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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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u>n wie Schiller mehr und mehr sich antiken Kunsisormen zuzuwenden, ohne
deshalb jemals das Streben nach der Wahrheit und Energie des Ausdrucks
aufzugeben, der alles andere, selbst die Schönheit aufgeopfert wird.

Ist Cornelius der Ausdruck der Befreiung des Deutschthums. so stellt
dagegen Overbek die religiöse und politische Reaction der Romantiker, deren
Schule er durchaus angehört, vollständig dar, und zwar mit weit mehr Talent,
als die Schriftsteller dieser Partei, obgleich er das gemachte reflectirte Wesen
jener auch nie ganz los wird. Sein Genie lehrte ihn wie Heß, Bens,
Führich u. a.,was die romantischen Schriftsteller nicht vermocht haben, wahr
und edel empfundene Gestalten zu bilden. Es nimmt sich ihre etwas gesucht
schlichte Frömmigkeit neben der geheuchelter Extase in den Figuren der Zopf¬
maler immer noch aus wie die lautere reine Natur, sie sind, so eng und küm¬
merlich uns die Welt vorkommt, in die sie uns führen, doch nach jenen ein
ungeheurer Fortschritt zur Wahrheit und Wirklichkeit. Sämmtliche Regenera¬
toren unsrer Kunst dieser Periode gingen zu Anfang des Jahrhunderts nach
Italien und bildeten dort ihre vorher den altdeutschen Malern entnommenen
Formen um, um sich die Formengebung der classischen Zeit anzueignen. Damit
gaben sie in der Hauptsache ihre Unmittelbarkeit und Frische auf, sie wurden
Classicisten. ein verhängnisvoller Schritt für die Meister wie für die Schule.
Um die Mitte der dreißiger Jahre hatte indeß die neue Richtung, und sicher¬
lich mit Recht, die unbestrittene Herrschaft in Deutschland errungen, 'sie hatte
alle Akademien besetzt, ja selbst die zweite Generatio!, derselben mit Kaulbach,
Schwind, Genelli, Schmorr, Steinla, Daegen, Schraudolph u. f. w. u. f. w. kam
bereits zu hoher Geltung. Die drei ersten gewiß mit vollkommenem Recht. Der
vielseitigste von ihnen allen. Kaulbach, repräsentirt uns den ganzen politisch-
philosophischen Idealismus der Periode von 30--48, sein, wenn auch reflcctir-
ter und gemachter, immer aber edler und großartiger Schwung, und die Ironie,
der Skepticismus, der alles wieder zerstört, sind echte Kinder dieser vielfach so
unwahren, wenn auch glänzend begabten Zeit, der Reineke und Heines Winter-
mährchen sind durchaus derselben Quelle entsprossen. Daß er der Repräsentant
dieser Zeit geworden, wird ihn für alle Zeit erhalten, so groß auch die innere
Kälte ist, in der er sich zu seinen Stoffen verhält.

Dieser merkwürdige Künstler ist der eigentliche Repräsentant der zweiten
Generation der classicirenden Richtung und ihres Endes, wie Cornelius der
ihres Anfangs war. So sehr uns der Reichthum seiner Phantasie, die
ungeheure Masse seiner Schöpfungen blenden, so wenig kann man sich darüber
täuschen, daß er recht eigentlich diese Richtung zu Grabe trägt. Was allein
eine Kunst groß machen kann, der Glaube an sich, die Wärme und Begeiste¬
rung, die Liebe und der Ernst, die Cornelius in so hohem Grade hat,
fehlt ihm gänzlich. Nichtsdestoweniger. gehört manches, was er geschaffen.


u>n wie Schiller mehr und mehr sich antiken Kunsisormen zuzuwenden, ohne
deshalb jemals das Streben nach der Wahrheit und Energie des Ausdrucks
aufzugeben, der alles andere, selbst die Schönheit aufgeopfert wird.

Ist Cornelius der Ausdruck der Befreiung des Deutschthums. so stellt
dagegen Overbek die religiöse und politische Reaction der Romantiker, deren
Schule er durchaus angehört, vollständig dar, und zwar mit weit mehr Talent,
als die Schriftsteller dieser Partei, obgleich er das gemachte reflectirte Wesen
jener auch nie ganz los wird. Sein Genie lehrte ihn wie Heß, Bens,
Führich u. a.,was die romantischen Schriftsteller nicht vermocht haben, wahr
und edel empfundene Gestalten zu bilden. Es nimmt sich ihre etwas gesucht
schlichte Frömmigkeit neben der geheuchelter Extase in den Figuren der Zopf¬
maler immer noch aus wie die lautere reine Natur, sie sind, so eng und küm¬
merlich uns die Welt vorkommt, in die sie uns führen, doch nach jenen ein
ungeheurer Fortschritt zur Wahrheit und Wirklichkeit. Sämmtliche Regenera¬
toren unsrer Kunst dieser Periode gingen zu Anfang des Jahrhunderts nach
Italien und bildeten dort ihre vorher den altdeutschen Malern entnommenen
Formen um, um sich die Formengebung der classischen Zeit anzueignen. Damit
gaben sie in der Hauptsache ihre Unmittelbarkeit und Frische auf, sie wurden
Classicisten. ein verhängnisvoller Schritt für die Meister wie für die Schule.
Um die Mitte der dreißiger Jahre hatte indeß die neue Richtung, und sicher¬
lich mit Recht, die unbestrittene Herrschaft in Deutschland errungen, 'sie hatte
alle Akademien besetzt, ja selbst die zweite Generatio!, derselben mit Kaulbach,
Schwind, Genelli, Schmorr, Steinla, Daegen, Schraudolph u. f. w. u. f. w. kam
bereits zu hoher Geltung. Die drei ersten gewiß mit vollkommenem Recht. Der
vielseitigste von ihnen allen. Kaulbach, repräsentirt uns den ganzen politisch-
philosophischen Idealismus der Periode von 30—48, sein, wenn auch reflcctir-
ter und gemachter, immer aber edler und großartiger Schwung, und die Ironie,
der Skepticismus, der alles wieder zerstört, sind echte Kinder dieser vielfach so
unwahren, wenn auch glänzend begabten Zeit, der Reineke und Heines Winter-
mährchen sind durchaus derselben Quelle entsprossen. Daß er der Repräsentant
dieser Zeit geworden, wird ihn für alle Zeit erhalten, so groß auch die innere
Kälte ist, in der er sich zu seinen Stoffen verhält.

Dieser merkwürdige Künstler ist der eigentliche Repräsentant der zweiten
Generation der classicirenden Richtung und ihres Endes, wie Cornelius der
ihres Anfangs war. So sehr uns der Reichthum seiner Phantasie, die
ungeheure Masse seiner Schöpfungen blenden, so wenig kann man sich darüber
täuschen, daß er recht eigentlich diese Richtung zu Grabe trägt. Was allein
eine Kunst groß machen kann, der Glaube an sich, die Wärme und Begeiste¬
rung, die Liebe und der Ernst, die Cornelius in so hohem Grade hat,
fehlt ihm gänzlich. Nichtsdestoweniger. gehört manches, was er geschaffen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/28>, abgerufen am 12.10.2024.