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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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Rücken gekehrt hatte, legte das Grethel den Spieß mit den Hühnern beiseits, und dachte 'so lange da beim Feuer stehen, macht schwitzen und durstig, wer weiß wann die kommen! derweil spring ich in den Keller, und thue einen Schluck.' Lief hinab, setzte einen Krug an, sprach 'Gott gesegnes dir, Grethel,' und that einen guten Zug. 'Der Wein hängt an einander,' sprachs weiter, 'und ist nicht gut abbrechen,' und that noch einen ernsthaften Zug. Nun gieng es, und stellte die Hühner wieder übers Feuer, strich sie mit Butter, und trieb den Spieß lustig herum. Weil aber der Braten so gut roch, dachte Grethel 'es könnte etwas fehlen, versucht muß er werden!' schleckte mit dem Finger, und sprach 'ei, was sind die Hühner so gut! ist ja Sünd und Schand, daß man sie nicht gleich ißt!' Lief zum Fenster, ob der Herr mit dem Gast noch nicht käm, aber es sah niemand, stellte sich wieder zu den Hühnern, dachte 'der eine Flügel verbrennt, besser ists, ich eß ihn weg.' Also schnitt es ihn ab, und aß ihn auf, und er schmeckte ihm, und wie es fertig war, dachte es 'der andere muß auch herab, sonst merkt der Herr daß etwas fehlt.' Wie die zwei Flügel verzehrt waren, gieng es wieder, und schaute nach dem Herrn, und sah ihn nicht. 'Wer weiß,' fiel ihm ein, 'sie kommen wohl gar nicht, und sind wo eingekehrt.' Da sprachs 'hei, Grethel, sei guter Dinge, das eine ist doch angegriffen, thu noch einen frischen Trunk, und iß es vollends auf, wenns all ist, hast du Ruhe: warum soll die gute Gottesgabe umkommen?' Also lief es noch einmal in den Keller, that einen ehrbaren Trunk, und aß das eine Huhn in aller Freudigkeit auf. Wie das eine

Rücken gekehrt hatte, legte das Grethel den Spieß mit den Hühnern beiseits, und dachte ‘so lange da beim Feuer stehen, macht schwitzen und durstig, wer weiß wann die kommen! derweil spring ich in den Keller, und thue einen Schluck.’ Lief hinab, setzte einen Krug an, sprach ‘Gott gesegnes dir, Grethel,’ und that einen guten Zug. ‘Der Wein hängt an einander,’ sprachs weiter, ‘und ist nicht gut abbrechen,’ und that noch einen ernsthaften Zug. Nun gieng es, und stellte die Hühner wieder übers Feuer, strich sie mit Butter, und trieb den Spieß lustig herum. Weil aber der Braten so gut roch, dachte Grethel ‘es könnte etwas fehlen, versucht muß er werden!’ schleckte mit dem Finger, und sprach ‘ei, was sind die Hühner so gut! ist ja Sünd und Schand, daß man sie nicht gleich ißt!’ Lief zum Fenster, ob der Herr mit dem Gast noch nicht käm, aber es sah niemand, stellte sich wieder zu den Hühnern, dachte ‘der eine Flügel verbrennt, besser ists, ich eß ihn weg.’ Also schnitt es ihn ab, und aß ihn auf, und er schmeckte ihm, und wie es fertig war, dachte es ‘der andere muß auch herab, sonst merkt der Herr daß etwas fehlt.’ Wie die zwei Flügel verzehrt waren, gieng es wieder, und schaute nach dem Herrn, und sah ihn nicht. ‘Wer weiß,’ fiel ihm ein, ‘sie kommen wohl gar nicht, und sind wo eingekehrt.’ Da sprachs ‘hei, Grethel, sei guter Dinge, das eine ist doch angegriffen, thu noch einen frischen Trunk, und iß es vollends auf, wenns all ist, hast du Ruhe: warum soll die gute Gottesgabe umkommen?’ Also lief es noch einmal in den Keller, that einen ehrbaren Trunk, und aß das eine Huhn in aller Freudigkeit auf. Wie das eine

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[460/0498] Rücken gekehrt hatte, legte das Grethel den Spieß mit den Hühnern beiseits, und dachte ‘so lange da beim Feuer stehen, macht schwitzen und durstig, wer weiß wann die kommen! derweil spring ich in den Keller, und thue einen Schluck.’ Lief hinab, setzte einen Krug an, sprach ‘Gott gesegnes dir, Grethel,’ und that einen guten Zug. ‘Der Wein hängt an einander,’ sprachs weiter, ‘und ist nicht gut abbrechen,’ und that noch einen ernsthaften Zug. Nun gieng es, und stellte die Hühner wieder übers Feuer, strich sie mit Butter, und trieb den Spieß lustig herum. Weil aber der Braten so gut roch, dachte Grethel ‘es könnte etwas fehlen, versucht muß er werden!’ schleckte mit dem Finger, und sprach ‘ei, was sind die Hühner so gut! ist ja Sünd und Schand, daß man sie nicht gleich ißt!’ Lief zum Fenster, ob der Herr mit dem Gast noch nicht käm, aber es sah niemand, stellte sich wieder zu den Hühnern, dachte ‘der eine Flügel verbrennt, besser ists, ich eß ihn weg.’ Also schnitt es ihn ab, und aß ihn auf, und er schmeckte ihm, und wie es fertig war, dachte es ‘der andere muß auch herab, sonst merkt der Herr daß etwas fehlt.’ Wie die zwei Flügel verzehrt waren, gieng es wieder, und schaute nach dem Herrn, und sah ihn nicht. ‘Wer weiß,’ fiel ihm ein, ‘sie kommen wohl gar nicht, und sind wo eingekehrt.’ Da sprachs ‘hei, Grethel, sei guter Dinge, das eine ist doch angegriffen, thu noch einen frischen Trunk, und iß es vollends auf, wenns all ist, hast du Ruhe: warum soll die gute Gottesgabe umkommen?’ Also lief es noch einmal in den Keller, that einen ehrbaren Trunk, und aß das eine Huhn in aller Freudigkeit auf. Wie das eine

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/498>, abgerufen am 29.03.2024.