Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.nichts. Sie lernten sich jetzt ebenso wenig als vorher kennen. Ein bräut¬ nichts. Sie lernten sich jetzt ebenso wenig als vorher kennen. Ein bräut¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0037" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186449"/> <p xml:id="ID_91" prev="#ID_90"> nichts. Sie lernten sich jetzt ebenso wenig als vorher kennen. Ein bräut¬<lb/> liches Verhältnis! gab es nicht, die Römer so wenig als die Griechen haben<lb/> einen Ausdruck wie das deutsche Braut, durch den die aus dem Mädchen¬<lb/> stand in die Ehe tretende Jungfrau in einer Art von Weihe und Verklärung<lb/> erscheint. Der Verlobte schenkte seiner zukünftigen Gattin einen eisernen Ring<lb/> ohne Stein als Pfand der Treue, erhielt aber leinen von ihr zurück. Nun<lb/> erfüllte eine heitere Geschäftigkeit das Hans der Verlobten, die Anschaffung<lb/> des hochzeitlichen Schmucks, die Ausstattung, die Auswahl, Vervollständigung<lb/> und Ausrüstung der Dienerschaft, die der jungen Frau in ihr neues Haus<lb/> folgen sollte, gab allen Hausgenossen zu schaffen und zu sorgen. Endlich kam<lb/> der Tag voll froher Schauer, Bangen und Rührung, an dem die Mutter die<lb/> Tochter zu dem bedeutungsvollsten Gange ihres Lebens schmückte. Der Haupt-<lb/> theil des Brautschmuckes war ein länglich viereckiges feuerfarbues Kopftuch,<lb/> das aus den Seiten und hinten herabfallend das Gesicht frei ließ. Zur fest¬<lb/> gesetzten Stunde (oft schon bei Tagesanbruch) füllten sich die Wohnungen bei¬<lb/> der Verlobten mit Freunden, Verwandten und Clienten. Die Thüren beider<lb/> Häuser prangten festlich mit aufgehängten Teppichen, Kränzen und grünen<lb/> Lorbeerzweigen. Auf den Straßen, durch welche der Hochzeitszug gehen sollte,<lb/> loderten Freudenfeuer (Mie bei festlichen Ereignissen in großen Häusern noch<lb/> jetzt in Rom) und die Menge drängte sich, um das Schauspiel zu sehen. In<lb/> alter Zeit war die Verlobte erst beim Aufgang des Abendsternes in das Hans<lb/> ihres Gatten geführt worden; dies war zwar längst außer Gebrauch gekom¬<lb/> men, aber noch immer leuchteten Fackeln bei der Heimführung der Braut.<lb/> Der Klang der Flöten mischte sich in den Jubel ausgelassener Gesänge. Ein<lb/> Hochzcitsschmaus im Hause des jungen Ehemanns beschloß das Fest. Den<lb/> Luxus dieser Mahlzeiten hatte August durch ein Gesetz einzuschränken gesucht:<lb/> für Hochzeit und Nachfeier sollten nicht mehr als law Scherzen (etwa<lb/> 70 Thlr.) ausgegeben werden. Die Geringfügigkeit dieser Summe machte<lb/> die Befolgung des Gesetzes von vornherein unmöglich. Die Kosten dieses<lb/> Schmauses wurden beträchtlich durch die Sitte erhöht, große Geldverlhei¬<lb/> lungen und Massenbewirthungen damit zu verbinden, und (wenigstens in<lb/> der spätern Zeit) allen Geladenen als Anerkennung der dem Hanse erwiesenen<lb/> Ehre ein Geldgeschenk zu überreichen. Unter den Briefen des Snmmachus<lb/> sind zwei Billete zur Begleitung eines Geschenkes von zwei Goldstücken an<lb/> Gäste, die bei der Hochzeit zu erscheinen verhindert waren. Paare, welche die¬<lb/> sen großen Ausgaben und rauschenden Festlichkeiten zu entgehen wünschten,<lb/> feierten ihre Vermählung in der Stille des ländlichen Aufenthalts. Sie hat¬<lb/> ten dadurch zugleich den Bortheil, den Einladungen zu Festmahlzeiten zu ent¬<lb/> gehen, mit denen die Reuvermählten unmittelbar nach der Hochzeit von all<lb/> ihren Bekannten überhäuft zu werden pflegten.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
nichts. Sie lernten sich jetzt ebenso wenig als vorher kennen. Ein bräut¬
liches Verhältnis! gab es nicht, die Römer so wenig als die Griechen haben
einen Ausdruck wie das deutsche Braut, durch den die aus dem Mädchen¬
stand in die Ehe tretende Jungfrau in einer Art von Weihe und Verklärung
erscheint. Der Verlobte schenkte seiner zukünftigen Gattin einen eisernen Ring
ohne Stein als Pfand der Treue, erhielt aber leinen von ihr zurück. Nun
erfüllte eine heitere Geschäftigkeit das Hans der Verlobten, die Anschaffung
des hochzeitlichen Schmucks, die Ausstattung, die Auswahl, Vervollständigung
und Ausrüstung der Dienerschaft, die der jungen Frau in ihr neues Haus
folgen sollte, gab allen Hausgenossen zu schaffen und zu sorgen. Endlich kam
der Tag voll froher Schauer, Bangen und Rührung, an dem die Mutter die
Tochter zu dem bedeutungsvollsten Gange ihres Lebens schmückte. Der Haupt-
theil des Brautschmuckes war ein länglich viereckiges feuerfarbues Kopftuch,
das aus den Seiten und hinten herabfallend das Gesicht frei ließ. Zur fest¬
gesetzten Stunde (oft schon bei Tagesanbruch) füllten sich die Wohnungen bei¬
der Verlobten mit Freunden, Verwandten und Clienten. Die Thüren beider
Häuser prangten festlich mit aufgehängten Teppichen, Kränzen und grünen
Lorbeerzweigen. Auf den Straßen, durch welche der Hochzeitszug gehen sollte,
loderten Freudenfeuer (Mie bei festlichen Ereignissen in großen Häusern noch
jetzt in Rom) und die Menge drängte sich, um das Schauspiel zu sehen. In
alter Zeit war die Verlobte erst beim Aufgang des Abendsternes in das Hans
ihres Gatten geführt worden; dies war zwar längst außer Gebrauch gekom¬
men, aber noch immer leuchteten Fackeln bei der Heimführung der Braut.
Der Klang der Flöten mischte sich in den Jubel ausgelassener Gesänge. Ein
Hochzcitsschmaus im Hause des jungen Ehemanns beschloß das Fest. Den
Luxus dieser Mahlzeiten hatte August durch ein Gesetz einzuschränken gesucht:
für Hochzeit und Nachfeier sollten nicht mehr als law Scherzen (etwa
70 Thlr.) ausgegeben werden. Die Geringfügigkeit dieser Summe machte
die Befolgung des Gesetzes von vornherein unmöglich. Die Kosten dieses
Schmauses wurden beträchtlich durch die Sitte erhöht, große Geldverlhei¬
lungen und Massenbewirthungen damit zu verbinden, und (wenigstens in
der spätern Zeit) allen Geladenen als Anerkennung der dem Hanse erwiesenen
Ehre ein Geldgeschenk zu überreichen. Unter den Briefen des Snmmachus
sind zwei Billete zur Begleitung eines Geschenkes von zwei Goldstücken an
Gäste, die bei der Hochzeit zu erscheinen verhindert waren. Paare, welche die¬
sen großen Ausgaben und rauschenden Festlichkeiten zu entgehen wünschten,
feierten ihre Vermählung in der Stille des ländlichen Aufenthalts. Sie hat¬
ten dadurch zugleich den Bortheil, den Einladungen zu Festmahlzeiten zu ent¬
gehen, mit denen die Reuvermählten unmittelbar nach der Hochzeit von all
ihren Bekannten überhäuft zu werden pflegten.
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