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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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bald erledigt sein, da die ältere eine Arniee ohne Soldaten ist, die dermalen
selbst nicht einmal ausschließlichen officiellen Schulz, die großen Staatö-
allfträge, noch für sich hat, die sie dem wohlbegründeten Ruhme der Ver¬
gangenheit verdankte, den wir weit entfernt sind schmälern zu wollen, den wir
vielmehr als ein schönes Besitzthum der Nation betrachten, wenn wir auch
vertrauen tonnen, daß dieser Classiziömus den Bedürfnissen, dem Geschmack
und den Neigungen der Gegenwart nirgends mehr genügen kann, ihre
Denkungsart, ihre Anschauungen und Empfindungen nirgends mehr wider¬
spiegelt. Denn eine idealisirende Kunst in einer realistischen Zeit wird zu
nichts als zu officieller Lüge, wahrend sie bei ihrem Entstehen den höchsten
Beruf aller Kunst, die Seele zu erheben und zu erweitern, in ungewöhnlichem
Grade erfüllte, deun wer freute sich uicht an dem Ernst und der Größe der Eor-
nelianischen, der Innigkeit und dem Adel der Overbekschen, der Grazie der
Schwindschen Zeichnungen? Der Realismus hat bis bellte noch kein Talent von
so eminenter Stärke hervorgebracht, als es diese drei großen Künstler besitzen,
so einseitig ausgebildet ihre Werte auch sind, so sehr sie der technischen Boll-
euduug einer wirklich classischen Periode entbehren. Aber sollen wir uus nickt
freuen, daß sie uus eine" Frühling, keinen Herbst gebracht? Wenn dies im
Augenblicke die Lage der Dinge, wenn nichts gewisser ist, als daß die aus der
gegenwärtigen Revolution hervorgehende realistische Kunst bald zur vollstän¬
digen Herrschaft gelangen wird, so nehmen wir dies Factum als einen Be¬
weis von Lebenskraft unsrer Nation mit ungetheilter Freude entgegen; denn
voraussichtlich wird diese Periode uns erst zu eiuer eigentlichen classischen
verhelfen, als welche man die Cornelimiische nicht bezeichnen kann, da ihre
Stärke der Evmposition weit entfernt war, voll der Originalität der Form
oder von der Meisterschaft der Ausführung irgendwie erreicht zu werden,
vielmehr eine tiefe Kluft zwischen beiden immer bestand und sie ihre
Aufgaben stets nur auf dem Papiere des Eartons nicht aus der Lein¬
wand zu lösen verstand. Diese Schule ist den Fehler ihres Anfangs
nie los geworden neuen Inhalt in alte Formen gießen, sich nicht im
Studium der Natur, sondern im Studium anderer Kunstwerke bilden
zu wollen, Sie hat deshalb nur eiuen einzigen naiven Künstler her¬
vorgebracht, Schwind; denn Richter geholt zur größeren Hälfte schon der neuen
Zeit n". Lernen wir also immerhin erst die 'Wirklichkeit verstehen und
darstelle", so werden die Talente nicht ausbleiben, die die neuerworbene Ge-
schicklichkeit dann auch wieder zur Lösung der größten Ausgaben der Kunst
verwenden und uus eine classische Periode der Malerei schenken werden, wie
wir schon eine der Dichtkunst besitzen, deren Werten die hingehende Epoche
allerdings noch nichts von gleichem Werth entgegenzusetzen vermocht hat.

Die giößten Ausgaben der Kunst liegen für uus aber offenbar nicht da,


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bald erledigt sein, da die ältere eine Arniee ohne Soldaten ist, die dermalen
selbst nicht einmal ausschließlichen officiellen Schulz, die großen Staatö-
allfträge, noch für sich hat, die sie dem wohlbegründeten Ruhme der Ver¬
gangenheit verdankte, den wir weit entfernt sind schmälern zu wollen, den wir
vielmehr als ein schönes Besitzthum der Nation betrachten, wenn wir auch
vertrauen tonnen, daß dieser Classiziömus den Bedürfnissen, dem Geschmack
und den Neigungen der Gegenwart nirgends mehr genügen kann, ihre
Denkungsart, ihre Anschauungen und Empfindungen nirgends mehr wider¬
spiegelt. Denn eine idealisirende Kunst in einer realistischen Zeit wird zu
nichts als zu officieller Lüge, wahrend sie bei ihrem Entstehen den höchsten
Beruf aller Kunst, die Seele zu erheben und zu erweitern, in ungewöhnlichem
Grade erfüllte, deun wer freute sich uicht an dem Ernst und der Größe der Eor-
nelianischen, der Innigkeit und dem Adel der Overbekschen, der Grazie der
Schwindschen Zeichnungen? Der Realismus hat bis bellte noch kein Talent von
so eminenter Stärke hervorgebracht, als es diese drei großen Künstler besitzen,
so einseitig ausgebildet ihre Werte auch sind, so sehr sie der technischen Boll-
euduug einer wirklich classischen Periode entbehren. Aber sollen wir uus nickt
freuen, daß sie uus eine» Frühling, keinen Herbst gebracht? Wenn dies im
Augenblicke die Lage der Dinge, wenn nichts gewisser ist, als daß die aus der
gegenwärtigen Revolution hervorgehende realistische Kunst bald zur vollstän¬
digen Herrschaft gelangen wird, so nehmen wir dies Factum als einen Be¬
weis von Lebenskraft unsrer Nation mit ungetheilter Freude entgegen; denn
voraussichtlich wird diese Periode uns erst zu eiuer eigentlichen classischen
verhelfen, als welche man die Cornelimiische nicht bezeichnen kann, da ihre
Stärke der Evmposition weit entfernt war, voll der Originalität der Form
oder von der Meisterschaft der Ausführung irgendwie erreicht zu werden,
vielmehr eine tiefe Kluft zwischen beiden immer bestand und sie ihre
Aufgaben stets nur auf dem Papiere des Eartons nicht aus der Lein¬
wand zu lösen verstand. Diese Schule ist den Fehler ihres Anfangs
nie los geworden neuen Inhalt in alte Formen gießen, sich nicht im
Studium der Natur, sondern im Studium anderer Kunstwerke bilden
zu wollen, Sie hat deshalb nur eiuen einzigen naiven Künstler her¬
vorgebracht, Schwind; denn Richter geholt zur größeren Hälfte schon der neuen
Zeit n». Lernen wir also immerhin erst die 'Wirklichkeit verstehen und
darstelle«, so werden die Talente nicht ausbleiben, die die neuerworbene Ge-
schicklichkeit dann auch wieder zur Lösung der größten Ausgaben der Kunst
verwenden und uus eine classische Periode der Malerei schenken werden, wie
wir schon eine der Dichtkunst besitzen, deren Werten die hingehende Epoche
allerdings noch nichts von gleichem Werth entgegenzusetzen vermocht hat.

Die giößten Ausgaben der Kunst liegen für uus aber offenbar nicht da,


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[0033] bald erledigt sein, da die ältere eine Arniee ohne Soldaten ist, die dermalen selbst nicht einmal ausschließlichen officiellen Schulz, die großen Staatö- allfträge, noch für sich hat, die sie dem wohlbegründeten Ruhme der Ver¬ gangenheit verdankte, den wir weit entfernt sind schmälern zu wollen, den wir vielmehr als ein schönes Besitzthum der Nation betrachten, wenn wir auch vertrauen tonnen, daß dieser Classiziömus den Bedürfnissen, dem Geschmack und den Neigungen der Gegenwart nirgends mehr genügen kann, ihre Denkungsart, ihre Anschauungen und Empfindungen nirgends mehr wider¬ spiegelt. Denn eine idealisirende Kunst in einer realistischen Zeit wird zu nichts als zu officieller Lüge, wahrend sie bei ihrem Entstehen den höchsten Beruf aller Kunst, die Seele zu erheben und zu erweitern, in ungewöhnlichem Grade erfüllte, deun wer freute sich uicht an dem Ernst und der Größe der Eor- nelianischen, der Innigkeit und dem Adel der Overbekschen, der Grazie der Schwindschen Zeichnungen? Der Realismus hat bis bellte noch kein Talent von so eminenter Stärke hervorgebracht, als es diese drei großen Künstler besitzen, so einseitig ausgebildet ihre Werte auch sind, so sehr sie der technischen Boll- euduug einer wirklich classischen Periode entbehren. Aber sollen wir uus nickt freuen, daß sie uus eine» Frühling, keinen Herbst gebracht? Wenn dies im Augenblicke die Lage der Dinge, wenn nichts gewisser ist, als daß die aus der gegenwärtigen Revolution hervorgehende realistische Kunst bald zur vollstän¬ digen Herrschaft gelangen wird, so nehmen wir dies Factum als einen Be¬ weis von Lebenskraft unsrer Nation mit ungetheilter Freude entgegen; denn voraussichtlich wird diese Periode uns erst zu eiuer eigentlichen classischen verhelfen, als welche man die Cornelimiische nicht bezeichnen kann, da ihre Stärke der Evmposition weit entfernt war, voll der Originalität der Form oder von der Meisterschaft der Ausführung irgendwie erreicht zu werden, vielmehr eine tiefe Kluft zwischen beiden immer bestand und sie ihre Aufgaben stets nur auf dem Papiere des Eartons nicht aus der Lein¬ wand zu lösen verstand. Diese Schule ist den Fehler ihres Anfangs nie los geworden neuen Inhalt in alte Formen gießen, sich nicht im Studium der Natur, sondern im Studium anderer Kunstwerke bilden zu wollen, Sie hat deshalb nur eiuen einzigen naiven Künstler her¬ vorgebracht, Schwind; denn Richter geholt zur größeren Hälfte schon der neuen Zeit n». Lernen wir also immerhin erst die 'Wirklichkeit verstehen und darstelle«, so werden die Talente nicht ausbleiben, die die neuerworbene Ge- schicklichkeit dann auch wieder zur Lösung der größten Ausgaben der Kunst verwenden und uus eine classische Periode der Malerei schenken werden, wie wir schon eine der Dichtkunst besitzen, deren Werten die hingehende Epoche allerdings noch nichts von gleichem Werth entgegenzusetzen vermocht hat. Die giößten Ausgaben der Kunst liegen für uus aber offenbar nicht da, Gu'uzbote» U- IM». 4

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/33>, abgerufen am 12.10.2024.