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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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die gleichzeitige Einwirkung jedes commerziellen Ereignisses auf alle Märkte
gaben der Krisis eine entsprechend schnelle Entwicklung.

Wir hoffen nicht dem Mißverständniß ausgesetzt zu sein, als wären wir
Gegner der neueren Verkehrsmittel; selbst wenn alles Gesagte für alle Zeit
unvermeidlich wäre, blieben auf der andern Seite noch überwiegende Vor¬
theile; allein mit Dampf und Elektricität geht es wie nur allem, dessen
der Mensch sich zur Erreichung seiner Zwecke bedient; sie sind dem Mißbrauch
und der verkehrten Anwendung ausgesetzt, und in den ihrem Gebrauch zu¬
nächst liegenden Zeiten noch am meisten. Zeit und Erfahrung müssen das
Ihrige erst gethan haben, damit solche Fehler sich nicht wiederholen, und Er¬
fahrungen haben die großen Speculanten in letzterer Zeit genug gemacht,
wenn sie nur daraus lernen wollten -- wir fürchten indeß, es wird dazu
noch einiger Wiederholungen der Schläge bedürfen.

Man wird uns vielleicht fragen, woher es komme, daß die von der
großen Speculation begangenen Irrthümer nicht durch die rechte Einsicht und
das rechte Handeln der minder wichtigen und jedenfalls dein kleinen Verkehr
näher stehenden kleinern Kaufleute gehindert oder mindestens abgeschwächt
seien. Und da gelangen wir denn zu der eigenthümlichen Wahrnehmung,
daß es im kaufmännischen Leben grade so geht, wie in andern weniger oder
gar nicht rechnenden Kreisen. Das Speculationsfieber scheint dieselbe
Ansteckungsfähigteit zu haben, wie religiöse oder politische Ueberschwenglich-
keiten. Man "glaubt" an günstige Course und steigende Tendenzen für
Waaren, wie an eine religiöse Offenbarung oder an eine politische Doctrin,
und wer nicht daran glaubt, will mindestens davon profitiren, hier wie dort.
Die Bedenklichen werden terrorisirt oder verlacht -- aber wie ein norddeutsches
Sprichwort sagt: "Dat Brüder gen um" (das Gerecke- iverlacht-j werden
geht um). Ohne diese Wahrnehmung im kaufmännischen Leben würde für
manche Borgänge, wie sie sich von Zeit zu Zeit in demselben wiederHolm,
der Schlüssel schien. Freilich kann man auch unter Umständen selbst gegen
sein besseres Wollen in den Zug der Zeit hineingerathen und zwar mir durch
die Verwicklung des Verkehrs; allein ist das etwa auf jenen andern bezeichne¬
ten Gebieten anders!

Der Kampf des Großhandels um Beibehaltung und Steigerung der hohen
Preise war aber nicht in seinem Endziel ein bloßes Weichen und Besiegt¬
werden; er ging weiter, entsprechend denjenigen Kräften, welche man sich dabei
gedrungen gefühlt hatte in Anwendung zu bringen. Der Kaufmann, der
eine Waare gekauft hat, sott sie auch bezahlen und nimmt er in der Regel
die dazu erforderlichen Mittel entweder aus früher gesammelten Capitalien
oder aus dem Credit. Das Erstere dürfte eigentlich nur die Ausnahme sein,
wie es denn >>, gesunden Geschäftszeiten fast nur in Veranlassung ander-


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die gleichzeitige Einwirkung jedes commerziellen Ereignisses auf alle Märkte
gaben der Krisis eine entsprechend schnelle Entwicklung.

Wir hoffen nicht dem Mißverständniß ausgesetzt zu sein, als wären wir
Gegner der neueren Verkehrsmittel; selbst wenn alles Gesagte für alle Zeit
unvermeidlich wäre, blieben auf der andern Seite noch überwiegende Vor¬
theile; allein mit Dampf und Elektricität geht es wie nur allem, dessen
der Mensch sich zur Erreichung seiner Zwecke bedient; sie sind dem Mißbrauch
und der verkehrten Anwendung ausgesetzt, und in den ihrem Gebrauch zu¬
nächst liegenden Zeiten noch am meisten. Zeit und Erfahrung müssen das
Ihrige erst gethan haben, damit solche Fehler sich nicht wiederholen, und Er¬
fahrungen haben die großen Speculanten in letzterer Zeit genug gemacht,
wenn sie nur daraus lernen wollten — wir fürchten indeß, es wird dazu
noch einiger Wiederholungen der Schläge bedürfen.

Man wird uns vielleicht fragen, woher es komme, daß die von der
großen Speculation begangenen Irrthümer nicht durch die rechte Einsicht und
das rechte Handeln der minder wichtigen und jedenfalls dein kleinen Verkehr
näher stehenden kleinern Kaufleute gehindert oder mindestens abgeschwächt
seien. Und da gelangen wir denn zu der eigenthümlichen Wahrnehmung,
daß es im kaufmännischen Leben grade so geht, wie in andern weniger oder
gar nicht rechnenden Kreisen. Das Speculationsfieber scheint dieselbe
Ansteckungsfähigteit zu haben, wie religiöse oder politische Ueberschwenglich-
keiten. Man „glaubt" an günstige Course und steigende Tendenzen für
Waaren, wie an eine religiöse Offenbarung oder an eine politische Doctrin,
und wer nicht daran glaubt, will mindestens davon profitiren, hier wie dort.
Die Bedenklichen werden terrorisirt oder verlacht — aber wie ein norddeutsches
Sprichwort sagt: „Dat Brüder gen um" (das Gerecke- iverlacht-j werden
geht um). Ohne diese Wahrnehmung im kaufmännischen Leben würde für
manche Borgänge, wie sie sich von Zeit zu Zeit in demselben wiederHolm,
der Schlüssel schien. Freilich kann man auch unter Umständen selbst gegen
sein besseres Wollen in den Zug der Zeit hineingerathen und zwar mir durch
die Verwicklung des Verkehrs; allein ist das etwa auf jenen andern bezeichne¬
ten Gebieten anders!

Der Kampf des Großhandels um Beibehaltung und Steigerung der hohen
Preise war aber nicht in seinem Endziel ein bloßes Weichen und Besiegt¬
werden; er ging weiter, entsprechend denjenigen Kräften, welche man sich dabei
gedrungen gefühlt hatte in Anwendung zu bringen. Der Kaufmann, der
eine Waare gekauft hat, sott sie auch bezahlen und nimmt er in der Regel
die dazu erforderlichen Mittel entweder aus früher gesammelten Capitalien
oder aus dem Credit. Das Erstere dürfte eigentlich nur die Ausnahme sein,
wie es denn >>, gesunden Geschäftszeiten fast nur in Veranlassung ander-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/17>, abgerufen am 12.10.2024.