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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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eingeleitet wird. Dabei hat es sich zugleich gezeigt, daß manche Vermögens¬
verhältnisse gar nicht so glänzend waren, als man meinte. Der Concurs von
Edmund v. Taczanowski brach schon vor der Sequestration aus, und es ist
offnes Geheimniß, daß er auch ohne den Aufstand schwerlich über dies Früh¬
jahr hinaus aus seinem Gute im pleschner Kreise geblieben wäre. Aber
40,000 Thaler Wechselschulden, verkaufte Wolle, auf dem Halm veräußerte
Ernte, kein Pfennig Geld zur Auszahlung der Johannislöhne auf einem Do-
minium, das eben erst mit einer Hypothek von einer Million Thaler belastet
worden, das überraschte.

Auch drüben, so erzählt man uns, beginnt sich da und dort Mutlosigkeit
zu zeigen, und ziemlich allgemein bei Landvolk und Gesinde Ueberdruß an
der Empörung. Der pvsenschen Zuzügler sind sie müde und schelten sie
8'miZ.!-l!g.t7, grüne Jungen. Und -dennoch gehen die Zuzüge fort; dennoch
.scheinen die durch die Verhaftungen entstandenen Lücken wieder ausgefüllt, und
weder die Strenge des Gesetzes, noch die trüben Erfahrungen, welche die frühern
Zuzügler gemacht haben -- es kümmert sich kein Mensch um sie, wenn sie noch
so elend wiederkehren, denn Dankbarkeit kennt kein Pole -- sind stark genug,
den Einfluß der Damen und der Geistlichen zu überwinden. Nur daß wir
die Angeworbenen in geistiger, sittlicher, ökonomischer Hinsicht immer weiter
unten zu suchen haben. Waffentransporte gehen die ganze Grenze lang; von
Danzig bis Polnisch-Wartenberg wurden im vorigen Monat Confiscationen ge¬
meldet; davon in Bromberg allein in der vorigen Woche vierundvierzjg Cent¬
ner. Ohs wahr ist, weiß ich nicht; hübsch erfunden gewiß, daß der Ritter¬
gutsbesitzer v. H. bei einer Anwesenheit in Bromberg von einem polnischen
Herrn ersucht worden sei, ihm mit seinem Gepäck die Mitbenutzung seines Ge¬
spanns bis Kruszwitz zu gestatten, und nachdem er dies gethan, einen Dank-
brief aus Warschau erhalten habe "für freundlich geleisteten Beistand
bei einem Wassertransport von Br. nach Kr."

Solche Scherze sind selten. Trüber Ernst häufiger. ' Bisweilen erscheint es,
als strecke die Nationalregierung ihren strafenden Arm bis zu uns; dazu kom¬
men die zahlreichen Excesse der heimgekehrten, nun hilflosen Zuzügler. Frecher
Bettel, truppweises Ziehen, hier oder da ein Ueberfall, eine Schlägerei. So
machte die fast tödtende Mißhandlung eines Juden in Drzazgewo, Kreis Schroda.
viel von sich reden, weil in ihr nur eben Excesse gipfelten, die einen Grafen
Grudzynski -- Schwager von Dzialynski -- zur Bitte um Garnison vermochten.

' An zwei Punkten ist es zu einer Berührung zwischen Polen und preußi¬
schem Militär gekommen. In dem sehr überwiegend deutschen Kreise Schubin
ist aus einem Kruge auf Soldaten geschossen worden und in Wielowies zwischen
Grabow und Ostrowo hat ein Kugelwechsel zwischen Zuzüglern und Grenzposten
stattgefunden. _,____




eingeleitet wird. Dabei hat es sich zugleich gezeigt, daß manche Vermögens¬
verhältnisse gar nicht so glänzend waren, als man meinte. Der Concurs von
Edmund v. Taczanowski brach schon vor der Sequestration aus, und es ist
offnes Geheimniß, daß er auch ohne den Aufstand schwerlich über dies Früh¬
jahr hinaus aus seinem Gute im pleschner Kreise geblieben wäre. Aber
40,000 Thaler Wechselschulden, verkaufte Wolle, auf dem Halm veräußerte
Ernte, kein Pfennig Geld zur Auszahlung der Johannislöhne auf einem Do-
minium, das eben erst mit einer Hypothek von einer Million Thaler belastet
worden, das überraschte.

Auch drüben, so erzählt man uns, beginnt sich da und dort Mutlosigkeit
zu zeigen, und ziemlich allgemein bei Landvolk und Gesinde Ueberdruß an
der Empörung. Der pvsenschen Zuzügler sind sie müde und schelten sie
8'miZ.!-l!g.t7, grüne Jungen. Und -dennoch gehen die Zuzüge fort; dennoch
.scheinen die durch die Verhaftungen entstandenen Lücken wieder ausgefüllt, und
weder die Strenge des Gesetzes, noch die trüben Erfahrungen, welche die frühern
Zuzügler gemacht haben — es kümmert sich kein Mensch um sie, wenn sie noch
so elend wiederkehren, denn Dankbarkeit kennt kein Pole — sind stark genug,
den Einfluß der Damen und der Geistlichen zu überwinden. Nur daß wir
die Angeworbenen in geistiger, sittlicher, ökonomischer Hinsicht immer weiter
unten zu suchen haben. Waffentransporte gehen die ganze Grenze lang; von
Danzig bis Polnisch-Wartenberg wurden im vorigen Monat Confiscationen ge¬
meldet; davon in Bromberg allein in der vorigen Woche vierundvierzjg Cent¬
ner. Ohs wahr ist, weiß ich nicht; hübsch erfunden gewiß, daß der Ritter¬
gutsbesitzer v. H. bei einer Anwesenheit in Bromberg von einem polnischen
Herrn ersucht worden sei, ihm mit seinem Gepäck die Mitbenutzung seines Ge¬
spanns bis Kruszwitz zu gestatten, und nachdem er dies gethan, einen Dank-
brief aus Warschau erhalten habe „für freundlich geleisteten Beistand
bei einem Wassertransport von Br. nach Kr."

Solche Scherze sind selten. Trüber Ernst häufiger. ' Bisweilen erscheint es,
als strecke die Nationalregierung ihren strafenden Arm bis zu uns; dazu kom¬
men die zahlreichen Excesse der heimgekehrten, nun hilflosen Zuzügler. Frecher
Bettel, truppweises Ziehen, hier oder da ein Ueberfall, eine Schlägerei. So
machte die fast tödtende Mißhandlung eines Juden in Drzazgewo, Kreis Schroda.
viel von sich reden, weil in ihr nur eben Excesse gipfelten, die einen Grafen
Grudzynski — Schwager von Dzialynski — zur Bitte um Garnison vermochten.

' An zwei Punkten ist es zu einer Berührung zwischen Polen und preußi¬
schem Militär gekommen. In dem sehr überwiegend deutschen Kreise Schubin
ist aus einem Kruge auf Soldaten geschossen worden und in Wielowies zwischen
Grabow und Ostrowo hat ein Kugelwechsel zwischen Zuzüglern und Grenzposten
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/114>, abgerufen am 25.04.2024.