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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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dein Vater nicht mehr sein.' Der Sohn blieb bei dem dritten Meister ebenfalls ein ganzes Jahr, und als er wieder nach Haus kam, und der Vater fragte 'mein Sohn, was hast du gelernt?' so antwortete er 'lieber Vater, ich habe dieses Jahr gelernt was die Frösche quacken.' Da gerieth der Vater in den höchsten Zorn, sprang auf, rief seine Leute herbei, und sprach 'dieser Mensch ist mein Sohn nicht mehr, ich stoße ihn aus, und gebiete euch daß ihr ihn hinaus in den Wald führt, und ihm das Leben nehmt.' Sie nahmen ihn, und führten ihn hinaus, aber als sie ihn tödten sollten, konnten sie nicht vor Mitleiden, und ließen ihn gehen. Sie schnitten einem Reh Augen und Zunge aus, damit sie dem Alten die Wahrzeichen bringen konnten.

Der Jüngling wanderte fort, und kam nach einiger Zeit zu einer Burg, wo er um Nachtherberge bat. 'Ja,' sagte der Burgherr, 'wenn du da unten in dem alten Thurm übernachten willst, so gehe hin, aber ich warne dich, es ist lebensgefährlich, denn er ist voll wilder Hunde, die bellen und heulen in einem fort, und zu gewissen Stunden müssen sie einen Menschen ausgeliefert haben, den sie auch gleich verzehren.' Die ganze Gegend war darüber in Trauer und Leid, und konnte doch niemand helfen. Der Jüngling aber, der sich nicht fürchtete, sprach 'laßt mich nur hinab zu den bellenden Hunden, und gebt mir etwas, das ich ihnen vorwerfen kann; mir sollen sie nichts thun.' Weil er nun selber nicht anders wollte, so gaben sie ihm etwas Essen für die wilden Thiere, und brachten ihn hinab zu dem Thurm. Als er hinein trat, bellten ihn die Hunde nicht an, wedelten mit den Schwänzen

dein Vater nicht mehr sein.’ Der Sohn blieb bei dem dritten Meister ebenfalls ein ganzes Jahr, und als er wieder nach Haus kam, und der Vater fragte ‘mein Sohn, was hast du gelernt?’ so antwortete er ‘lieber Vater, ich habe dieses Jahr gelernt was die Frösche quacken.’ Da gerieth der Vater in den höchsten Zorn, sprang auf, rief seine Leute herbei, und sprach ‘dieser Mensch ist mein Sohn nicht mehr, ich stoße ihn aus, und gebiete euch daß ihr ihn hinaus in den Wald führt, und ihm das Leben nehmt.’ Sie nahmen ihn, und führten ihn hinaus, aber als sie ihn tödten sollten, konnten sie nicht vor Mitleiden, und ließen ihn gehen. Sie schnitten einem Reh Augen und Zunge aus, damit sie dem Alten die Wahrzeichen bringen konnten.

Der Jüngling wanderte fort, und kam nach einiger Zeit zu einer Burg, wo er um Nachtherberge bat. ‘Ja,’ sagte der Burgherr, ‘wenn du da unten in dem alten Thurm übernachten willst, so gehe hin, aber ich warne dich, es ist lebensgefährlich, denn er ist voll wilder Hunde, die bellen und heulen in einem fort, und zu gewissen Stunden müssen sie einen Menschen ausgeliefert haben, den sie auch gleich verzehren.’ Die ganze Gegend war darüber in Trauer und Leid, und konnte doch niemand helfen. Der Jüngling aber, der sich nicht fürchtete, sprach ‘laßt mich nur hinab zu den bellenden Hunden, und gebt mir etwas, das ich ihnen vorwerfen kann; mir sollen sie nichts thun.’ Weil er nun selber nicht anders wollte, so gaben sie ihm etwas Essen für die wilden Thiere, und brachten ihn hinab zu dem Thurm. Als er hinein trat, bellten ihn die Hunde nicht an, wedelten mit den Schwänzen

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[202/0240] dein Vater nicht mehr sein.’ Der Sohn blieb bei dem dritten Meister ebenfalls ein ganzes Jahr, und als er wieder nach Haus kam, und der Vater fragte ‘mein Sohn, was hast du gelernt?’ so antwortete er ‘lieber Vater, ich habe dieses Jahr gelernt was die Frösche quacken.’ Da gerieth der Vater in den höchsten Zorn, sprang auf, rief seine Leute herbei, und sprach ‘dieser Mensch ist mein Sohn nicht mehr, ich stoße ihn aus, und gebiete euch daß ihr ihn hinaus in den Wald führt, und ihm das Leben nehmt.’ Sie nahmen ihn, und führten ihn hinaus, aber als sie ihn tödten sollten, konnten sie nicht vor Mitleiden, und ließen ihn gehen. Sie schnitten einem Reh Augen und Zunge aus, damit sie dem Alten die Wahrzeichen bringen konnten. Der Jüngling wanderte fort, und kam nach einiger Zeit zu einer Burg, wo er um Nachtherberge bat. ‘Ja,’ sagte der Burgherr, ‘wenn du da unten in dem alten Thurm übernachten willst, so gehe hin, aber ich warne dich, es ist lebensgefährlich, denn er ist voll wilder Hunde, die bellen und heulen in einem fort, und zu gewissen Stunden müssen sie einen Menschen ausgeliefert haben, den sie auch gleich verzehren.’ Die ganze Gegend war darüber in Trauer und Leid, und konnte doch niemand helfen. Der Jüngling aber, der sich nicht fürchtete, sprach ‘laßt mich nur hinab zu den bellenden Hunden, und gebt mir etwas, das ich ihnen vorwerfen kann; mir sollen sie nichts thun.’ Weil er nun selber nicht anders wollte, so gaben sie ihm etwas Essen für die wilden Thiere, und brachten ihn hinab zu dem Thurm. Als er hinein trat, bellten ihn die Hunde nicht an, wedelten mit den Schwänzen

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/240>, abgerufen am 28.03.2024.