Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

machte vor Freude immer größere Stiche. Jndeß stieg der Geruch von dem süßen Mus hinauf an die Wand, wo die Fliegen in großer Menge saßen, so daß sie herangelockt wurden, und sich scharenweis darauf nieder ließen. 'Ei, wer hat euch eingeladen?' sprach das Schneiderlein, und jagte die ungebetenen Gäste fort. Die Fliegen aber, die kein deutsch verstanden, ließen sich nicht abweisen, sondern kamen in immer größerer Gesellschaft wieder. Da lief dem Schneiderlein endlich, wie man sagt, die Laus über die Leber, es langte aus seiner Hölle nach einem Tuchlappen, und 'wart, ich will es euch geben!' schlug es unbarmherzig drauf. Als es abzog und zählte, so lagen nicht weniger als sieben vor ihm todt, und streckten die Beine. 'Bist du so ein Kerl?' sprach er, und mußte selbst seine Tapferkeit bewundern, 'das soll die ganze Stadt erfahren.' Und in der Hast schnitt sich das Schneiderlein einen Gürtel, nähte ihn, und stickte mit großen Buchstaben darauf 'siebene auf einen Streich!' 'Ei was Stadt!' sprach er weiter, die ganze Welt solls erfahren!' und sein Herz wackelte ihm vor Freude wie ein Lämmerschwänzchen.

Der Schneider band sich den Gürtel um den Leib, und wollte in die Welt hinaus, weil er meinte die Werkstätte sei zu klein für seine Tapferkeit. Eh er abzog, suchte er im Haus herum ob nichts da wäre, was er mitnehmen könnte, er fand aber nichts als einen alten Käs, den er einsteckte. Vor dem Thore bemerkte er einen Vogel, der sich im Gesträuch gefangen hatte, der mußte zu dem Käse in die Tasche. Nun nahm er den Weg tapfer zwischen die Beine, und weil er leicht und behend war fühlte er keine Müdigkeit. Der Weg führte ihn auf einen Berg,

machte vor Freude immer größere Stiche. Jndeß stieg der Geruch von dem süßen Mus hinauf an die Wand, wo die Fliegen in großer Menge saßen, so daß sie herangelockt wurden, und sich scharenweis darauf nieder ließen. ‘Ei, wer hat euch eingeladen?’ sprach das Schneiderlein, und jagte die ungebetenen Gäste fort. Die Fliegen aber, die kein deutsch verstanden, ließen sich nicht abweisen, sondern kamen in immer größerer Gesellschaft wieder. Da lief dem Schneiderlein endlich, wie man sagt, die Laus über die Leber, es langte aus seiner Hölle nach einem Tuchlappen, und ‘wart, ich will es euch geben!’ schlug es unbarmherzig drauf. Als es abzog und zählte, so lagen nicht weniger als sieben vor ihm todt, und streckten die Beine. ‘Bist du so ein Kerl?’ sprach er, und mußte selbst seine Tapferkeit bewundern, ‘das soll die ganze Stadt erfahren.’ Und in der Hast schnitt sich das Schneiderlein einen Gürtel, nähte ihn, und stickte mit großen Buchstaben darauf ‘siebene auf einen Streich!’ ‘Ei was Stadt!’ sprach er weiter, die ganze Welt solls erfahren!’ und sein Herz wackelte ihm vor Freude wie ein Lämmerschwänzchen.

Der Schneider band sich den Gürtel um den Leib, und wollte in die Welt hinaus, weil er meinte die Werkstätte sei zu klein für seine Tapferkeit. Eh er abzog, suchte er im Haus herum ob nichts da wäre, was er mitnehmen könnte, er fand aber nichts als einen alten Käs, den er einsteckte. Vor dem Thore bemerkte er einen Vogel, der sich im Gesträuch gefangen hatte, der mußte zu dem Käse in die Tasche. Nun nahm er den Weg tapfer zwischen die Beine, und weil er leicht und behend war fühlte er keine Müdigkeit. Der Weg führte ihn auf einen Berg,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0165" n="127"/>
machte vor Freude immer größere Stiche. Jndeß stieg der Geruch von dem süßen Mus hinauf an die Wand, wo die Fliegen in großer Menge saßen, so daß sie herangelockt wurden, und sich scharenweis darauf nieder ließen. &#x2018;Ei, wer hat euch eingeladen?&#x2019; sprach das Schneiderlein, und jagte die ungebetenen Gäste fort. Die Fliegen aber, die kein deutsch verstanden, ließen sich nicht abweisen, sondern kamen in immer größerer Gesellschaft wieder. Da lief dem Schneiderlein endlich, wie man sagt, die Laus über die Leber, es langte aus seiner Hölle nach einem Tuchlappen, und &#x2018;wart, ich will es euch geben!&#x2019; schlug es unbarmherzig drauf. Als es abzog und zählte, so lagen nicht weniger als sieben vor ihm todt, und streckten die Beine. &#x2018;Bist du so ein Kerl?&#x2019; sprach er, und mußte selbst seine Tapferkeit bewundern, &#x2018;das soll die ganze Stadt erfahren.&#x2019; Und in der Hast schnitt sich das Schneiderlein einen Gürtel, nähte ihn, und stickte mit großen Buchstaben darauf &#x2018;siebene auf einen Streich!&#x2019; &#x2018;Ei was Stadt!&#x2019; sprach er weiter, die ganze Welt solls erfahren!&#x2019; und sein Herz wackelte ihm vor Freude wie ein Lämmerschwänzchen.</p><lb/>
        <p>Der Schneider band sich den Gürtel um den Leib, und wollte in die Welt hinaus, weil er meinte die Werkstätte sei zu klein für seine Tapferkeit. Eh er abzog, suchte er im Haus herum ob nichts da wäre, was er mitnehmen könnte, er fand aber nichts als einen alten Käs, den er einsteckte. Vor dem Thore bemerkte er einen Vogel, der sich im Gesträuch gefangen hatte, der mußte zu dem Käse in die Tasche. Nun nahm er den Weg tapfer zwischen die Beine, und weil er leicht und behend war fühlte er keine Müdigkeit. Der Weg führte ihn auf einen Berg,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0165] machte vor Freude immer größere Stiche. Jndeß stieg der Geruch von dem süßen Mus hinauf an die Wand, wo die Fliegen in großer Menge saßen, so daß sie herangelockt wurden, und sich scharenweis darauf nieder ließen. ‘Ei, wer hat euch eingeladen?’ sprach das Schneiderlein, und jagte die ungebetenen Gäste fort. Die Fliegen aber, die kein deutsch verstanden, ließen sich nicht abweisen, sondern kamen in immer größerer Gesellschaft wieder. Da lief dem Schneiderlein endlich, wie man sagt, die Laus über die Leber, es langte aus seiner Hölle nach einem Tuchlappen, und ‘wart, ich will es euch geben!’ schlug es unbarmherzig drauf. Als es abzog und zählte, so lagen nicht weniger als sieben vor ihm todt, und streckten die Beine. ‘Bist du so ein Kerl?’ sprach er, und mußte selbst seine Tapferkeit bewundern, ‘das soll die ganze Stadt erfahren.’ Und in der Hast schnitt sich das Schneiderlein einen Gürtel, nähte ihn, und stickte mit großen Buchstaben darauf ‘siebene auf einen Streich!’ ‘Ei was Stadt!’ sprach er weiter, die ganze Welt solls erfahren!’ und sein Herz wackelte ihm vor Freude wie ein Lämmerschwänzchen. Der Schneider band sich den Gürtel um den Leib, und wollte in die Welt hinaus, weil er meinte die Werkstätte sei zu klein für seine Tapferkeit. Eh er abzog, suchte er im Haus herum ob nichts da wäre, was er mitnehmen könnte, er fand aber nichts als einen alten Käs, den er einsteckte. Vor dem Thore bemerkte er einen Vogel, der sich im Gesträuch gefangen hatte, der mußte zu dem Käse in die Tasche. Nun nahm er den Weg tapfer zwischen die Beine, und weil er leicht und behend war fühlte er keine Müdigkeit. Der Weg führte ihn auf einen Berg,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/165
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/165>, abgerufen am 25.04.2024.