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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Kritische Studien
zu Fürst Bismarcks Gedanken und Erinnerungen
Gelo Uaemmel von2. Versailles

ieses Kapitel behandelt in vier Abschnitten den Gegensatz zwischen
Bismarck und der Heeresleitung, genauer genommen dem General-
stabe während des Feldzugs vou 1870/71, die Frage der Be¬
schießung von Paris und die Gefahr fremder Intervention,
W endlich die Erneuerung des Kaisertums. Der Fürst hat also
einige Gruppen von Ereignissen, bei denen er hervorragend beteiligt gewesen
ist, herausgegriffen, aber gänzlich darauf verzichtet, auch nur die politische Ge¬
schichte des Krieges im Zusammenhange zu geben. Die Thatsachen des ersten
Abschnitts lassen sich aus der sonstigen Überlieferung lediglich bestätigen, hier
und da auch ergänzen. Die "Verstimmung" zwischen Bismarck und den so¬
genannten "Halbgöttern," den höhern Generalstabsoffizieren unter Moltke,
datierte vom böhmischen Kriege her, wo Bismarck am 30. Juni in Reichen-
berg gegen die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen zum Schutze des Königs
Bedenken geäußert und am 12. Juli im Kriegsrat von Czernahora bei Brünn
den Beschluß, auf Presburg abzubiegen statt geradeswegs ans Wien lvszugehn,
durchgesetzt, später den Einzug in Wien verhindert hatte lG. u. E. II. 32.
357 ff.). Den ersten Vorfall hat er auch sonst gelegentlich mit Behagen er¬
zählt. Die "Halbgötter" vergalten ihm diese Einmischung in ihr "Ressort"
1870 mit einer Art von militärischem Boycott, eine Absicht, von der Bismarck
schon ans der Fahrt nach Mainz (31. Juli bis 2. August) aus Podbielskis
Munde unfreiwillig und unbemerkt erfuhr; sie schlössen ihn von dem täglichen



') So am 30. Oktober 1892, Poschinger, Tischgespräche usw, I, 226.
Grenzboten 111 183931


Kritische Studien
zu Fürst Bismarcks Gedanken und Erinnerungen
Gelo Uaemmel von2. Versailles

ieses Kapitel behandelt in vier Abschnitten den Gegensatz zwischen
Bismarck und der Heeresleitung, genauer genommen dem General-
stabe während des Feldzugs vou 1870/71, die Frage der Be¬
schießung von Paris und die Gefahr fremder Intervention,
W endlich die Erneuerung des Kaisertums. Der Fürst hat also
einige Gruppen von Ereignissen, bei denen er hervorragend beteiligt gewesen
ist, herausgegriffen, aber gänzlich darauf verzichtet, auch nur die politische Ge¬
schichte des Krieges im Zusammenhange zu geben. Die Thatsachen des ersten
Abschnitts lassen sich aus der sonstigen Überlieferung lediglich bestätigen, hier
und da auch ergänzen. Die „Verstimmung" zwischen Bismarck und den so¬
genannten „Halbgöttern," den höhern Generalstabsoffizieren unter Moltke,
datierte vom böhmischen Kriege her, wo Bismarck am 30. Juni in Reichen-
berg gegen die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen zum Schutze des Königs
Bedenken geäußert und am 12. Juli im Kriegsrat von Czernahora bei Brünn
den Beschluß, auf Presburg abzubiegen statt geradeswegs ans Wien lvszugehn,
durchgesetzt, später den Einzug in Wien verhindert hatte lG. u. E. II. 32.
357 ff.). Den ersten Vorfall hat er auch sonst gelegentlich mit Behagen er¬
zählt. Die „Halbgötter" vergalten ihm diese Einmischung in ihr „Ressort"
1870 mit einer Art von militärischem Boycott, eine Absicht, von der Bismarck
schon ans der Fahrt nach Mainz (31. Juli bis 2. August) aus Podbielskis
Munde unfreiwillig und unbemerkt erfuhr; sie schlössen ihn von dem täglichen



') So am 30. Oktober 1892, Poschinger, Tischgespräche usw, I, 226.
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[0249] [Abbildung] Kritische Studien zu Fürst Bismarcks Gedanken und Erinnerungen Gelo Uaemmel von2. Versailles ieses Kapitel behandelt in vier Abschnitten den Gegensatz zwischen Bismarck und der Heeresleitung, genauer genommen dem General- stabe während des Feldzugs vou 1870/71, die Frage der Be¬ schießung von Paris und die Gefahr fremder Intervention, W endlich die Erneuerung des Kaisertums. Der Fürst hat also einige Gruppen von Ereignissen, bei denen er hervorragend beteiligt gewesen ist, herausgegriffen, aber gänzlich darauf verzichtet, auch nur die politische Ge¬ schichte des Krieges im Zusammenhange zu geben. Die Thatsachen des ersten Abschnitts lassen sich aus der sonstigen Überlieferung lediglich bestätigen, hier und da auch ergänzen. Die „Verstimmung" zwischen Bismarck und den so¬ genannten „Halbgöttern," den höhern Generalstabsoffizieren unter Moltke, datierte vom böhmischen Kriege her, wo Bismarck am 30. Juni in Reichen- berg gegen die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen zum Schutze des Königs Bedenken geäußert und am 12. Juli im Kriegsrat von Czernahora bei Brünn den Beschluß, auf Presburg abzubiegen statt geradeswegs ans Wien lvszugehn, durchgesetzt, später den Einzug in Wien verhindert hatte lG. u. E. II. 32. 357 ff.). Den ersten Vorfall hat er auch sonst gelegentlich mit Behagen er¬ zählt. Die „Halbgötter" vergalten ihm diese Einmischung in ihr „Ressort" 1870 mit einer Art von militärischem Boycott, eine Absicht, von der Bismarck schon ans der Fahrt nach Mainz (31. Juli bis 2. August) aus Podbielskis Munde unfreiwillig und unbemerkt erfuhr; sie schlössen ihn von dem täglichen ') So am 30. Oktober 1892, Poschinger, Tischgespräche usw, I, 226. Grenzboten 111 183931

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/249>, abgerufen am 11.09.2024.