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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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besitzende kann seinen Pächter nicht einmal von dieser unsinnigen Bestimmung
entbinden. In Nordirland wollte ein englischer Capitalist eine Flachs¬
spinnerei anlegen, die dem armen District reichlichen Gewinn abgeworfen
hätte. Ein Landbesitzer fand sich sofort unter sehr günstigen Bedingungen
bereit, den erforderlichen Grund und Boden an den Kapitalisten zu verpachten;
allein der Rechtsanwalt des letztern machte ihm bemerklich, daß der Grund¬
besitzer so günstige Bedingungen gar nicht bewilligen könne, und, wenn die
Mühle gebaut sei, die höchste Rente für das Landstück fordern müsse. Land
zu kaufen ist durch das Gesetz nicht blos erschwert, sondern in den meisten
Fällen gradezu unmöglich gemacht. Die Übertragung und der Verkauf von
Grundeigenthum sind solchen gesetzlichen Schwierigkeiten, Kosten und Chicanen
unterworfen, daß an Sporteln allein für ein Grundstück von 1200 Pf. Se.
200 Pf. Se., für eines von 500 Pf. 124 Pf. Se. bezahlt werden müssen. Und an
das Maß des Unsinns voll zu machen, werden die Sporteln immer größer,
je geringer der Werth des Grundstücks ist. so daß für eine Besitzung, die
250 Pf. Se. kostet, 0, für eine andere, die 230 Pf. Se. werth ist. 8, und
für die dritte, die zu 150 Pf. Se. erstanden wird. 10 Procent entrichtet
werden müssen! Bei einem Gut, das 30.000 Pf. Se. werth ist, betrage"
die Sporteln nur 3 Procent Dazu nehme man, daß das Land nicht ordent-
lich vermessen und ohne geordnete Lagerbücher ist. In der Orcina.meo Lüi-v^
und in andern Registern ist das Material so zerstreut, daß es schwer hält,
selbst mit dem Aufwand von Zeit und Geld, einen Kauf zu bewerkstelligen
so leicht es auch wäre, aus den vorhandenen Materialien ein Landkataster
zusammenzustellen.

Eine fernere Thatsache ist es, daß das irische Pachtwesen das nuper-
"mistigste ist, das man sich denken kann. In der Regel thut der Landlord
für den Pächter gar nichts; dieser ist darauf angewiesen, Wohnhaus, Stallung
und Gcheune sich selbst herzustellen, das Land einzufriedigen, und nimmt er
sonstige Verbesserungen des Pachtgutes vor, so ist er gesetzlich nicht berechtigt,
nach Ablauf der Pachtzeit dafür Entschädigung zu fordern. Ein solcher Zu¬
stand der Dinge, heillos wie er seinem Wesen nach ist. mußte in Irland
doppelt lähmend und entwürdigend wirken, weil es dem Kclteuthum von
jeher an der sittlichen Kraft gebrach, auch unter ungünstigen Verhältnissen sich
in der Weltordnung zurechtzufinden und zur freie" Menschenwürde empor zu
arbeiten.

So schwächlicher und verkehrter Sinn rächt sich früher oder später an
einem Volte. Die Pachtverhältnisse sind in Irland seit der normannische"
Eroberung auf derselben Stufe stehen geblieben, und es bildet in der That
ein interessantes Thema, England. Schottland und Irland von dieser Seite
miteinander zu vergleichen. In Schottland werden die Pachtvertrüge in der


besitzende kann seinen Pächter nicht einmal von dieser unsinnigen Bestimmung
entbinden. In Nordirland wollte ein englischer Capitalist eine Flachs¬
spinnerei anlegen, die dem armen District reichlichen Gewinn abgeworfen
hätte. Ein Landbesitzer fand sich sofort unter sehr günstigen Bedingungen
bereit, den erforderlichen Grund und Boden an den Kapitalisten zu verpachten;
allein der Rechtsanwalt des letztern machte ihm bemerklich, daß der Grund¬
besitzer so günstige Bedingungen gar nicht bewilligen könne, und, wenn die
Mühle gebaut sei, die höchste Rente für das Landstück fordern müsse. Land
zu kaufen ist durch das Gesetz nicht blos erschwert, sondern in den meisten
Fällen gradezu unmöglich gemacht. Die Übertragung und der Verkauf von
Grundeigenthum sind solchen gesetzlichen Schwierigkeiten, Kosten und Chicanen
unterworfen, daß an Sporteln allein für ein Grundstück von 1200 Pf. Se.
200 Pf. Se., für eines von 500 Pf. 124 Pf. Se. bezahlt werden müssen. Und an
das Maß des Unsinns voll zu machen, werden die Sporteln immer größer,
je geringer der Werth des Grundstücks ist. so daß für eine Besitzung, die
250 Pf. Se. kostet, 0, für eine andere, die 230 Pf. Se. werth ist. 8, und
für die dritte, die zu 150 Pf. Se. erstanden wird. 10 Procent entrichtet
werden müssen! Bei einem Gut, das 30.000 Pf. Se. werth ist, betrage»
die Sporteln nur 3 Procent Dazu nehme man, daß das Land nicht ordent-
lich vermessen und ohne geordnete Lagerbücher ist. In der Orcina.meo Lüi-v^
und in andern Registern ist das Material so zerstreut, daß es schwer hält,
selbst mit dem Aufwand von Zeit und Geld, einen Kauf zu bewerkstelligen
so leicht es auch wäre, aus den vorhandenen Materialien ein Landkataster
zusammenzustellen.

Eine fernere Thatsache ist es, daß das irische Pachtwesen das nuper-
»mistigste ist, das man sich denken kann. In der Regel thut der Landlord
für den Pächter gar nichts; dieser ist darauf angewiesen, Wohnhaus, Stallung
und Gcheune sich selbst herzustellen, das Land einzufriedigen, und nimmt er
sonstige Verbesserungen des Pachtgutes vor, so ist er gesetzlich nicht berechtigt,
nach Ablauf der Pachtzeit dafür Entschädigung zu fordern. Ein solcher Zu¬
stand der Dinge, heillos wie er seinem Wesen nach ist. mußte in Irland
doppelt lähmend und entwürdigend wirken, weil es dem Kclteuthum von
jeher an der sittlichen Kraft gebrach, auch unter ungünstigen Verhältnissen sich
in der Weltordnung zurechtzufinden und zur freie» Menschenwürde empor zu
arbeiten.

So schwächlicher und verkehrter Sinn rächt sich früher oder später an
einem Volte. Die Pachtverhältnisse sind in Irland seit der normannische»
Eroberung auf derselben Stufe stehen geblieben, und es bildet in der That
ein interessantes Thema, England. Schottland und Irland von dieser Seite
miteinander zu vergleichen. In Schottland werden die Pachtvertrüge in der


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[0047] besitzende kann seinen Pächter nicht einmal von dieser unsinnigen Bestimmung entbinden. In Nordirland wollte ein englischer Capitalist eine Flachs¬ spinnerei anlegen, die dem armen District reichlichen Gewinn abgeworfen hätte. Ein Landbesitzer fand sich sofort unter sehr günstigen Bedingungen bereit, den erforderlichen Grund und Boden an den Kapitalisten zu verpachten; allein der Rechtsanwalt des letztern machte ihm bemerklich, daß der Grund¬ besitzer so günstige Bedingungen gar nicht bewilligen könne, und, wenn die Mühle gebaut sei, die höchste Rente für das Landstück fordern müsse. Land zu kaufen ist durch das Gesetz nicht blos erschwert, sondern in den meisten Fällen gradezu unmöglich gemacht. Die Übertragung und der Verkauf von Grundeigenthum sind solchen gesetzlichen Schwierigkeiten, Kosten und Chicanen unterworfen, daß an Sporteln allein für ein Grundstück von 1200 Pf. Se. 200 Pf. Se., für eines von 500 Pf. 124 Pf. Se. bezahlt werden müssen. Und an das Maß des Unsinns voll zu machen, werden die Sporteln immer größer, je geringer der Werth des Grundstücks ist. so daß für eine Besitzung, die 250 Pf. Se. kostet, 0, für eine andere, die 230 Pf. Se. werth ist. 8, und für die dritte, die zu 150 Pf. Se. erstanden wird. 10 Procent entrichtet werden müssen! Bei einem Gut, das 30.000 Pf. Se. werth ist, betrage» die Sporteln nur 3 Procent Dazu nehme man, daß das Land nicht ordent- lich vermessen und ohne geordnete Lagerbücher ist. In der Orcina.meo Lüi-v^ und in andern Registern ist das Material so zerstreut, daß es schwer hält, selbst mit dem Aufwand von Zeit und Geld, einen Kauf zu bewerkstelligen so leicht es auch wäre, aus den vorhandenen Materialien ein Landkataster zusammenzustellen. Eine fernere Thatsache ist es, daß das irische Pachtwesen das nuper- »mistigste ist, das man sich denken kann. In der Regel thut der Landlord für den Pächter gar nichts; dieser ist darauf angewiesen, Wohnhaus, Stallung und Gcheune sich selbst herzustellen, das Land einzufriedigen, und nimmt er sonstige Verbesserungen des Pachtgutes vor, so ist er gesetzlich nicht berechtigt, nach Ablauf der Pachtzeit dafür Entschädigung zu fordern. Ein solcher Zu¬ stand der Dinge, heillos wie er seinem Wesen nach ist. mußte in Irland doppelt lähmend und entwürdigend wirken, weil es dem Kclteuthum von jeher an der sittlichen Kraft gebrach, auch unter ungünstigen Verhältnissen sich in der Weltordnung zurechtzufinden und zur freie» Menschenwürde empor zu arbeiten. So schwächlicher und verkehrter Sinn rächt sich früher oder später an einem Volte. Die Pachtverhältnisse sind in Irland seit der normannische» Eroberung auf derselben Stufe stehen geblieben, und es bildet in der That ein interessantes Thema, England. Schottland und Irland von dieser Seite miteinander zu vergleichen. In Schottland werden die Pachtvertrüge in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/47>, abgerufen am 12.10.2024.