sah, wollte man umgekehrt aus jeder
stärkern Preiserhöhung das Sinken im Werthe von Gold und Silber heraus¬
lesen. Vielleicht daß man sich über diesen angeblichen Zusammenhang so
lange täuschen konnte, als man nicht selbst eine Zeit steter Preiserhöhungen
und dadurch veranlaßter wirthschaftlichen Störungen durchgemacht hatte; aber
die Zeitgenossen werden nicht daran zweifeln, daß. falls eine solche wirklich
Jahrzehnte hindurch ununterbrochen stattgefunden hätte, wie doch behauptet
wird, dies mit den unverkennbarsten Zügen in die Jahrbücher der Geschichte
eingetragen wäre. Aber noch schwanken die Gelehrten im Umkreise sast eines
ganzen Jahrhunderts, um die Zeit, wo das geschehen wäre, zu fixiren, indem
jeder aus dem Staub der Archive andere auffallende Preiserhöhungen anzuführen
weiß. Wie viel andere Gründe können aber zu deren Erklärung beigebracht
werden! Dahin gehören die ganze Unsicherheit der damaligen Münzzustände und
die stets vor sich gehende Verschlechterung der Münzen, und noch mehr der
kolossale Umschwung in den gewerblichen und den Machtverhältnissen der
Staaten in jener Zeit. Die Binnenmeere, wie das mittelländische Meer und
die Ostsee verschwinden an Bedeutung, und der Welthandel geht mehr und
mehr an das nordwestliche Europa, vor allem Holland und dann England
über. Reicher an Verkehr und reicher an Consumtionsfähigkeit, mußten solche
aufblühende Gegenden zu Preiserhöhungen gelangen, während dies anderswo
nicht geschah. Und in der That finden sich aus jenen wirthschaftlich zurück¬
bleibenden Ländern Klagen über jdie an andern Orten, nicht bei sich selbst,
eingetretenen unerschwinglichen Preise. So wenig konnte von einer da¬
mals vor sich gehenden allgemeinen Preiserhöhung die Rede sein, die doch


nisse unter das Decimalsystem das Gold gesetzlich zu einem etwas höhern
Werth gegen das Silber ausgeprägt worden, als sonst anderswo. So lange
nur die früher bekannten Goldzufuhren auf den europäischen Markt kamen,
sonnte wegen der Seltenheit des Goldes an eine Benutzung dieses Umstandes
nicht gedacht werden; als aber Kalifornien und Australien einmal angefan¬
gen hatten, das Füllhorn ihres Goldes über Europa auszuschütten, da be¬
gann jenes massenhafte Zuströmen des Goldes in die französischen Münzstätten,
in denen es für alle in Frankreich zu leistende Zahlungen einen hohem Werth
erhielt, als in andern Ländern. In jener Zeit fand auch zum großen Er¬
staunen der Anhänger der von uns bestrittenen Annahme ein schwaches Stei¬
gen des Goldwerthes statt.

Wenn man sich dann aber weiter auf die Vorgänge nach der Entdeckung
von Amerika beruft, wo ähnliche starke Zufuhren von edelen Metall ähnliche
starke Preiserhöhungen herbeigeführt hätten, so meinen wir, daß alle dafür
angeführten Thatsachen einer Untersuchung bedurften, welche von einer weniger
einseitigen Voraussetzung ausginge. Indem man in den Gold- und Silber-
zufuhren den Anlaß zu Preiserhöhungen sah, wollte man umgekehrt aus jeder
stärkern Preiserhöhung das Sinken im Werthe von Gold und Silber heraus¬
lesen. Vielleicht daß man sich über diesen angeblichen Zusammenhang so
lange täuschen konnte, als man nicht selbst eine Zeit steter Preiserhöhungen
und dadurch veranlaßter wirthschaftlichen Störungen durchgemacht hatte; aber
die Zeitgenossen werden nicht daran zweifeln, daß. falls eine solche wirklich
Jahrzehnte hindurch ununterbrochen stattgefunden hätte, wie doch behauptet
wird, dies mit den unverkennbarsten Zügen in die Jahrbücher der Geschichte
eingetragen wäre. Aber noch schwanken die Gelehrten im Umkreise sast eines
ganzen Jahrhunderts, um die Zeit, wo das geschehen wäre, zu fixiren, indem
jeder aus dem Staub der Archive andere auffallende Preiserhöhungen anzuführen
weiß. Wie viel andere Gründe können aber zu deren Erklärung beigebracht
werden! Dahin gehören die ganze Unsicherheit der damaligen Münzzustände und
die stets vor sich gehende Verschlechterung der Münzen, und noch mehr der
kolossale Umschwung in den gewerblichen und den Machtverhältnissen der
Staaten in jener Zeit. Die Binnenmeere, wie das mittelländische Meer und
die Ostsee verschwinden an Bedeutung, und der Welthandel geht mehr und
mehr an das nordwestliche Europa, vor allem Holland und dann England
über. Reicher an Verkehr und reicher an Consumtionsfähigkeit, mußten solche
aufblühende Gegenden zu Preiserhöhungen gelangen, während dies anderswo
nicht geschah. Und in der That finden sich aus jenen wirthschaftlich zurück¬
bleibenden Ländern Klagen über jdie an andern Orten, nicht bei sich selbst,
eingetretenen unerschwinglichen Preise. So wenig konnte von einer da¬
mals vor sich gehenden allgemeinen Preiserhöhung die Rede sein, die doch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/12>, abgerufen am 12.10.2024.