Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einer Dorfschenke bei einem einzigen Kunden manchmal in mehren hundert
Posten zu einem halben oder einem ganzen Groschen auf die Kreide nimmt.
Wird er am Ende klagbar und der Schuldner wird vor Gericht befragt, ob
er die Schuld anerkenne, so leugnet er und ist erbötig, alles zu beschwören.

Die meisten dieser Züge hat der Pole mit dem Jrländer gemein. Vor
ein paar Jahren hatte jemand in Connaught am hellen Tage und vor einer
Menge Zeugen einen Mord begangen. Ein Alibi war unter diesen Um¬
ständen nicht zu beschwören, als dem Advocaten des Verbrechers, der seinen
Clienten bereits verloren gab, ein Fuchs von einem Rechtsgelehrten ins Ohr
flüsterte: "Der baumelt am Galgen, wenn Sie nicht beweisen können,
daß er verrückt ist." -- "Ja. wahrlich verrückt, wie ein Märzhase! Durch
eine Unzahl Menschen kann ich es beweisen." -- "Hörten Sie etwa, daß
er etwas schiefes that, etwa seine Schuhe verzehrte oder so etwas?" --
"Schuhe? Ich will einen Mann stellen, der beschwören kann, daß er ein
neues Paar Holzschuhe mit Nägeln und Zubehör aufaß!" -- "Wohlan!
so lassen Sie den Zeugen los." Wirklich fand der Kennerblick des Ad-
vocaten sogleich ein passendes Subject aus der Menge der Zuhörer heraus,
das ohne alles Bedenken die Verrücktheit des Angeklagten eidlich bezeugte,
worauf die einsichtsvollen Geschworenen den Mann, der ein Paar Schuhe
mit Bändern und Sohlen aufgespeist, frei sprachen. Bei einer andern Ge¬
legenheit stellte der Richter einem Mädchen, von dem er überzeugt war, daß
es im Begriffe stand, einen Meineid zu schwören, ernstlich den Schritt vor.
den die Leichtsinnige thun wollte. ..Weißt du, mein gutes Kind, welche Fol¬
gen ein Meineid für dich haben würde?" -- "Zuverlässig, Herr, das weiß
ich recht wohl: ich würde meine Auslagen nicht bezahlt bekommen".

Interessant ist dann, was der Verfasser über die agrarischen Verhältnisse
sagt. "Häufig haben uns die Zeitungen Kunde gebracht von schauderhaften a gra-
rischen Morden, die in einigen nördlichen Districten vorkamen. Die Rotte der
"Bandmänner" war auf der Insel nie ausgestorben -, als "Wcißburschen"
(^Kitodoz^), "Vertheidiger" (vet'enäers), "Rtchtbnrschen"(KiMdo^s), Stahl¬
herzenburschen" (bcAi't ok boys), "Eichenhcrzenburschen" (Kv-rrt ot' o-rk
do^s) reicht eine Generation der "Ribbonmen" der andern die Hand, jener
verschworenen Banden gar nicht zu gedenken, welche nach den fingirten Namen
ihrer Führer (eg.xtu.ins) genannt wurden.

Alle diese Verbrüderungen und Verschwörungen hatten ihren Ursprung
nicht in politischen Beweggründen, vielmehr in den unseligen Agricultur-
vcrhältnissen. Die Pächter behaupten, den hohen Bodenzins nicht er¬
schwingen zu können; in den meisten Fällen heißt dies aber so viel
als: sie wollen und können an den Grundbesitzer gar nichts bezahlen, und
schießen ihn oder seinen Aufseher hinterrücks "nieder. Die Furcht vor den


einer Dorfschenke bei einem einzigen Kunden manchmal in mehren hundert
Posten zu einem halben oder einem ganzen Groschen auf die Kreide nimmt.
Wird er am Ende klagbar und der Schuldner wird vor Gericht befragt, ob
er die Schuld anerkenne, so leugnet er und ist erbötig, alles zu beschwören.

Die meisten dieser Züge hat der Pole mit dem Jrländer gemein. Vor
ein paar Jahren hatte jemand in Connaught am hellen Tage und vor einer
Menge Zeugen einen Mord begangen. Ein Alibi war unter diesen Um¬
ständen nicht zu beschwören, als dem Advocaten des Verbrechers, der seinen
Clienten bereits verloren gab, ein Fuchs von einem Rechtsgelehrten ins Ohr
flüsterte: „Der baumelt am Galgen, wenn Sie nicht beweisen können,
daß er verrückt ist." — „Ja. wahrlich verrückt, wie ein Märzhase! Durch
eine Unzahl Menschen kann ich es beweisen." — „Hörten Sie etwa, daß
er etwas schiefes that, etwa seine Schuhe verzehrte oder so etwas?" —
„Schuhe? Ich will einen Mann stellen, der beschwören kann, daß er ein
neues Paar Holzschuhe mit Nägeln und Zubehör aufaß!" — „Wohlan!
so lassen Sie den Zeugen los." Wirklich fand der Kennerblick des Ad-
vocaten sogleich ein passendes Subject aus der Menge der Zuhörer heraus,
das ohne alles Bedenken die Verrücktheit des Angeklagten eidlich bezeugte,
worauf die einsichtsvollen Geschworenen den Mann, der ein Paar Schuhe
mit Bändern und Sohlen aufgespeist, frei sprachen. Bei einer andern Ge¬
legenheit stellte der Richter einem Mädchen, von dem er überzeugt war, daß
es im Begriffe stand, einen Meineid zu schwören, ernstlich den Schritt vor.
den die Leichtsinnige thun wollte. ..Weißt du, mein gutes Kind, welche Fol¬
gen ein Meineid für dich haben würde?" — „Zuverlässig, Herr, das weiß
ich recht wohl: ich würde meine Auslagen nicht bezahlt bekommen".

Interessant ist dann, was der Verfasser über die agrarischen Verhältnisse
sagt. „Häufig haben uns die Zeitungen Kunde gebracht von schauderhaften a gra-
rischen Morden, die in einigen nördlichen Districten vorkamen. Die Rotte der
„Bandmänner" war auf der Insel nie ausgestorben -, als „Wcißburschen"
(^Kitodoz^), „Vertheidiger" (vet'enäers), „Rtchtbnrschen„(KiMdo^s), Stahl¬
herzenburschen" (bcAi't ok boys), „Eichenhcrzenburschen" (Kv-rrt ot' o-rk
do^s) reicht eine Generation der „Ribbonmen" der andern die Hand, jener
verschworenen Banden gar nicht zu gedenken, welche nach den fingirten Namen
ihrer Führer (eg.xtu.ins) genannt wurden.

Alle diese Verbrüderungen und Verschwörungen hatten ihren Ursprung
nicht in politischen Beweggründen, vielmehr in den unseligen Agricultur-
vcrhältnissen. Die Pächter behaupten, den hohen Bodenzins nicht er¬
schwingen zu können; in den meisten Fällen heißt dies aber so viel
als: sie wollen und können an den Grundbesitzer gar nichts bezahlen, und
schießen ihn oder seinen Aufseher hinterrücks "nieder. Die Furcht vor den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0044" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186456"/>
          <p xml:id="ID_109" prev="#ID_108"> einer Dorfschenke bei einem einzigen Kunden manchmal in mehren hundert<lb/>
Posten zu einem halben oder einem ganzen Groschen auf die Kreide nimmt.<lb/>
Wird er am Ende klagbar und der Schuldner wird vor Gericht befragt, ob<lb/>
er die Schuld anerkenne, so leugnet er und ist erbötig, alles zu beschwören.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_110"> Die meisten dieser Züge hat der Pole mit dem Jrländer gemein. Vor<lb/>
ein paar Jahren hatte jemand in Connaught am hellen Tage und vor einer<lb/>
Menge Zeugen einen Mord begangen. Ein Alibi war unter diesen Um¬<lb/>
ständen nicht zu beschwören, als dem Advocaten des Verbrechers, der seinen<lb/>
Clienten bereits verloren gab, ein Fuchs von einem Rechtsgelehrten ins Ohr<lb/>
flüsterte: &#x201E;Der baumelt am Galgen, wenn Sie nicht beweisen können,<lb/>
daß er verrückt ist." &#x2014; &#x201E;Ja. wahrlich verrückt, wie ein Märzhase! Durch<lb/>
eine Unzahl Menschen kann ich es beweisen." &#x2014; &#x201E;Hörten Sie etwa, daß<lb/>
er etwas schiefes that, etwa seine Schuhe verzehrte oder so etwas?" &#x2014;<lb/>
&#x201E;Schuhe? Ich will einen Mann stellen, der beschwören kann, daß er ein<lb/>
neues Paar Holzschuhe mit Nägeln und Zubehör aufaß!" &#x2014; &#x201E;Wohlan!<lb/>
so lassen Sie den Zeugen los." Wirklich fand der Kennerblick des Ad-<lb/>
vocaten sogleich ein passendes Subject aus der Menge der Zuhörer heraus,<lb/>
das ohne alles Bedenken die Verrücktheit des Angeklagten eidlich bezeugte,<lb/>
worauf die einsichtsvollen Geschworenen den Mann, der ein Paar Schuhe<lb/>
mit Bändern und Sohlen aufgespeist, frei sprachen. Bei einer andern Ge¬<lb/>
legenheit stellte der Richter einem Mädchen, von dem er überzeugt war, daß<lb/>
es im Begriffe stand, einen Meineid zu schwören, ernstlich den Schritt vor.<lb/>
den die Leichtsinnige thun wollte. ..Weißt du, mein gutes Kind, welche Fol¬<lb/>
gen ein Meineid für dich haben würde?" &#x2014; &#x201E;Zuverlässig, Herr, das weiß<lb/>
ich recht wohl: ich würde meine Auslagen nicht bezahlt bekommen".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_111"> Interessant ist dann, was der Verfasser über die agrarischen Verhältnisse<lb/>
sagt. &#x201E;Häufig haben uns die Zeitungen Kunde gebracht von schauderhaften a gra-<lb/>
rischen Morden, die in einigen nördlichen Districten vorkamen. Die Rotte der<lb/>
&#x201E;Bandmänner" war auf der Insel nie ausgestorben -, als &#x201E;Wcißburschen"<lb/>
(^Kitodoz^), &#x201E;Vertheidiger" (vet'enäers), &#x201E;Rtchtbnrschen&#x201E;(KiMdo^s), Stahl¬<lb/>
herzenburschen" (bcAi't ok boys), &#x201E;Eichenhcrzenburschen" (Kv-rrt ot' o-rk<lb/>
do^s) reicht eine Generation der &#x201E;Ribbonmen" der andern die Hand, jener<lb/>
verschworenen Banden gar nicht zu gedenken, welche nach den fingirten Namen<lb/>
ihrer Führer (eg.xtu.ins) genannt wurden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_112" next="#ID_113"> Alle diese Verbrüderungen und Verschwörungen hatten ihren Ursprung<lb/>
nicht in politischen Beweggründen, vielmehr in den unseligen Agricultur-<lb/>
vcrhältnissen. Die Pächter behaupten, den hohen Bodenzins nicht er¬<lb/>
schwingen zu können; in den meisten Fällen heißt dies aber so viel<lb/>
als: sie wollen und können an den Grundbesitzer gar nichts bezahlen, und<lb/>
schießen ihn oder seinen Aufseher hinterrücks "nieder.  Die Furcht vor den</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0044] einer Dorfschenke bei einem einzigen Kunden manchmal in mehren hundert Posten zu einem halben oder einem ganzen Groschen auf die Kreide nimmt. Wird er am Ende klagbar und der Schuldner wird vor Gericht befragt, ob er die Schuld anerkenne, so leugnet er und ist erbötig, alles zu beschwören. Die meisten dieser Züge hat der Pole mit dem Jrländer gemein. Vor ein paar Jahren hatte jemand in Connaught am hellen Tage und vor einer Menge Zeugen einen Mord begangen. Ein Alibi war unter diesen Um¬ ständen nicht zu beschwören, als dem Advocaten des Verbrechers, der seinen Clienten bereits verloren gab, ein Fuchs von einem Rechtsgelehrten ins Ohr flüsterte: „Der baumelt am Galgen, wenn Sie nicht beweisen können, daß er verrückt ist." — „Ja. wahrlich verrückt, wie ein Märzhase! Durch eine Unzahl Menschen kann ich es beweisen." — „Hörten Sie etwa, daß er etwas schiefes that, etwa seine Schuhe verzehrte oder so etwas?" — „Schuhe? Ich will einen Mann stellen, der beschwören kann, daß er ein neues Paar Holzschuhe mit Nägeln und Zubehör aufaß!" — „Wohlan! so lassen Sie den Zeugen los." Wirklich fand der Kennerblick des Ad- vocaten sogleich ein passendes Subject aus der Menge der Zuhörer heraus, das ohne alles Bedenken die Verrücktheit des Angeklagten eidlich bezeugte, worauf die einsichtsvollen Geschworenen den Mann, der ein Paar Schuhe mit Bändern und Sohlen aufgespeist, frei sprachen. Bei einer andern Ge¬ legenheit stellte der Richter einem Mädchen, von dem er überzeugt war, daß es im Begriffe stand, einen Meineid zu schwören, ernstlich den Schritt vor. den die Leichtsinnige thun wollte. ..Weißt du, mein gutes Kind, welche Fol¬ gen ein Meineid für dich haben würde?" — „Zuverlässig, Herr, das weiß ich recht wohl: ich würde meine Auslagen nicht bezahlt bekommen". Interessant ist dann, was der Verfasser über die agrarischen Verhältnisse sagt. „Häufig haben uns die Zeitungen Kunde gebracht von schauderhaften a gra- rischen Morden, die in einigen nördlichen Districten vorkamen. Die Rotte der „Bandmänner" war auf der Insel nie ausgestorben -, als „Wcißburschen" (^Kitodoz^), „Vertheidiger" (vet'enäers), „Rtchtbnrschen„(KiMdo^s), Stahl¬ herzenburschen" (bcAi't ok boys), „Eichenhcrzenburschen" (Kv-rrt ot' o-rk do^s) reicht eine Generation der „Ribbonmen" der andern die Hand, jener verschworenen Banden gar nicht zu gedenken, welche nach den fingirten Namen ihrer Führer (eg.xtu.ins) genannt wurden. Alle diese Verbrüderungen und Verschwörungen hatten ihren Ursprung nicht in politischen Beweggründen, vielmehr in den unseligen Agricultur- vcrhältnissen. Die Pächter behaupten, den hohen Bodenzins nicht er¬ schwingen zu können; in den meisten Fällen heißt dies aber so viel als: sie wollen und können an den Grundbesitzer gar nichts bezahlen, und schießen ihn oder seinen Aufseher hinterrücks "nieder. Die Furcht vor den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/44
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/44>, abgerufen am 12.10.2024.