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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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so viel Geld gaben, daß er Leder zu vier Paar Schuhen einkaufen konnte. Er fand früh Morgens auch die vier Paar fertig; und so giengs immer fort, was er Abends zuschnitt, das war am Morgen verarbeitet, also daß er bald wieder sein ehrliches Auskommen hatte, und endlich ein wohlhabender Mann ward. Nun geschah es eines Abends, nicht lange vor Weihnachten, als der Mann wieder zugeschnitten hatte, daß er vor Schlafengehen zu seiner Frau sprach 'wie wärs wenn wir diese Nacht aufblieben um zu sehen wer uns solche hilfreiche Hand leistet?' Die Frau wars zufrieden, und steckte ein Licht an; darauf verbargen sie sich in den Stubenecken, hinter den Kleidern, die da aufgehängt waren, und gaben acht. Als es Mitternacht war, da kamen zwei kleine niedliche nackte Männlein, setzten sich vor des Schusters Tisch, nahmen alle zugeschnittene Arbeit zu sich, und fiengen an mit ihren Fingerlein so behend und schnell zu stechen, zu nähen, zu klopfen, daß der Schuster vor Verwunderung die Augen nicht abwenden konnte. Sie ließen nicht nach, bis alles zu Ende gebracht war, und fertig auf dem Tische stand, dann sprangen sie schnell fort.

Am andern Morgen sprach die Frau 'die kleinen Männer haben uns reich gemacht, wir müßten uns doch dankbar dafür bezeigen. Sie laufen so herum, haben nichts am Leib, und müssen frieren. Weißt du was? ich will Hemdlein, Rock, Wams und Höslein für sie nähen, auch jedem ein Paar Strümpfe stricken; mach du jedem ein Paar Schühlein dazu.' Der Mann war das wohl zufrieden. Abends, wie sie alle fertig hatten, legten sie die Geschenke statt der zugeschnittenen Arbeit zusammen auf den Tisch,

so viel Geld gaben, daß er Leder zu vier Paar Schuhen einkaufen konnte. Er fand früh Morgens auch die vier Paar fertig; und so giengs immer fort, was er Abends zuschnitt, das war am Morgen verarbeitet, also daß er bald wieder sein ehrliches Auskommen hatte, und endlich ein wohlhabender Mann ward. Nun geschah es eines Abends, nicht lange vor Weihnachten, als der Mann wieder zugeschnitten hatte, daß er vor Schlafengehen zu seiner Frau sprach ‘wie wärs wenn wir diese Nacht aufblieben um zu sehen wer uns solche hilfreiche Hand leistet?’ Die Frau wars zufrieden, und steckte ein Licht an; darauf verbargen sie sich in den Stubenecken, hinter den Kleidern, die da aufgehängt waren, und gaben acht. Als es Mitternacht war, da kamen zwei kleine niedliche nackte Männlein, setzten sich vor des Schusters Tisch, nahmen alle zugeschnittene Arbeit zu sich, und fiengen an mit ihren Fingerlein so behend und schnell zu stechen, zu nähen, zu klopfen, daß der Schuster vor Verwunderung die Augen nicht abwenden konnte. Sie ließen nicht nach, bis alles zu Ende gebracht war, und fertig auf dem Tische stand, dann sprangen sie schnell fort.

Am andern Morgen sprach die Frau ‘die kleinen Männer haben uns reich gemacht, wir müßten uns doch dankbar dafür bezeigen. Sie laufen so herum, haben nichts am Leib, und müssen frieren. Weißt du was? ich will Hemdlein, Rock, Wams und Höslein für sie nähen, auch jedem ein Paar Strümpfe stricken; mach du jedem ein Paar Schühlein dazu.’ Der Mann war das wohl zufrieden. Abends, wie sie alle fertig hatten, legten sie die Geschenke statt der zugeschnittenen Arbeit zusammen auf den Tisch,

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[239/0277] so viel Geld gaben, daß er Leder zu vier Paar Schuhen einkaufen konnte. Er fand früh Morgens auch die vier Paar fertig; und so giengs immer fort, was er Abends zuschnitt, das war am Morgen verarbeitet, also daß er bald wieder sein ehrliches Auskommen hatte, und endlich ein wohlhabender Mann ward. Nun geschah es eines Abends, nicht lange vor Weihnachten, als der Mann wieder zugeschnitten hatte, daß er vor Schlafengehen zu seiner Frau sprach ‘wie wärs wenn wir diese Nacht aufblieben um zu sehen wer uns solche hilfreiche Hand leistet?’ Die Frau wars zufrieden, und steckte ein Licht an; darauf verbargen sie sich in den Stubenecken, hinter den Kleidern, die da aufgehängt waren, und gaben acht. Als es Mitternacht war, da kamen zwei kleine niedliche nackte Männlein, setzten sich vor des Schusters Tisch, nahmen alle zugeschnittene Arbeit zu sich, und fiengen an mit ihren Fingerlein so behend und schnell zu stechen, zu nähen, zu klopfen, daß der Schuster vor Verwunderung die Augen nicht abwenden konnte. Sie ließen nicht nach, bis alles zu Ende gebracht war, und fertig auf dem Tische stand, dann sprangen sie schnell fort. Am andern Morgen sprach die Frau ‘die kleinen Männer haben uns reich gemacht, wir müßten uns doch dankbar dafür bezeigen. Sie laufen so herum, haben nichts am Leib, und müssen frieren. Weißt du was? ich will Hemdlein, Rock, Wams und Höslein für sie nähen, auch jedem ein Paar Strümpfe stricken; mach du jedem ein Paar Schühlein dazu.’ Der Mann war das wohl zufrieden. Abends, wie sie alle fertig hatten, legten sie die Geschenke statt der zugeschnittenen Arbeit zusammen auf den Tisch,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/277>, abgerufen am 25.04.2024.