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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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vierzehn Tage an die Sonne und laß darin einige Seewasserpflanzen von
den Arten ent<zromorphA und ulvs, keimen."

Austern in einen großen Trog gelegt und mit diesem Wasser bedeckt, er¬
halten sich, da jene Pflanzen ihnen Nahrung liefern, Monate hindurch.
Ihnen Wasser mit Salz und Hafer- oder Weizenmehl zu geben, nutzt nicht
nur nichts, sondern schadet, da das Mehl nur dazu beiträgt, das Wasser
verderben und faule" zu lassen.

Wo Austern auf der Achse versandt werden, packt man sie in Fässer, und
wo dies unmittelbar an den Austernbänken geschieht, sollte man sie nicht eher
stören, als bis sie für die Tafel gebraucht werden, da sie sich in diesem Fall
bei kühlem Wetter 8 bis 10 Tage halten. Sie sind darin so verpackt,
daß sie das Wasser nicht verschütten können, welches jede von ihnen in dem
von der Natur ihr anerschaffnen Reservoir, ihrer Schale, mit sich führt, und
bedürfen kein anderes Niaticum für die Reise. Denselben Augenblick aber,
wo die Auster in der Tonne ihre Schalen öffnet, stirbt sie; denn sie findet
in der Tonne nichts zu leben. Es ist deshalb gerathen, nach Empfang des
Fasses dasselbe sofort durch Abhebung des obern Deckels und der ersten Reifen
zu öffnen und nachdem die erste Lage von Austern herausgenommen ist, den
Deckel mit einem schweren Gewicht belastet sofort wieder fest aus den Rest
der Thiere zu drücken, damit aber jedesmal fortzufahren, wenn wieder Austern
herausgenommen sind. Dies erhält die Austern mehre Tage länger, als wenn
sie Gelegenheit finden, ihre Schalen zu öffnen.

Die chemische Analyse der Auster zeigt, daß das Thier sehr viel
Phosphorsaures Eisen, phospliorsaurcn Kalk, eine beträchtliche Quantität
Osmazon, etwas Kleber und Leim und ziemlich viel Salz enthält. Der
Saft oder das Blut derselben besteht aus ähnlichen Substanzen, aber sehr
wenig Salz, die Schale aus Salz, kohlensaurem Kalk und animalischen
Schleim sowie aus kleinen Quantitäten phosphorsaurem Kalk und Mag¬
nesia.

In dem Augenblick, wo die Auster stirbt, beginnt die animalische Ma-
terie durch Auflösung in die Elemente, aus denen sie besteht, ihre chemischen
Verwandtschaften zu zeigen, und dann ist der Genuß des Thieres stets mehr
oder minder giftig. So lange sie dagegen lebt, äußert sie den heilsamsten
Einfluß auf die Gesundheit der Menschen. Namentlich ist ihr regelmäßiger
Genuß allen denen zu empfehlen, die an der Verdauung leiden. Die einen
unter diesen Kranken sua en sich mit Pillen, andere durch Mineralwasser zu
helfen. Der Weise geht statt in die Apotheke oder in den Curort in den
Austernkeller, und die Übeln geistigen Folgen seiner körperlichen Gestörtheit
verschwinden bei beharrlichem Gebrauch des Mittels bis auf den lepten Rest.
Der sauertöpfische gallige Hypochonder wird zum heitern lebenslustigen Ge-


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vierzehn Tage an die Sonne und laß darin einige Seewasserpflanzen von
den Arten ent<zromorphA und ulvs, keimen."

Austern in einen großen Trog gelegt und mit diesem Wasser bedeckt, er¬
halten sich, da jene Pflanzen ihnen Nahrung liefern, Monate hindurch.
Ihnen Wasser mit Salz und Hafer- oder Weizenmehl zu geben, nutzt nicht
nur nichts, sondern schadet, da das Mehl nur dazu beiträgt, das Wasser
verderben und faule» zu lassen.

Wo Austern auf der Achse versandt werden, packt man sie in Fässer, und
wo dies unmittelbar an den Austernbänken geschieht, sollte man sie nicht eher
stören, als bis sie für die Tafel gebraucht werden, da sie sich in diesem Fall
bei kühlem Wetter 8 bis 10 Tage halten. Sie sind darin so verpackt,
daß sie das Wasser nicht verschütten können, welches jede von ihnen in dem
von der Natur ihr anerschaffnen Reservoir, ihrer Schale, mit sich führt, und
bedürfen kein anderes Niaticum für die Reise. Denselben Augenblick aber,
wo die Auster in der Tonne ihre Schalen öffnet, stirbt sie; denn sie findet
in der Tonne nichts zu leben. Es ist deshalb gerathen, nach Empfang des
Fasses dasselbe sofort durch Abhebung des obern Deckels und der ersten Reifen
zu öffnen und nachdem die erste Lage von Austern herausgenommen ist, den
Deckel mit einem schweren Gewicht belastet sofort wieder fest aus den Rest
der Thiere zu drücken, damit aber jedesmal fortzufahren, wenn wieder Austern
herausgenommen sind. Dies erhält die Austern mehre Tage länger, als wenn
sie Gelegenheit finden, ihre Schalen zu öffnen.

Die chemische Analyse der Auster zeigt, daß das Thier sehr viel
Phosphorsaures Eisen, phospliorsaurcn Kalk, eine beträchtliche Quantität
Osmazon, etwas Kleber und Leim und ziemlich viel Salz enthält. Der
Saft oder das Blut derselben besteht aus ähnlichen Substanzen, aber sehr
wenig Salz, die Schale aus Salz, kohlensaurem Kalk und animalischen
Schleim sowie aus kleinen Quantitäten phosphorsaurem Kalk und Mag¬
nesia.

In dem Augenblick, wo die Auster stirbt, beginnt die animalische Ma-
terie durch Auflösung in die Elemente, aus denen sie besteht, ihre chemischen
Verwandtschaften zu zeigen, und dann ist der Genuß des Thieres stets mehr
oder minder giftig. So lange sie dagegen lebt, äußert sie den heilsamsten
Einfluß auf die Gesundheit der Menschen. Namentlich ist ihr regelmäßiger
Genuß allen denen zu empfehlen, die an der Verdauung leiden. Die einen
unter diesen Kranken sua en sich mit Pillen, andere durch Mineralwasser zu
helfen. Der Weise geht statt in die Apotheke oder in den Curort in den
Austernkeller, und die Übeln geistigen Folgen seiner körperlichen Gestörtheit
verschwinden bei beharrlichem Gebrauch des Mittels bis auf den lepten Rest.
Der sauertöpfische gallige Hypochonder wird zum heitern lebenslustigen Ge-


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[0469] vierzehn Tage an die Sonne und laß darin einige Seewasserpflanzen von den Arten ent<zromorphA und ulvs, keimen." Austern in einen großen Trog gelegt und mit diesem Wasser bedeckt, er¬ halten sich, da jene Pflanzen ihnen Nahrung liefern, Monate hindurch. Ihnen Wasser mit Salz und Hafer- oder Weizenmehl zu geben, nutzt nicht nur nichts, sondern schadet, da das Mehl nur dazu beiträgt, das Wasser verderben und faule» zu lassen. Wo Austern auf der Achse versandt werden, packt man sie in Fässer, und wo dies unmittelbar an den Austernbänken geschieht, sollte man sie nicht eher stören, als bis sie für die Tafel gebraucht werden, da sie sich in diesem Fall bei kühlem Wetter 8 bis 10 Tage halten. Sie sind darin so verpackt, daß sie das Wasser nicht verschütten können, welches jede von ihnen in dem von der Natur ihr anerschaffnen Reservoir, ihrer Schale, mit sich führt, und bedürfen kein anderes Niaticum für die Reise. Denselben Augenblick aber, wo die Auster in der Tonne ihre Schalen öffnet, stirbt sie; denn sie findet in der Tonne nichts zu leben. Es ist deshalb gerathen, nach Empfang des Fasses dasselbe sofort durch Abhebung des obern Deckels und der ersten Reifen zu öffnen und nachdem die erste Lage von Austern herausgenommen ist, den Deckel mit einem schweren Gewicht belastet sofort wieder fest aus den Rest der Thiere zu drücken, damit aber jedesmal fortzufahren, wenn wieder Austern herausgenommen sind. Dies erhält die Austern mehre Tage länger, als wenn sie Gelegenheit finden, ihre Schalen zu öffnen. Die chemische Analyse der Auster zeigt, daß das Thier sehr viel Phosphorsaures Eisen, phospliorsaurcn Kalk, eine beträchtliche Quantität Osmazon, etwas Kleber und Leim und ziemlich viel Salz enthält. Der Saft oder das Blut derselben besteht aus ähnlichen Substanzen, aber sehr wenig Salz, die Schale aus Salz, kohlensaurem Kalk und animalischen Schleim sowie aus kleinen Quantitäten phosphorsaurem Kalk und Mag¬ nesia. In dem Augenblick, wo die Auster stirbt, beginnt die animalische Ma- terie durch Auflösung in die Elemente, aus denen sie besteht, ihre chemischen Verwandtschaften zu zeigen, und dann ist der Genuß des Thieres stets mehr oder minder giftig. So lange sie dagegen lebt, äußert sie den heilsamsten Einfluß auf die Gesundheit der Menschen. Namentlich ist ihr regelmäßiger Genuß allen denen zu empfehlen, die an der Verdauung leiden. Die einen unter diesen Kranken sua en sich mit Pillen, andere durch Mineralwasser zu helfen. Der Weise geht statt in die Apotheke oder in den Curort in den Austernkeller, und die Übeln geistigen Folgen seiner körperlichen Gestörtheit verschwinden bei beharrlichem Gebrauch des Mittels bis auf den lepten Rest. Der sauertöpfische gallige Hypochonder wird zum heitern lebenslustigen Ge- b8*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/469>, abgerufen am 24.04.2024.