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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Wasser vorhanden und die Lieblingsspeise der Auster sind. Diese Reservoirs
dienen daher nicht blos als sichere Aufbewahrungsorte, sondern überdies als
Mastställe für die Austern, und zugleich bewirken, sie, daß dieselben jenen
dumpfigen und schlammigen Geschmack verlieren, den sie unmittelbar aus der
See geholt namentlich da haben, wie sie am Ausfluß großer Flüsse angesie¬
delt sind. Der mit reinlichen Steinplatten gepflasterte Boden des Austern¬
parks ist mit feinem Sand bestreut. Auf diesen legt man die Austern so, daß
ihre platte Seite nach oben gelehnt ist, und daß sie ein wenig schräg liegen.
Das Wasser darf nicht zu rasch in die Becken einströmen, damit es nicht
Sandkörnchen in die Schalen spielt. Auch muß man sorgfältig darüber
wachen, daß keine todten Austern unter den lebenden bleiben , da sie die Ge¬
sundheit der letztern sehr beeinträchtigen würden.

Aus ihren heimathlichen Gewässer" enthoben, macht die Auster die Reise
bis zu der ersten Station des ihr beschiedenen Weges in ziemlich behaglichem
Zustand. Sie befindet sich in Gesellschaft von Verwandten und Landsleuten
auf einem ruhig dahingleitenden Fischerboot und wird während der Fahrt
von ihren Entführern auf das Aufmerksamste mit erfrischendem Seewasser
versorgt, sodaß sie, wenn das Fahrzeug endlich am Ausschiffungsplatz landet,
so munter und lebendig ist, als zu der Zeit, wo sie der Nachen des Schiffers
als Passagier an Bord nahm.

Im Hafen angekommen, wird die Auster erst inne. was für ein Elend
es ist, gefangen zu sein. In Säcke geschoben, aus Karren verladen, in Körbe
gepackt, kann sie sich glücklich preisen, wenn sich ihr in ihrer Noth eine wohl¬
wollende Hand naht und ihr ein paar Güsse Wasser spendet. Aber nur zu
oft ist diese Hand ebenso unwissend als gutherzig, nur zu oft gibt sie der
verschmachtender Creatur statt des ersehnten köstlichen nasses aus dem Meer
ein Surrogat aus Brunnenwasser und Küchensalz. Dies sollte, wo irgend
Seewasser zu haben ist, streng vermieden werden; denn es ist eine Grausam¬
keit, da es weder das Salz noch das Wasser ist, welches das Leben der
Auster erhält, sondern die Fülle von Pflanzenkeimen, die in dem Meer um-
herschwimmen, und da Küchensalz selbst die Keime der Süßwasserpflünzchen
ertödtet, die das Brunnenwasser enthält. Uebrigens hat die hülfreiche Wissen¬
schaft selbst dem Binnenland ein Mittel geboten, das Seewasser zu ersetzen,
und wir möchten dasselbe unsern Freunden und Gönnern, den Austernkeller-
Wirthen, zu unserm und ihrem eignen Besten hiermit angelegentlich ans Herz
legen. Es heißt:


"Nimm zehn Gallonen (sechzig Weinflaschen) Wasser und schütte darein
7^/2 Unzen schwefelsaure Magnesia. 2"/" Unzen schwefelsauren Kalk, 43-/" Unzen
Chlorinsodium. 6 Unzen Chlorinmagnesia. IV4 Unze Chlonnpotafsium, 21
Gran Brommagnesia und 21 Gran kohlensauren Kalk, stelle die Mischung

Wasser vorhanden und die Lieblingsspeise der Auster sind. Diese Reservoirs
dienen daher nicht blos als sichere Aufbewahrungsorte, sondern überdies als
Mastställe für die Austern, und zugleich bewirken, sie, daß dieselben jenen
dumpfigen und schlammigen Geschmack verlieren, den sie unmittelbar aus der
See geholt namentlich da haben, wie sie am Ausfluß großer Flüsse angesie¬
delt sind. Der mit reinlichen Steinplatten gepflasterte Boden des Austern¬
parks ist mit feinem Sand bestreut. Auf diesen legt man die Austern so, daß
ihre platte Seite nach oben gelehnt ist, und daß sie ein wenig schräg liegen.
Das Wasser darf nicht zu rasch in die Becken einströmen, damit es nicht
Sandkörnchen in die Schalen spielt. Auch muß man sorgfältig darüber
wachen, daß keine todten Austern unter den lebenden bleiben , da sie die Ge¬
sundheit der letztern sehr beeinträchtigen würden.

Aus ihren heimathlichen Gewässer» enthoben, macht die Auster die Reise
bis zu der ersten Station des ihr beschiedenen Weges in ziemlich behaglichem
Zustand. Sie befindet sich in Gesellschaft von Verwandten und Landsleuten
auf einem ruhig dahingleitenden Fischerboot und wird während der Fahrt
von ihren Entführern auf das Aufmerksamste mit erfrischendem Seewasser
versorgt, sodaß sie, wenn das Fahrzeug endlich am Ausschiffungsplatz landet,
so munter und lebendig ist, als zu der Zeit, wo sie der Nachen des Schiffers
als Passagier an Bord nahm.

Im Hafen angekommen, wird die Auster erst inne. was für ein Elend
es ist, gefangen zu sein. In Säcke geschoben, aus Karren verladen, in Körbe
gepackt, kann sie sich glücklich preisen, wenn sich ihr in ihrer Noth eine wohl¬
wollende Hand naht und ihr ein paar Güsse Wasser spendet. Aber nur zu
oft ist diese Hand ebenso unwissend als gutherzig, nur zu oft gibt sie der
verschmachtender Creatur statt des ersehnten köstlichen nasses aus dem Meer
ein Surrogat aus Brunnenwasser und Küchensalz. Dies sollte, wo irgend
Seewasser zu haben ist, streng vermieden werden; denn es ist eine Grausam¬
keit, da es weder das Salz noch das Wasser ist, welches das Leben der
Auster erhält, sondern die Fülle von Pflanzenkeimen, die in dem Meer um-
herschwimmen, und da Küchensalz selbst die Keime der Süßwasserpflünzchen
ertödtet, die das Brunnenwasser enthält. Uebrigens hat die hülfreiche Wissen¬
schaft selbst dem Binnenland ein Mittel geboten, das Seewasser zu ersetzen,
und wir möchten dasselbe unsern Freunden und Gönnern, den Austernkeller-
Wirthen, zu unserm und ihrem eignen Besten hiermit angelegentlich ans Herz
legen. Es heißt:


„Nimm zehn Gallonen (sechzig Weinflaschen) Wasser und schütte darein
7^/2 Unzen schwefelsaure Magnesia. 2»/» Unzen schwefelsauren Kalk, 43-/» Unzen
Chlorinsodium. 6 Unzen Chlorinmagnesia. IV4 Unze Chlonnpotafsium, 21
Gran Brommagnesia und 21 Gran kohlensauren Kalk, stelle die Mischung

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[0468] Wasser vorhanden und die Lieblingsspeise der Auster sind. Diese Reservoirs dienen daher nicht blos als sichere Aufbewahrungsorte, sondern überdies als Mastställe für die Austern, und zugleich bewirken, sie, daß dieselben jenen dumpfigen und schlammigen Geschmack verlieren, den sie unmittelbar aus der See geholt namentlich da haben, wie sie am Ausfluß großer Flüsse angesie¬ delt sind. Der mit reinlichen Steinplatten gepflasterte Boden des Austern¬ parks ist mit feinem Sand bestreut. Auf diesen legt man die Austern so, daß ihre platte Seite nach oben gelehnt ist, und daß sie ein wenig schräg liegen. Das Wasser darf nicht zu rasch in die Becken einströmen, damit es nicht Sandkörnchen in die Schalen spielt. Auch muß man sorgfältig darüber wachen, daß keine todten Austern unter den lebenden bleiben , da sie die Ge¬ sundheit der letztern sehr beeinträchtigen würden. Aus ihren heimathlichen Gewässer» enthoben, macht die Auster die Reise bis zu der ersten Station des ihr beschiedenen Weges in ziemlich behaglichem Zustand. Sie befindet sich in Gesellschaft von Verwandten und Landsleuten auf einem ruhig dahingleitenden Fischerboot und wird während der Fahrt von ihren Entführern auf das Aufmerksamste mit erfrischendem Seewasser versorgt, sodaß sie, wenn das Fahrzeug endlich am Ausschiffungsplatz landet, so munter und lebendig ist, als zu der Zeit, wo sie der Nachen des Schiffers als Passagier an Bord nahm. Im Hafen angekommen, wird die Auster erst inne. was für ein Elend es ist, gefangen zu sein. In Säcke geschoben, aus Karren verladen, in Körbe gepackt, kann sie sich glücklich preisen, wenn sich ihr in ihrer Noth eine wohl¬ wollende Hand naht und ihr ein paar Güsse Wasser spendet. Aber nur zu oft ist diese Hand ebenso unwissend als gutherzig, nur zu oft gibt sie der verschmachtender Creatur statt des ersehnten köstlichen nasses aus dem Meer ein Surrogat aus Brunnenwasser und Küchensalz. Dies sollte, wo irgend Seewasser zu haben ist, streng vermieden werden; denn es ist eine Grausam¬ keit, da es weder das Salz noch das Wasser ist, welches das Leben der Auster erhält, sondern die Fülle von Pflanzenkeimen, die in dem Meer um- herschwimmen, und da Küchensalz selbst die Keime der Süßwasserpflünzchen ertödtet, die das Brunnenwasser enthält. Uebrigens hat die hülfreiche Wissen¬ schaft selbst dem Binnenland ein Mittel geboten, das Seewasser zu ersetzen, und wir möchten dasselbe unsern Freunden und Gönnern, den Austernkeller- Wirthen, zu unserm und ihrem eignen Besten hiermit angelegentlich ans Herz legen. Es heißt: „Nimm zehn Gallonen (sechzig Weinflaschen) Wasser und schütte darein 7^/2 Unzen schwefelsaure Magnesia. 2»/» Unzen schwefelsauren Kalk, 43-/» Unzen Chlorinsodium. 6 Unzen Chlorinmagnesia. IV4 Unze Chlonnpotafsium, 21 Gran Brommagnesia und 21 Gran kohlensauren Kalk, stelle die Mischung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/468>, abgerufen am 20.04.2024.