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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

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Nordschleswigs Protestpartei.

tum Fortschritte macht. Aber eben dieser Norden, so sagen sie, ist von einem
Volke dänischer Abstammung mit dänischer Sprache bewohnt, dieser Landstrich
muß also wieder dänisch werden. Die Herren Protestler befinden sich auch da
im Irrtum. Die Bewohner Nordschleswigs sind ursprünglich nicht Dünen
gewesen, sondern Juden, und die Juten waren nicht, wie die Dänen, skandina¬
vischen, sondern, wie die Angeln und Friesen, germanischen und zwar sächsischen
Stammes. Im Laufe der Zeiten sind sie freilich so stark danisirt worden, daß auch
ihre Sprache fast zu einer dänischen Mundart geworden ist. Der Volksmund
nennt sie auch plattdänisch. Aber ein Sprachkundiger findet noch Anhalt genug,
woraus er erkennt, was sie ehemals gewesen ist. Es ist auch Thatsache, daß
die Dänen bis 1848 von der nordschleswigschcn Mundart nur verächtlich
redeten. Seitdem ist ihre Meinung in das Gegenteil umgeschlagen. Aber selbst
wenn Nordschleswig von Dänen bevölkert wäre, läge noch von dänischer Seite
kein Grund vor, die Zurückgabe des Landstriches zu fordern. Das Schleswig,
das mit Holstein ungeteilt zusammenbleiben muß, geht von der Eider bis zur
Königsau. umfaßt also Nordschleswig mit. Als aber Preußen und Österreich
im Jahre 1866 mit einander Frieden schlössen, bestimmte der § 5 des Friedens¬
vertrages, daß Nordschleswig wieder an Dänemark fallen folle, wenn die Be¬
völkerung diesen Wunsch in freier Abstimmung zu erkennen gebe. Wäre diese
Abstimmung vorgenommen worden, so wäre jetzt ohne Zweifel Nordschleswig
dänisch. Aber die Sache zog sich in die Länge, und im Jahre 1878 wurde
zwischen dem König von Preußen und dem Kaiser von Österreich die einfache
Streichung des Z 6 verabredet. Bis dahin hatte die Protestpartei in Nord¬
schleswig Berechtigung, und die Bekämpfung des Deutschtums in jenen Gegenden
hatte einen Sinn. Heute ist die Sache sinnlos; Nordschleswig ist deutsch, wird
voraussichtlich auch deutsch bleiben, und weder die dänische Agitation noch die
im dänischen Sinne geleitete Presse wird daran etwas ändern.

Trotzdem wird die Agitation nicht müde, und die in Nordschleswig er¬
scheinende Protestpresse behandelt nicht nur Dänemark als das Vaterland,
Deutschland als Ausland, sondern als das Land, von dem alles Böse kommt.
Bis vor kurzem fand Nordschleswigs Protestpartei in Dänemark eine weit¬
gehende Unterstützung. Daß Geldunterstützungen vorgekommen sind, will man
in einigen Kreisen wissen, doch fällt uns nicht ein, diese Behauptung für
Wahrheit auszugeben, noch weniger, uns dafür zu verbürgen; uns ist von einer
solchen Art der Unterstützung nichts bekannt. Wohl aber lieh ein bedeutender
Teil der dänischen Presse, liehen manche dänische Redner und Schriftsteller der
dänischen Partei in Nordschleswig ihre moralische Unterstützung. Man konnte
gut genug merken, daß einflußreiche dänische Kreise noch immer der Hoffnung
lebten, Nordschleswig werde noch einmal wieder mit Dänemark vereinigt werden.
Auch fanden nordschleswigsche Beamte und sonstige Personen, die sich durch
dänische Umtriebe in ihrer Heimat unmöglich gemacht hatten, in Dänemark


Nordschleswigs Protestpartei.

tum Fortschritte macht. Aber eben dieser Norden, so sagen sie, ist von einem
Volke dänischer Abstammung mit dänischer Sprache bewohnt, dieser Landstrich
muß also wieder dänisch werden. Die Herren Protestler befinden sich auch da
im Irrtum. Die Bewohner Nordschleswigs sind ursprünglich nicht Dünen
gewesen, sondern Juden, und die Juten waren nicht, wie die Dänen, skandina¬
vischen, sondern, wie die Angeln und Friesen, germanischen und zwar sächsischen
Stammes. Im Laufe der Zeiten sind sie freilich so stark danisirt worden, daß auch
ihre Sprache fast zu einer dänischen Mundart geworden ist. Der Volksmund
nennt sie auch plattdänisch. Aber ein Sprachkundiger findet noch Anhalt genug,
woraus er erkennt, was sie ehemals gewesen ist. Es ist auch Thatsache, daß
die Dänen bis 1848 von der nordschleswigschcn Mundart nur verächtlich
redeten. Seitdem ist ihre Meinung in das Gegenteil umgeschlagen. Aber selbst
wenn Nordschleswig von Dänen bevölkert wäre, läge noch von dänischer Seite
kein Grund vor, die Zurückgabe des Landstriches zu fordern. Das Schleswig,
das mit Holstein ungeteilt zusammenbleiben muß, geht von der Eider bis zur
Königsau. umfaßt also Nordschleswig mit. Als aber Preußen und Österreich
im Jahre 1866 mit einander Frieden schlössen, bestimmte der § 5 des Friedens¬
vertrages, daß Nordschleswig wieder an Dänemark fallen folle, wenn die Be¬
völkerung diesen Wunsch in freier Abstimmung zu erkennen gebe. Wäre diese
Abstimmung vorgenommen worden, so wäre jetzt ohne Zweifel Nordschleswig
dänisch. Aber die Sache zog sich in die Länge, und im Jahre 1878 wurde
zwischen dem König von Preußen und dem Kaiser von Österreich die einfache
Streichung des Z 6 verabredet. Bis dahin hatte die Protestpartei in Nord¬
schleswig Berechtigung, und die Bekämpfung des Deutschtums in jenen Gegenden
hatte einen Sinn. Heute ist die Sache sinnlos; Nordschleswig ist deutsch, wird
voraussichtlich auch deutsch bleiben, und weder die dänische Agitation noch die
im dänischen Sinne geleitete Presse wird daran etwas ändern.

Trotzdem wird die Agitation nicht müde, und die in Nordschleswig er¬
scheinende Protestpresse behandelt nicht nur Dänemark als das Vaterland,
Deutschland als Ausland, sondern als das Land, von dem alles Böse kommt.
Bis vor kurzem fand Nordschleswigs Protestpartei in Dänemark eine weit¬
gehende Unterstützung. Daß Geldunterstützungen vorgekommen sind, will man
in einigen Kreisen wissen, doch fällt uns nicht ein, diese Behauptung für
Wahrheit auszugeben, noch weniger, uns dafür zu verbürgen; uns ist von einer
solchen Art der Unterstützung nichts bekannt. Wohl aber lieh ein bedeutender
Teil der dänischen Presse, liehen manche dänische Redner und Schriftsteller der
dänischen Partei in Nordschleswig ihre moralische Unterstützung. Man konnte
gut genug merken, daß einflußreiche dänische Kreise noch immer der Hoffnung
lebten, Nordschleswig werde noch einmal wieder mit Dänemark vereinigt werden.
Auch fanden nordschleswigsche Beamte und sonstige Personen, die sich durch
dänische Umtriebe in ihrer Heimat unmöglich gemacht hatten, in Dänemark


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[0612] Nordschleswigs Protestpartei. tum Fortschritte macht. Aber eben dieser Norden, so sagen sie, ist von einem Volke dänischer Abstammung mit dänischer Sprache bewohnt, dieser Landstrich muß also wieder dänisch werden. Die Herren Protestler befinden sich auch da im Irrtum. Die Bewohner Nordschleswigs sind ursprünglich nicht Dünen gewesen, sondern Juden, und die Juten waren nicht, wie die Dänen, skandina¬ vischen, sondern, wie die Angeln und Friesen, germanischen und zwar sächsischen Stammes. Im Laufe der Zeiten sind sie freilich so stark danisirt worden, daß auch ihre Sprache fast zu einer dänischen Mundart geworden ist. Der Volksmund nennt sie auch plattdänisch. Aber ein Sprachkundiger findet noch Anhalt genug, woraus er erkennt, was sie ehemals gewesen ist. Es ist auch Thatsache, daß die Dänen bis 1848 von der nordschleswigschcn Mundart nur verächtlich redeten. Seitdem ist ihre Meinung in das Gegenteil umgeschlagen. Aber selbst wenn Nordschleswig von Dänen bevölkert wäre, läge noch von dänischer Seite kein Grund vor, die Zurückgabe des Landstriches zu fordern. Das Schleswig, das mit Holstein ungeteilt zusammenbleiben muß, geht von der Eider bis zur Königsau. umfaßt also Nordschleswig mit. Als aber Preußen und Österreich im Jahre 1866 mit einander Frieden schlössen, bestimmte der § 5 des Friedens¬ vertrages, daß Nordschleswig wieder an Dänemark fallen folle, wenn die Be¬ völkerung diesen Wunsch in freier Abstimmung zu erkennen gebe. Wäre diese Abstimmung vorgenommen worden, so wäre jetzt ohne Zweifel Nordschleswig dänisch. Aber die Sache zog sich in die Länge, und im Jahre 1878 wurde zwischen dem König von Preußen und dem Kaiser von Österreich die einfache Streichung des Z 6 verabredet. Bis dahin hatte die Protestpartei in Nord¬ schleswig Berechtigung, und die Bekämpfung des Deutschtums in jenen Gegenden hatte einen Sinn. Heute ist die Sache sinnlos; Nordschleswig ist deutsch, wird voraussichtlich auch deutsch bleiben, und weder die dänische Agitation noch die im dänischen Sinne geleitete Presse wird daran etwas ändern. Trotzdem wird die Agitation nicht müde, und die in Nordschleswig er¬ scheinende Protestpresse behandelt nicht nur Dänemark als das Vaterland, Deutschland als Ausland, sondern als das Land, von dem alles Böse kommt. Bis vor kurzem fand Nordschleswigs Protestpartei in Dänemark eine weit¬ gehende Unterstützung. Daß Geldunterstützungen vorgekommen sind, will man in einigen Kreisen wissen, doch fällt uns nicht ein, diese Behauptung für Wahrheit auszugeben, noch weniger, uns dafür zu verbürgen; uns ist von einer solchen Art der Unterstützung nichts bekannt. Wohl aber lieh ein bedeutender Teil der dänischen Presse, liehen manche dänische Redner und Schriftsteller der dänischen Partei in Nordschleswig ihre moralische Unterstützung. Man konnte gut genug merken, daß einflußreiche dänische Kreise noch immer der Hoffnung lebten, Nordschleswig werde noch einmal wieder mit Dänemark vereinigt werden. Auch fanden nordschleswigsche Beamte und sonstige Personen, die sich durch dänische Umtriebe in ihrer Heimat unmöglich gemacht hatten, in Dänemark

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/612>, abgerufen am 24.04.2024.