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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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die nothwendige Folge eines wirklichen Sinkens im Werth des Metall¬
geldes wäre.

Die Leser werden uns diesen Excurs über die Vergangenheit') gewiß
nicht verargen, sobald sie nur den oben bezeichneten Einfluß auf die Entwick¬
lung der Krisis nicht vergessen, den nämlich, daß man nun die Einwirkung
der Creditverhältnisse aus die Preise und die Entwicklung des Credits selbst
ganz übersah. Es ist dies' namentlich mit ein Grund zu der Katastrophe in
Hamburg gewesen, dessen Kaufleute erst während der Krisis sahen, daß sie,
weit entfernt durch die Goldzufuhren die hohen Preise octrvyirt erhalten zu
haben, selbst eine der Hauptveranlassungen zu den letztern gewesen waren.
Wir sprachen schon oben von der Gefahr von halb beobachteten Thatsachen
und ganzen daraus gezogenen Schlußfolgerungen.

Die Goldentdeckungen haben aber jedenfalls die Folge gehabt, daß sie
dem Verkehr einen ganz neuen Ausschwung gaben. Neue Länder, neue Be¬
völkerungen, neue Geschäftszweige traten ans, und es schien manchmal, als
ob selbst das aufgefundene Gold zur Ausfüllung des neuen Verkehrs kaum
ausreichte. Wichtiger vielleicht uoch als diese materielle Folge war die aus¬
nehmende Unternehmungslust, welche sich rasch von Land zu Land verbreitete.
Der Goldgräber ist die roheste Erscheinung derselben, aber der Kaufmann,
der Fabrikant und selbst der Handwerker, welche sich drängten, um mit am
Born des reichlichsten Gewinns zu schöpfen, das waren die eigentlichen Re¬
präsentanten dieses allgemeinen Wetteifers. Nach dem Verrauchen des ersten
Fiebers würde diese ganze Richtung sich ruhig verlaufen und in gesunde Zu¬
stände sich umgewandelt haben, wären nicht andere Zeitverhältnisse dazu getreten,
freiwillige Thorheiten und unfreiwillige Nöthigungen. Die Revolution war
in den Jahren 1847 und 1850 mit dem Stichwort der Wahrung der
materiellen Interessen besiegt worden, und diese wurden denn auch so
weit auf den Thron gehoben, als Tendenzpolitik und Säbelregiment es zuließ.
Wir haben uns bei einer frühern Gelegenheit") bereits über diesen Gegen¬
stand ausführlich ausgesprochen, und schon damals nachgewiesen, wie die
Reaction außer Stande sei, ihre dahin gehenden Versprechen zu erfüllen, wie




-) Der Verfasser dieses Aufsatzes kann wol nicht ohne einige Genugthuung darauf hin.
weisen, daß er hier nicht als Prophet der Vergangenheit spricht, nicht erst durch die Belehrungen,
welche die Preisverhältnisse vor und nach der Krisis jedem Beobachter nnsdrängen, zu den
obigen Resultaten gelangt ist; er hat sie vielmehr zu einer Zeit aufgestellt, als bei Regie¬
rungen und Publicum die Annahme von den durch die Goldzusuhrcn bewirkten Preis,
erhöhungcn noch vollkommen fest stand. Wenn man dennoch hin und wieder in neuern Unter-
suchungen über die Krisis darauf zurückkommt, so wird man niemals erklären können, wie
trotz des Goldes die spätern Preisherabsetzungen stattgefunden haben, wenn man nicht bei
diesem Theil der Untersuchung den frühern Standpunkt einfach ignorirt.
-) J"> Aufsatze (No, 30 des vorigen Jahrgangs) "Der Zusammenhang des politischen
und wirthschaftlichen Lebens".

die nothwendige Folge eines wirklichen Sinkens im Werth des Metall¬
geldes wäre.

Die Leser werden uns diesen Excurs über die Vergangenheit') gewiß
nicht verargen, sobald sie nur den oben bezeichneten Einfluß auf die Entwick¬
lung der Krisis nicht vergessen, den nämlich, daß man nun die Einwirkung
der Creditverhältnisse aus die Preise und die Entwicklung des Credits selbst
ganz übersah. Es ist dies' namentlich mit ein Grund zu der Katastrophe in
Hamburg gewesen, dessen Kaufleute erst während der Krisis sahen, daß sie,
weit entfernt durch die Goldzufuhren die hohen Preise octrvyirt erhalten zu
haben, selbst eine der Hauptveranlassungen zu den letztern gewesen waren.
Wir sprachen schon oben von der Gefahr von halb beobachteten Thatsachen
und ganzen daraus gezogenen Schlußfolgerungen.

Die Goldentdeckungen haben aber jedenfalls die Folge gehabt, daß sie
dem Verkehr einen ganz neuen Ausschwung gaben. Neue Länder, neue Be¬
völkerungen, neue Geschäftszweige traten ans, und es schien manchmal, als
ob selbst das aufgefundene Gold zur Ausfüllung des neuen Verkehrs kaum
ausreichte. Wichtiger vielleicht uoch als diese materielle Folge war die aus¬
nehmende Unternehmungslust, welche sich rasch von Land zu Land verbreitete.
Der Goldgräber ist die roheste Erscheinung derselben, aber der Kaufmann,
der Fabrikant und selbst der Handwerker, welche sich drängten, um mit am
Born des reichlichsten Gewinns zu schöpfen, das waren die eigentlichen Re¬
präsentanten dieses allgemeinen Wetteifers. Nach dem Verrauchen des ersten
Fiebers würde diese ganze Richtung sich ruhig verlaufen und in gesunde Zu¬
stände sich umgewandelt haben, wären nicht andere Zeitverhältnisse dazu getreten,
freiwillige Thorheiten und unfreiwillige Nöthigungen. Die Revolution war
in den Jahren 1847 und 1850 mit dem Stichwort der Wahrung der
materiellen Interessen besiegt worden, und diese wurden denn auch so
weit auf den Thron gehoben, als Tendenzpolitik und Säbelregiment es zuließ.
Wir haben uns bei einer frühern Gelegenheit") bereits über diesen Gegen¬
stand ausführlich ausgesprochen, und schon damals nachgewiesen, wie die
Reaction außer Stande sei, ihre dahin gehenden Versprechen zu erfüllen, wie




-) Der Verfasser dieses Aufsatzes kann wol nicht ohne einige Genugthuung darauf hin.
weisen, daß er hier nicht als Prophet der Vergangenheit spricht, nicht erst durch die Belehrungen,
welche die Preisverhältnisse vor und nach der Krisis jedem Beobachter nnsdrängen, zu den
obigen Resultaten gelangt ist; er hat sie vielmehr zu einer Zeit aufgestellt, als bei Regie¬
rungen und Publicum die Annahme von den durch die Goldzusuhrcn bewirkten Preis,
erhöhungcn noch vollkommen fest stand. Wenn man dennoch hin und wieder in neuern Unter-
suchungen über die Krisis darauf zurückkommt, so wird man niemals erklären können, wie
trotz des Goldes die spätern Preisherabsetzungen stattgefunden haben, wenn man nicht bei
diesem Theil der Untersuchung den frühern Standpunkt einfach ignorirt.
-) J»> Aufsatze (No, 30 des vorigen Jahrgangs) „Der Zusammenhang des politischen
und wirthschaftlichen Lebens".
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/13>, abgerufen am 12.10.2024.