Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

sagte Hänsel, 'damit wir aus dem Hexenwald herauskommen.' Als sie aber ein paar Stunden gegangen waren, kamen sie an ein großes Wasser. 'Wir können nicht hinüber,' sprach Hänsel, sich sehe keinen Steg und keine Brücke.' 'Es kommt auch kein Schiffchen,' antwortete Grethel, 'aber da schwimmt eine weiße Ente, wenn ich die bitte, so hilft sie uns hinüber.' Da rief sie

'Entchen, Entchen,
da steht Grethel und Hänsel.
Kein Steg und keine Brücke,
nimm uns auf deinen weißen Rücken!'

Das Entchen kam auch heran, und Hänsel setzte sich auf, und bat sein Schwesterchen sich zu ihm zu setzen. 'Nein,' antwortete Grethel, 'es wird dem Entchen zu schwer, es soll uns nach einander hinüber bringen.' Das that das gute Thierchen, und als sie glücklich drüben waren, und ein Weilchen fortgiengen, da kam ihnen der Wald immer bekannter und immer bekannter vor, und endlich erblickten sie von weitem ihres Vaters Haus. Da fiengen sie an zu laufen, stürzten in die Stube hinein, und fielen ihrem Vater um den Hals. Der Mann hatte keine frohe Stunde gehabt, seitdem er die Kinder im Walde gelassen hatte, die Frau aber war gestorben. Grethel schüttete sein Schürzchen aus daß die Perlen und Edelsteine in der Stube herumsprangen, und Hänsel warf eine Handvoll nach der andern aus seiner Tasche dazu. Da hatten alle Sorgen ein Ende, und sie lebten in lauter Freude zusammen. Mein Märchen ist aus, dort lauft eine Maus, wer sie fängt, darf sich eine große große Pelzkappe daraus machen.



sagte Hänsel, ‘damit wir aus dem Hexenwald herauskommen.’ Als sie aber ein paar Stunden gegangen waren, kamen sie an ein großes Wasser. ‘Wir können nicht hinüber,’ sprach Hänsel, sich sehe keinen Steg und keine Brücke.’ ‘Es kommt auch kein Schiffchen,’ antwortete Grethel, ‘aber da schwimmt eine weiße Ente, wenn ich die bitte, so hilft sie uns hinüber.’ Da rief sie

‘Entchen, Entchen,
da steht Grethel und Hänsel.
Kein Steg und keine Brücke,
nimm uns auf deinen weißen Rücken!’

Das Entchen kam auch heran, und Hänsel setzte sich auf, und bat sein Schwesterchen sich zu ihm zu setzen. ‘Nein,’ antwortete Grethel, ‘es wird dem Entchen zu schwer, es soll uns nach einander hinüber bringen.’ Das that das gute Thierchen, und als sie glücklich drüben waren, und ein Weilchen fortgiengen, da kam ihnen der Wald immer bekannter und immer bekannter vor, und endlich erblickten sie von weitem ihres Vaters Haus. Da fiengen sie an zu laufen, stürzten in die Stube hinein, und fielen ihrem Vater um den Hals. Der Mann hatte keine frohe Stunde gehabt, seitdem er die Kinder im Walde gelassen hatte, die Frau aber war gestorben. Grethel schüttete sein Schürzchen aus daß die Perlen und Edelsteine in der Stube herumsprangen, und Hänsel warf eine Handvoll nach der andern aus seiner Tasche dazu. Da hatten alle Sorgen ein Ende, und sie lebten in lauter Freude zusammen. Mein Märchen ist aus, dort lauft eine Maus, wer sie fängt, darf sich eine große große Pelzkappe daraus machen.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0138" n="100"/>
sagte Hänsel, &#x2018;damit wir aus dem Hexenwald herauskommen.&#x2019; Als sie aber ein paar Stunden gegangen waren, kamen sie an ein großes Wasser. &#x2018;Wir können nicht hinüber,&#x2019; sprach Hänsel, sich sehe keinen Steg und keine Brücke.&#x2019; &#x2018;Es kommt auch kein Schiffchen,&#x2019; antwortete Grethel, &#x2018;aber da schwimmt eine weiße Ente, wenn ich die bitte, so hilft sie uns hinüber.&#x2019; Da rief sie</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;Entchen, Entchen,</l><lb/>
          <l>da steht Grethel und Hänsel.</l><lb/>
          <l>Kein Steg und keine Brücke,</l><lb/>
          <l>nimm uns auf deinen weißen Rücken!&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Das Entchen kam auch heran, und Hänsel setzte sich auf, und bat sein Schwesterchen sich zu ihm zu setzen. &#x2018;Nein,&#x2019; antwortete Grethel, &#x2018;es wird dem Entchen zu schwer, es soll uns nach einander hinüber bringen.&#x2019; Das that das gute Thierchen, und als sie glücklich drüben waren, und ein Weilchen fortgiengen, da kam ihnen der Wald immer bekannter und immer bekannter vor, und endlich erblickten sie von weitem ihres Vaters Haus. Da fiengen sie an zu laufen, stürzten in die Stube hinein, und fielen ihrem Vater um den Hals. Der Mann hatte keine frohe Stunde gehabt, seitdem er die Kinder im Walde gelassen hatte, die Frau aber war gestorben. Grethel schüttete sein Schürzchen aus daß die Perlen und Edelsteine in der Stube herumsprangen, und Hänsel warf eine Handvoll nach der andern aus seiner Tasche dazu. Da hatten alle Sorgen ein Ende, und sie lebten in lauter Freude zusammen. Mein Märchen ist aus, dort lauft eine Maus, wer sie fängt, darf sich eine große große Pelzkappe daraus machen.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0138] sagte Hänsel, ‘damit wir aus dem Hexenwald herauskommen.’ Als sie aber ein paar Stunden gegangen waren, kamen sie an ein großes Wasser. ‘Wir können nicht hinüber,’ sprach Hänsel, sich sehe keinen Steg und keine Brücke.’ ‘Es kommt auch kein Schiffchen,’ antwortete Grethel, ‘aber da schwimmt eine weiße Ente, wenn ich die bitte, so hilft sie uns hinüber.’ Da rief sie ‘Entchen, Entchen, da steht Grethel und Hänsel. Kein Steg und keine Brücke, nimm uns auf deinen weißen Rücken!’ Das Entchen kam auch heran, und Hänsel setzte sich auf, und bat sein Schwesterchen sich zu ihm zu setzen. ‘Nein,’ antwortete Grethel, ‘es wird dem Entchen zu schwer, es soll uns nach einander hinüber bringen.’ Das that das gute Thierchen, und als sie glücklich drüben waren, und ein Weilchen fortgiengen, da kam ihnen der Wald immer bekannter und immer bekannter vor, und endlich erblickten sie von weitem ihres Vaters Haus. Da fiengen sie an zu laufen, stürzten in die Stube hinein, und fielen ihrem Vater um den Hals. Der Mann hatte keine frohe Stunde gehabt, seitdem er die Kinder im Walde gelassen hatte, die Frau aber war gestorben. Grethel schüttete sein Schürzchen aus daß die Perlen und Edelsteine in der Stube herumsprangen, und Hänsel warf eine Handvoll nach der andern aus seiner Tasche dazu. Da hatten alle Sorgen ein Ende, und sie lebten in lauter Freude zusammen. Mein Märchen ist aus, dort lauft eine Maus, wer sie fängt, darf sich eine große große Pelzkappe daraus machen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/138
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/138>, abgerufen am 28.03.2024.