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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Aus dem Heidedorf
Beate Borns-Zeep Skizzen von
^. Der Skorpion

ritz Heute mit dem breiten blonden Bart, der "Siebzig" mit¬
gemacht hatte und am Sonntag die Kriegsmedaille auf dem Tuchrock
trug, stand auf seinem Hof und brüllte.

Er ist nicht besoffen, sagte seine Frau drinnen an dem kleinen
Fenster. Er hat keinen Groschen mitgehabt! Wir sind olle beide
in der Heide gewesen nach Holz. Ich muß nun nach Hause, habe
ich gesagt, nach dem Vieh sehen.

Hast du keinen Groschen mit? sagt' er.

Ich habe keinen bei mir. Du hast ja nichts gesagt zu Hause.

Das kannst dn dir doch aber denken, so auf der Reise, wenn man seine Schnitte
ißt, da will man doch was hinterher trinken.

Ich habe keinen bei mir, habe ich nur gesagt. Ich hüte aber mit Willen
keinen mitgenommen. Man muß doch immer son bischen -- sie machte ein ver¬
schmitztes Gesicht -- klug sein! setzte sie leise bei sich hinzu.

Aber nun hör nur mal, wie er brüllt! Der muß! Das ist ihm angeboren.
Kann er um nicht ruhig sein Pferd ausspannen und abladen? Wir springen alle
um ihn herum und bedienen ihn, daß er bloß soll stille sein. Aber der muß
schreien wie ein Löwe. Am Morgen, eh er aus dem Bett ist, eh er die Hosen
anhat, geht es los. Ich sage: Ist nur gut, daß du dich melden thust, daß die
Leute merken, Häutens Vater ist auf. Sie denken am Ende, dn schläfst noch.

Vorhin ist er vor uns bei gefahren, sagte der schwarze Job. Da schrie er:
Einen Skorpion habe ich gekauft, aber ein Pferd will ich daraus machen! Das
schreit er immer, jedesmal, wenn er vor unserm Hof beikommt.

Na, da mag er ja so Unrecht nicht damit haben, fiel die Frau ein. Keinen
Staat kann man mit dem Vieh auch nicht machen, das dn uns mit zweiundncunzig
Thalern hast angerechnet. Das hüte ja fingerlange Haare, wie es ist zu uns ge¬
kommen. Wenn nicht das Striegeln wäre, das unser Vater alle Tage macht,
dann merkte man auch nicht, ob das ein Pferd ist oder ein Skorpion.

Der, mit dem sie sprach, stand außen unterm Fenster. Er lachte.

Wo willst du denn hin mit deiner Peitsche, wo du doch keinen Wagen dabei
hast? fragte die Frau.

Ich suche mein junges Pferd. Das reißt doch immer mal aus. Und ich
denke, weil ich es doch mit euerm zusammen habe aufgezogen, es wird vielleicht
hingelaufen sein, wo euer Skorpion ist.

Heute habe ich es noch uicht gesehen. Sonst kommt es immer nnterlang mal


Grenzboten III 1899 54


Aus dem Heidedorf
Beate Borns-Zeep Skizzen von
^. Der Skorpion

ritz Heute mit dem breiten blonden Bart, der „Siebzig" mit¬
gemacht hatte und am Sonntag die Kriegsmedaille auf dem Tuchrock
trug, stand auf seinem Hof und brüllte.

Er ist nicht besoffen, sagte seine Frau drinnen an dem kleinen
Fenster. Er hat keinen Groschen mitgehabt! Wir sind olle beide
in der Heide gewesen nach Holz. Ich muß nun nach Hause, habe
ich gesagt, nach dem Vieh sehen.

Hast du keinen Groschen mit? sagt' er.

Ich habe keinen bei mir. Du hast ja nichts gesagt zu Hause.

Das kannst dn dir doch aber denken, so auf der Reise, wenn man seine Schnitte
ißt, da will man doch was hinterher trinken.

Ich habe keinen bei mir, habe ich nur gesagt. Ich hüte aber mit Willen
keinen mitgenommen. Man muß doch immer son bischen — sie machte ein ver¬
schmitztes Gesicht — klug sein! setzte sie leise bei sich hinzu.

Aber nun hör nur mal, wie er brüllt! Der muß! Das ist ihm angeboren.
Kann er um nicht ruhig sein Pferd ausspannen und abladen? Wir springen alle
um ihn herum und bedienen ihn, daß er bloß soll stille sein. Aber der muß
schreien wie ein Löwe. Am Morgen, eh er aus dem Bett ist, eh er die Hosen
anhat, geht es los. Ich sage: Ist nur gut, daß du dich melden thust, daß die
Leute merken, Häutens Vater ist auf. Sie denken am Ende, dn schläfst noch.

Vorhin ist er vor uns bei gefahren, sagte der schwarze Job. Da schrie er:
Einen Skorpion habe ich gekauft, aber ein Pferd will ich daraus machen! Das
schreit er immer, jedesmal, wenn er vor unserm Hof beikommt.

Na, da mag er ja so Unrecht nicht damit haben, fiel die Frau ein. Keinen
Staat kann man mit dem Vieh auch nicht machen, das dn uns mit zweiundncunzig
Thalern hast angerechnet. Das hüte ja fingerlange Haare, wie es ist zu uns ge¬
kommen. Wenn nicht das Striegeln wäre, das unser Vater alle Tage macht,
dann merkte man auch nicht, ob das ein Pferd ist oder ein Skorpion.

Der, mit dem sie sprach, stand außen unterm Fenster. Er lachte.

Wo willst du denn hin mit deiner Peitsche, wo du doch keinen Wagen dabei
hast? fragte die Frau.

Ich suche mein junges Pferd. Das reißt doch immer mal aus. Und ich
denke, weil ich es doch mit euerm zusammen habe aufgezogen, es wird vielleicht
hingelaufen sein, wo euer Skorpion ist.

Heute habe ich es noch uicht gesehen. Sonst kommt es immer nnterlang mal


Grenzboten III 1899 54
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[0433] [Abbildung] Aus dem Heidedorf Beate Borns-Zeep Skizzen von ^. Der Skorpion ritz Heute mit dem breiten blonden Bart, der „Siebzig" mit¬ gemacht hatte und am Sonntag die Kriegsmedaille auf dem Tuchrock trug, stand auf seinem Hof und brüllte. Er ist nicht besoffen, sagte seine Frau drinnen an dem kleinen Fenster. Er hat keinen Groschen mitgehabt! Wir sind olle beide in der Heide gewesen nach Holz. Ich muß nun nach Hause, habe ich gesagt, nach dem Vieh sehen. Hast du keinen Groschen mit? sagt' er. Ich habe keinen bei mir. Du hast ja nichts gesagt zu Hause. Das kannst dn dir doch aber denken, so auf der Reise, wenn man seine Schnitte ißt, da will man doch was hinterher trinken. Ich habe keinen bei mir, habe ich nur gesagt. Ich hüte aber mit Willen keinen mitgenommen. Man muß doch immer son bischen — sie machte ein ver¬ schmitztes Gesicht — klug sein! setzte sie leise bei sich hinzu. Aber nun hör nur mal, wie er brüllt! Der muß! Das ist ihm angeboren. Kann er um nicht ruhig sein Pferd ausspannen und abladen? Wir springen alle um ihn herum und bedienen ihn, daß er bloß soll stille sein. Aber der muß schreien wie ein Löwe. Am Morgen, eh er aus dem Bett ist, eh er die Hosen anhat, geht es los. Ich sage: Ist nur gut, daß du dich melden thust, daß die Leute merken, Häutens Vater ist auf. Sie denken am Ende, dn schläfst noch. Vorhin ist er vor uns bei gefahren, sagte der schwarze Job. Da schrie er: Einen Skorpion habe ich gekauft, aber ein Pferd will ich daraus machen! Das schreit er immer, jedesmal, wenn er vor unserm Hof beikommt. Na, da mag er ja so Unrecht nicht damit haben, fiel die Frau ein. Keinen Staat kann man mit dem Vieh auch nicht machen, das dn uns mit zweiundncunzig Thalern hast angerechnet. Das hüte ja fingerlange Haare, wie es ist zu uns ge¬ kommen. Wenn nicht das Striegeln wäre, das unser Vater alle Tage macht, dann merkte man auch nicht, ob das ein Pferd ist oder ein Skorpion. Der, mit dem sie sprach, stand außen unterm Fenster. Er lachte. Wo willst du denn hin mit deiner Peitsche, wo du doch keinen Wagen dabei hast? fragte die Frau. Ich suche mein junges Pferd. Das reißt doch immer mal aus. Und ich denke, weil ich es doch mit euerm zusammen habe aufgezogen, es wird vielleicht hingelaufen sein, wo euer Skorpion ist. Heute habe ich es noch uicht gesehen. Sonst kommt es immer nnterlang mal Grenzboten III 1899 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/433>, abgerufen am 11.09.2024.