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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Lieblingsfarbe, theils durch andere Eigenschaften unterscheiden. So nennt
man sie anders, je nachdem sie auf Felsengrund oder auf Sand oder aus
Schlamm wohnen, und so > ist die spanische Auster in rothe Schalen gekleidet,
die illyrische in braunen Panzer gehüllt und schwärzlich von Farbe am Leibe,
Und die in Paris besonders angesehene zeichnet sich durch eine grüne Farbe
aus, während ein in's ferne Morgenland verschlagner im Nöthen Meer an¬
sässig gewordener Zweig der Familie nach dortigem Landesbrauch in allen
Farbennuacen des Regenbogens prunkt. Die Beziehungen, nach denen die
Gastronomie das ihr so werthe Geschlecht eintheilt, werden später erörtert
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Die untere Schale der Auster ist concav, die obere platt. Beide werden
geöffnet und geschlossen vermittelst eines starken Muskels, der die Thür des
Hauses besser zusammenhält, wie manches künstliche Schloß., Die Außenseite
der Schale leuchtet bisweilen im Dunkeln wie mit einem Schwefelflämmchen.
was nach Aussage des Mikroskops von drei Arten kleiner Thierchen herrührt,
die sich auf ihr des Daseins freuen. Die Auster athmet ähnlich wie der
Fisch durch Kiemen, welche von dein sogenannten Mantel oder Bart umgeben
find. Letzterer besteht aus zwei Lappen, die mit kleinen häutigen Fibern aus¬
gefüllt sind, welche, in der Form von Strahlen dem Munde des Thiers zu¬
laufend, letzterem zum Erfassen und Verzehren seiner Nahrung dienen. Un¬
gleich andern Schalthieren kann die Auster sich nicht von der Stelle bewegen,
Ihre einzige Bewegung besteht darin, daß sie ihr Gehäuse öffnet und schließt,
um die Nahrung zu empfangen, die ihr die Wellen zutreiben, und die in
kleinem Seegewürm und zarten Meeralgen besteht. Der Magen der Auster
liegt nahe beim Munde. Die Kiemen, welche die Lunge ersetzen, befinden
sich in dem Mantel. Die Leber ist klein, die Galle verhältnißmäßig groß.
Das Herz hat zwei ziemlich weit von einander entfernte Kammern. Der
Puls schlägt sehr langsam.

Die Natur hat der Auster zwar keine Augen verliehen, wol aber eine
große Empfindlichkeit für den Wechsel des Lichts, und darin die Fähigkeit,
sich gegen die meisten der vielen Feinde zu schützen, die ihr nachstellen.
Sobald der Schatten eines sich nähernden Bootes auf sie fällt, schließt sie
ihre Schalen, ehe noch irgend eine Bewegung des Wassers sie erreicht haben
kann. Diese Sensitivität ist leicht zu studiren im Seewasser-Aquarium, wo
die Auster mit ihren schönen Wimpern, die bei Weitem zarter sind als die
Zartesten Spitzen am Hochzeitskleid einer Braut, stets ein Gegenstand großen
Interesses ist.

Die Auster ist ein hermaphroditisches Thier. Ihre Fortpflanzung wird
durch selbsterzeugte Eier bewirkt, die sie in Gestalt eines grünlichen milchar¬
tigen Safts in sich trägt und im Mai und Juni aus sich entläßt. Betrachtet


Lieblingsfarbe, theils durch andere Eigenschaften unterscheiden. So nennt
man sie anders, je nachdem sie auf Felsengrund oder auf Sand oder aus
Schlamm wohnen, und so > ist die spanische Auster in rothe Schalen gekleidet,
die illyrische in braunen Panzer gehüllt und schwärzlich von Farbe am Leibe,
Und die in Paris besonders angesehene zeichnet sich durch eine grüne Farbe
aus, während ein in's ferne Morgenland verschlagner im Nöthen Meer an¬
sässig gewordener Zweig der Familie nach dortigem Landesbrauch in allen
Farbennuacen des Regenbogens prunkt. Die Beziehungen, nach denen die
Gastronomie das ihr so werthe Geschlecht eintheilt, werden später erörtert
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Die untere Schale der Auster ist concav, die obere platt. Beide werden
geöffnet und geschlossen vermittelst eines starken Muskels, der die Thür des
Hauses besser zusammenhält, wie manches künstliche Schloß., Die Außenseite
der Schale leuchtet bisweilen im Dunkeln wie mit einem Schwefelflämmchen.
was nach Aussage des Mikroskops von drei Arten kleiner Thierchen herrührt,
die sich auf ihr des Daseins freuen. Die Auster athmet ähnlich wie der
Fisch durch Kiemen, welche von dein sogenannten Mantel oder Bart umgeben
find. Letzterer besteht aus zwei Lappen, die mit kleinen häutigen Fibern aus¬
gefüllt sind, welche, in der Form von Strahlen dem Munde des Thiers zu¬
laufend, letzterem zum Erfassen und Verzehren seiner Nahrung dienen. Un¬
gleich andern Schalthieren kann die Auster sich nicht von der Stelle bewegen,
Ihre einzige Bewegung besteht darin, daß sie ihr Gehäuse öffnet und schließt,
um die Nahrung zu empfangen, die ihr die Wellen zutreiben, und die in
kleinem Seegewürm und zarten Meeralgen besteht. Der Magen der Auster
liegt nahe beim Munde. Die Kiemen, welche die Lunge ersetzen, befinden
sich in dem Mantel. Die Leber ist klein, die Galle verhältnißmäßig groß.
Das Herz hat zwei ziemlich weit von einander entfernte Kammern. Der
Puls schlägt sehr langsam.

Die Natur hat der Auster zwar keine Augen verliehen, wol aber eine
große Empfindlichkeit für den Wechsel des Lichts, und darin die Fähigkeit,
sich gegen die meisten der vielen Feinde zu schützen, die ihr nachstellen.
Sobald der Schatten eines sich nähernden Bootes auf sie fällt, schließt sie
ihre Schalen, ehe noch irgend eine Bewegung des Wassers sie erreicht haben
kann. Diese Sensitivität ist leicht zu studiren im Seewasser-Aquarium, wo
die Auster mit ihren schönen Wimpern, die bei Weitem zarter sind als die
Zartesten Spitzen am Hochzeitskleid einer Braut, stets ein Gegenstand großen
Interesses ist.

Die Auster ist ein hermaphroditisches Thier. Ihre Fortpflanzung wird
durch selbsterzeugte Eier bewirkt, die sie in Gestalt eines grünlichen milchar¬
tigen Safts in sich trägt und im Mai und Juni aus sich entläßt. Betrachtet


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[0465] Lieblingsfarbe, theils durch andere Eigenschaften unterscheiden. So nennt man sie anders, je nachdem sie auf Felsengrund oder auf Sand oder aus Schlamm wohnen, und so > ist die spanische Auster in rothe Schalen gekleidet, die illyrische in braunen Panzer gehüllt und schwärzlich von Farbe am Leibe, Und die in Paris besonders angesehene zeichnet sich durch eine grüne Farbe aus, während ein in's ferne Morgenland verschlagner im Nöthen Meer an¬ sässig gewordener Zweig der Familie nach dortigem Landesbrauch in allen Farbennuacen des Regenbogens prunkt. Die Beziehungen, nach denen die Gastronomie das ihr so werthe Geschlecht eintheilt, werden später erörtert Mrden.^e "«'--l .'ii-i ".>.!....< c.«,.. . ,,>„ .'. w >:^.-.ji,^ Die untere Schale der Auster ist concav, die obere platt. Beide werden geöffnet und geschlossen vermittelst eines starken Muskels, der die Thür des Hauses besser zusammenhält, wie manches künstliche Schloß., Die Außenseite der Schale leuchtet bisweilen im Dunkeln wie mit einem Schwefelflämmchen. was nach Aussage des Mikroskops von drei Arten kleiner Thierchen herrührt, die sich auf ihr des Daseins freuen. Die Auster athmet ähnlich wie der Fisch durch Kiemen, welche von dein sogenannten Mantel oder Bart umgeben find. Letzterer besteht aus zwei Lappen, die mit kleinen häutigen Fibern aus¬ gefüllt sind, welche, in der Form von Strahlen dem Munde des Thiers zu¬ laufend, letzterem zum Erfassen und Verzehren seiner Nahrung dienen. Un¬ gleich andern Schalthieren kann die Auster sich nicht von der Stelle bewegen, Ihre einzige Bewegung besteht darin, daß sie ihr Gehäuse öffnet und schließt, um die Nahrung zu empfangen, die ihr die Wellen zutreiben, und die in kleinem Seegewürm und zarten Meeralgen besteht. Der Magen der Auster liegt nahe beim Munde. Die Kiemen, welche die Lunge ersetzen, befinden sich in dem Mantel. Die Leber ist klein, die Galle verhältnißmäßig groß. Das Herz hat zwei ziemlich weit von einander entfernte Kammern. Der Puls schlägt sehr langsam. Die Natur hat der Auster zwar keine Augen verliehen, wol aber eine große Empfindlichkeit für den Wechsel des Lichts, und darin die Fähigkeit, sich gegen die meisten der vielen Feinde zu schützen, die ihr nachstellen. Sobald der Schatten eines sich nähernden Bootes auf sie fällt, schließt sie ihre Schalen, ehe noch irgend eine Bewegung des Wassers sie erreicht haben kann. Diese Sensitivität ist leicht zu studiren im Seewasser-Aquarium, wo die Auster mit ihren schönen Wimpern, die bei Weitem zarter sind als die Zartesten Spitzen am Hochzeitskleid einer Braut, stets ein Gegenstand großen Interesses ist. Die Auster ist ein hermaphroditisches Thier. Ihre Fortpflanzung wird durch selbsterzeugte Eier bewirkt, die sie in Gestalt eines grünlichen milchar¬ tigen Safts in sich trägt und im Mai und Juni aus sich entläßt. Betrachtet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/465>, abgerufen am 19.04.2024.