Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Nordschleswigs Protestparioi.

es ging manchem gut deutsch gesinnten Schleswig-Holstcincr zuerst nicht anders.
Das straffe preußische Wesen, die allgemeine Wehrpflicht und dergleichen Dinge
wurden als etwas Drückendes empfunden. Dazu waren die Nordschleswigcr
in den Jahren 1852 bis 1864 von den Dänen etwas verwöhnt worden, während
die dcutschgcsinntcn Südschleswiger unter einem Drucke standen, der je länger
desto härter auf ihnen lastete. Den Südschleswigeru sollten die Nordschleswigcr
ein Spiegel sein, in dem sie sehen konnten, wie gut sie es haben konnten, wenn
sie nur ihr Deutschtum fahren ließen und Dänen werden wollten. Aber wie
die übrigen Schleswig-Hvlsteincr sich in die preußische Art gefunden haben und
nun die strenge Rechtlichkeit des Beamtentums, die Gleichheit aller vor dem
Gesetz als Wohlthaten empfinden, so werden auch die Nordschleswigcr sich drein
finden und sie lieb gewinnen, wenn sie es erst einmal über ihr Herz gebracht
haben, einen Versuch zu wagen.

Worüber beklagen sich eigentlich die Herren Protestler? Nun, es giebt
mancherlei, was freilich bei Lichte besehen in nichts zusammenfällt. Daß man
den Agitatoren in und außerhalb der Presse ein wenig auf die Finger sieht
und daß die Herrn mehr, als ihnen lieb ist, mit den Gerichten zu thun habe",
ist doch lediglich ihre eigne Schuld. Welcher Hausherr wird es dulden, daß
innerhalb seiner vier Pfähle jemand sein Ansehen untergräbt? Wir glauben über¬
haupt, die Bevölkerung Norbschleswigs würde sich weit leichter in ihr Schicksal
finden, wenn den Herren Agitatoren kräftiger das Handwerk gelegt würde.
Daß unsre Regierung häufig ausgewanderte Nordschleswigcr oder nach Nord-
schleswig auf Besuch kommende Dänen in ihre Heimat abschickt, wird niemand
wundern, der weiß, daß diese harmlosen Besuche sich manchmal recht flegelhaft
aufführen und es an lärmenden Kundgebungen gegen Deutschland nicht fehlen
lassen. Auch siud manche der Herren ausgerückt, um nicht in Deutschland Soldat
werden zu müssen. Was wunder, wenn man mit solchen ungetreuen Landeskindern
kurzen Prozeß macht. Am meisten beschwert man sich über die deutsche Gerichts-,
Kirchen- und Schulsprache. Was die Gerichtssprache anlangt, so war sie für
den größten Teil Nordschleswigs bis 1840 deutsch. Erst in diesem Jahre
ordnete ein königlich dänisches Reskript an, fortan solle da, wo die Kirchen-
nnd Schulsprache dänisch sei, auch die dünische Gerichtssprache eingeführt werden.
Was aber die von den Herren Protestlern besonders angefeindete Kirchen- und
Schulsprache betrifft, so kann kein Mensch unsrer Negierung den Vorwurf zu großer
Strenge machen. Die Sache liegt vielmehr so, daß alljährlich eine nicht ge¬
ringe Anzahl von Schulgemeinden um Einführung deutscher Kirchen- und Schul¬
sprache bei der königlichen Negierung in Schleswig nachsucht. Die Negierung
läßt dann von Fall zu Fall eine Untersuchung eintreten und hat nicht selten
Gesuche abschlägig beschicken oder wenigstens das Fortbestehen des dänischen
Religionsunterrichts angeordnet, auch wenn man ihn in deutscher Sprache zu
haben wünschte. Daß der im deutschen Sinne und in deutscher Sprache erteilte '


Nordschleswigs Protestparioi.

es ging manchem gut deutsch gesinnten Schleswig-Holstcincr zuerst nicht anders.
Das straffe preußische Wesen, die allgemeine Wehrpflicht und dergleichen Dinge
wurden als etwas Drückendes empfunden. Dazu waren die Nordschleswigcr
in den Jahren 1852 bis 1864 von den Dänen etwas verwöhnt worden, während
die dcutschgcsinntcn Südschleswiger unter einem Drucke standen, der je länger
desto härter auf ihnen lastete. Den Südschleswigeru sollten die Nordschleswigcr
ein Spiegel sein, in dem sie sehen konnten, wie gut sie es haben konnten, wenn
sie nur ihr Deutschtum fahren ließen und Dänen werden wollten. Aber wie
die übrigen Schleswig-Hvlsteincr sich in die preußische Art gefunden haben und
nun die strenge Rechtlichkeit des Beamtentums, die Gleichheit aller vor dem
Gesetz als Wohlthaten empfinden, so werden auch die Nordschleswigcr sich drein
finden und sie lieb gewinnen, wenn sie es erst einmal über ihr Herz gebracht
haben, einen Versuch zu wagen.

Worüber beklagen sich eigentlich die Herren Protestler? Nun, es giebt
mancherlei, was freilich bei Lichte besehen in nichts zusammenfällt. Daß man
den Agitatoren in und außerhalb der Presse ein wenig auf die Finger sieht
und daß die Herrn mehr, als ihnen lieb ist, mit den Gerichten zu thun habe«,
ist doch lediglich ihre eigne Schuld. Welcher Hausherr wird es dulden, daß
innerhalb seiner vier Pfähle jemand sein Ansehen untergräbt? Wir glauben über¬
haupt, die Bevölkerung Norbschleswigs würde sich weit leichter in ihr Schicksal
finden, wenn den Herren Agitatoren kräftiger das Handwerk gelegt würde.
Daß unsre Regierung häufig ausgewanderte Nordschleswigcr oder nach Nord-
schleswig auf Besuch kommende Dänen in ihre Heimat abschickt, wird niemand
wundern, der weiß, daß diese harmlosen Besuche sich manchmal recht flegelhaft
aufführen und es an lärmenden Kundgebungen gegen Deutschland nicht fehlen
lassen. Auch siud manche der Herren ausgerückt, um nicht in Deutschland Soldat
werden zu müssen. Was wunder, wenn man mit solchen ungetreuen Landeskindern
kurzen Prozeß macht. Am meisten beschwert man sich über die deutsche Gerichts-,
Kirchen- und Schulsprache. Was die Gerichtssprache anlangt, so war sie für
den größten Teil Nordschleswigs bis 1840 deutsch. Erst in diesem Jahre
ordnete ein königlich dänisches Reskript an, fortan solle da, wo die Kirchen-
nnd Schulsprache dänisch sei, auch die dünische Gerichtssprache eingeführt werden.
Was aber die von den Herren Protestlern besonders angefeindete Kirchen- und
Schulsprache betrifft, so kann kein Mensch unsrer Negierung den Vorwurf zu großer
Strenge machen. Die Sache liegt vielmehr so, daß alljährlich eine nicht ge¬
ringe Anzahl von Schulgemeinden um Einführung deutscher Kirchen- und Schul¬
sprache bei der königlichen Negierung in Schleswig nachsucht. Die Negierung
läßt dann von Fall zu Fall eine Untersuchung eintreten und hat nicht selten
Gesuche abschlägig beschicken oder wenigstens das Fortbestehen des dänischen
Religionsunterrichts angeordnet, auch wenn man ihn in deutscher Sprache zu
haben wünschte. Daß der im deutschen Sinne und in deutscher Sprache erteilte '


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0614" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203391"/>
          <fw type="header" place="top"> Nordschleswigs Protestparioi.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1926" prev="#ID_1925"> es ging manchem gut deutsch gesinnten Schleswig-Holstcincr zuerst nicht anders.<lb/>
Das straffe preußische Wesen, die allgemeine Wehrpflicht und dergleichen Dinge<lb/>
wurden als etwas Drückendes empfunden. Dazu waren die Nordschleswigcr<lb/>
in den Jahren 1852 bis 1864 von den Dänen etwas verwöhnt worden, während<lb/>
die dcutschgcsinntcn Südschleswiger unter einem Drucke standen, der je länger<lb/>
desto härter auf ihnen lastete. Den Südschleswigeru sollten die Nordschleswigcr<lb/>
ein Spiegel sein, in dem sie sehen konnten, wie gut sie es haben konnten, wenn<lb/>
sie nur ihr Deutschtum fahren ließen und Dänen werden wollten. Aber wie<lb/>
die übrigen Schleswig-Hvlsteincr sich in die preußische Art gefunden haben und<lb/>
nun die strenge Rechtlichkeit des Beamtentums, die Gleichheit aller vor dem<lb/>
Gesetz als Wohlthaten empfinden, so werden auch die Nordschleswigcr sich drein<lb/>
finden und sie lieb gewinnen, wenn sie es erst einmal über ihr Herz gebracht<lb/>
haben, einen Versuch zu wagen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1927" next="#ID_1928"> Worüber beklagen sich eigentlich die Herren Protestler? Nun, es giebt<lb/>
mancherlei, was freilich bei Lichte besehen in nichts zusammenfällt. Daß man<lb/>
den Agitatoren in und außerhalb der Presse ein wenig auf die Finger sieht<lb/>
und daß die Herrn mehr, als ihnen lieb ist, mit den Gerichten zu thun habe«,<lb/>
ist doch lediglich ihre eigne Schuld. Welcher Hausherr wird es dulden, daß<lb/>
innerhalb seiner vier Pfähle jemand sein Ansehen untergräbt? Wir glauben über¬<lb/>
haupt, die Bevölkerung Norbschleswigs würde sich weit leichter in ihr Schicksal<lb/>
finden, wenn den Herren Agitatoren kräftiger das Handwerk gelegt würde.<lb/>
Daß unsre Regierung häufig ausgewanderte Nordschleswigcr oder nach Nord-<lb/>
schleswig auf Besuch kommende Dänen in ihre Heimat abschickt, wird niemand<lb/>
wundern, der weiß, daß diese harmlosen Besuche sich manchmal recht flegelhaft<lb/>
aufführen und es an lärmenden Kundgebungen gegen Deutschland nicht fehlen<lb/>
lassen. Auch siud manche der Herren ausgerückt, um nicht in Deutschland Soldat<lb/>
werden zu müssen. Was wunder, wenn man mit solchen ungetreuen Landeskindern<lb/>
kurzen Prozeß macht. Am meisten beschwert man sich über die deutsche Gerichts-,<lb/>
Kirchen- und Schulsprache. Was die Gerichtssprache anlangt, so war sie für<lb/>
den größten Teil Nordschleswigs bis 1840 deutsch. Erst in diesem Jahre<lb/>
ordnete ein königlich dänisches Reskript an, fortan solle da, wo die Kirchen-<lb/>
nnd Schulsprache dänisch sei, auch die dünische Gerichtssprache eingeführt werden.<lb/>
Was aber die von den Herren Protestlern besonders angefeindete Kirchen- und<lb/>
Schulsprache betrifft, so kann kein Mensch unsrer Negierung den Vorwurf zu großer<lb/>
Strenge machen. Die Sache liegt vielmehr so, daß alljährlich eine nicht ge¬<lb/>
ringe Anzahl von Schulgemeinden um Einführung deutscher Kirchen- und Schul¬<lb/>
sprache bei der königlichen Negierung in Schleswig nachsucht. Die Negierung<lb/>
läßt dann von Fall zu Fall eine Untersuchung eintreten und hat nicht selten<lb/>
Gesuche abschlägig beschicken oder wenigstens das Fortbestehen des dänischen<lb/>
Religionsunterrichts angeordnet, auch wenn man ihn in deutscher Sprache zu<lb/>
haben wünschte.  Daß der im deutschen Sinne und in deutscher Sprache erteilte '</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0614] Nordschleswigs Protestparioi. es ging manchem gut deutsch gesinnten Schleswig-Holstcincr zuerst nicht anders. Das straffe preußische Wesen, die allgemeine Wehrpflicht und dergleichen Dinge wurden als etwas Drückendes empfunden. Dazu waren die Nordschleswigcr in den Jahren 1852 bis 1864 von den Dänen etwas verwöhnt worden, während die dcutschgcsinntcn Südschleswiger unter einem Drucke standen, der je länger desto härter auf ihnen lastete. Den Südschleswigeru sollten die Nordschleswigcr ein Spiegel sein, in dem sie sehen konnten, wie gut sie es haben konnten, wenn sie nur ihr Deutschtum fahren ließen und Dänen werden wollten. Aber wie die übrigen Schleswig-Hvlsteincr sich in die preußische Art gefunden haben und nun die strenge Rechtlichkeit des Beamtentums, die Gleichheit aller vor dem Gesetz als Wohlthaten empfinden, so werden auch die Nordschleswigcr sich drein finden und sie lieb gewinnen, wenn sie es erst einmal über ihr Herz gebracht haben, einen Versuch zu wagen. Worüber beklagen sich eigentlich die Herren Protestler? Nun, es giebt mancherlei, was freilich bei Lichte besehen in nichts zusammenfällt. Daß man den Agitatoren in und außerhalb der Presse ein wenig auf die Finger sieht und daß die Herrn mehr, als ihnen lieb ist, mit den Gerichten zu thun habe«, ist doch lediglich ihre eigne Schuld. Welcher Hausherr wird es dulden, daß innerhalb seiner vier Pfähle jemand sein Ansehen untergräbt? Wir glauben über¬ haupt, die Bevölkerung Norbschleswigs würde sich weit leichter in ihr Schicksal finden, wenn den Herren Agitatoren kräftiger das Handwerk gelegt würde. Daß unsre Regierung häufig ausgewanderte Nordschleswigcr oder nach Nord- schleswig auf Besuch kommende Dänen in ihre Heimat abschickt, wird niemand wundern, der weiß, daß diese harmlosen Besuche sich manchmal recht flegelhaft aufführen und es an lärmenden Kundgebungen gegen Deutschland nicht fehlen lassen. Auch siud manche der Herren ausgerückt, um nicht in Deutschland Soldat werden zu müssen. Was wunder, wenn man mit solchen ungetreuen Landeskindern kurzen Prozeß macht. Am meisten beschwert man sich über die deutsche Gerichts-, Kirchen- und Schulsprache. Was die Gerichtssprache anlangt, so war sie für den größten Teil Nordschleswigs bis 1840 deutsch. Erst in diesem Jahre ordnete ein königlich dänisches Reskript an, fortan solle da, wo die Kirchen- nnd Schulsprache dänisch sei, auch die dünische Gerichtssprache eingeführt werden. Was aber die von den Herren Protestlern besonders angefeindete Kirchen- und Schulsprache betrifft, so kann kein Mensch unsrer Negierung den Vorwurf zu großer Strenge machen. Die Sache liegt vielmehr so, daß alljährlich eine nicht ge¬ ringe Anzahl von Schulgemeinden um Einführung deutscher Kirchen- und Schul¬ sprache bei der königlichen Negierung in Schleswig nachsucht. Die Negierung läßt dann von Fall zu Fall eine Untersuchung eintreten und hat nicht selten Gesuche abschlägig beschicken oder wenigstens das Fortbestehen des dänischen Religionsunterrichts angeordnet, auch wenn man ihn in deutscher Sprache zu haben wünschte. Daß der im deutschen Sinne und in deutscher Sprache erteilte '

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/614
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202776/614>, abgerufen am 25.04.2024.